Ausgewählte abgeschlossene Forschungsprojekte
Willy Gehler (1876–1953): Spitzenforschung, politische Selbstmobilisierung und historische Rezeption eines bedeutenden Bauingenieurs und Hochschullehrers im „Jahrhundert der Extreme“
Projektleitung: Prof. Dr. Thomas Hänseroth, Prof. Dr. Manfred Curbach
Projektbearbeitung: Falk Hensel, Oliver Steinbock
Projektförderung: DFG
Laufzeit: 06/2014–05/2017 (1. Bewilligungszeitraum)
Laufzeit: 04/2019-03/2023 (2. Bewilligungszeitraum)
Das Projekt – eine Kooperation mit dem Institut für Massivbau der TU Dresden – fokussiert mit dem Ansatz gezielter und reflexiver Personalisierung – dem biographischen Ansatz für eine multiperspektivisch verstandene technikhistorische Forschung – die Karriere eines sein Fach über Jahrzehnte prägenden Ingenieurs und Technikwissenschaftlers. Diese begann im Kaiserreich und endete in der DDR, umgreift somit vier Epochen deutscher Geschichte und mehr als ein halbes Jahrhundert Technik- und Wissenschaftsgeschichte und zugleich einen nicht unwesentlichen Teil der Technokratischen Hochmoderne (ca. 1880–1970). Das historische Subjekt in seinen vielschichtigen Facetten ist im Zuge des seit den 1990er Jahren in der Geschichtswissenschaft Raum greifenden „cultural turn“ wieder stärker in den Blickpunkt der historischen Forschung getreten. Nachdem zwischen den 1950er und 1980er Jahren die wissenschaftliche Biographik obsolet geworden war, kann inzwischen eine Renaissance dieses Genres konstatiert werden. Die biographische Forschung, verstanden als Kunst, historische Zeiten in der Lebenszeit des Biographierten abzubilden, stellt inzwischen eine feste Größe kulturwissenschaftlich geleiteter geschichtswissenschaftlicher Ansätze dar. Angesichts der Dynamisierung von Lebenswelten, der Entgrenzungsprozesse im sozialen Leben und der Fragmentierung von Lebensläufen erscheint dieser Ansatz prädestiniert für eine zeitgemäße historische Analyse. In diesem Kontext ist in den letzten Jahren aus der Biographik ein interdisziplinäres Forschungsfeld entstanden, das geradezu privilegierte Aufmerksamkeit erfährt. Dabei geht es besonders sowohl um das Erhellen von handlungsleitenden Wahrnehmungs- und Deutungsmustern sowie Handlungsspielräumen von Individuen als auch die Analyse von Formen zwischenmenschlicher Beziehungen und Interaktionen in ihrem historischen sozialen und kulturellen Kontext. Im Mittelpunkt der Projektarbeit steht das Eruieren und Evaluieren neuer Quellen zu Leben und Wirken Willy Gehlers. Einen wesentlichen Bestandteil bilden dabei Vergleiche mit fachlichen Zeitgenossen Gehlers, die als ähnlich exponiert innerhalb der Stahlbetonbau-Community galten, deren Biographien jedoch keine oder weit weniger umfangreiche „Verstrickungen“ in die politischen Systeme des 20. Jahrhunderts aufweisen (z.B. Kurt Beyer, Franz Dischinger und Emil Mörsch).
Ergebnisse des Forschungsprojekts werden von Uwe Fraunholz, Maximilian Gasch und Anna Mattern in einer Online-Ausstellung für die Deutsche Digitale Bibliothek (ddb) dokumentiert. „Konstruktion - Dekonstruktion: Bauingenieure im Krieg“ nimmt neben Willy Gehler und seinem Dresdener Kollegen Kurt Beyer zahlreiche weitere Bauingenieure von der Herausbildung der Profession seit dem 16. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert in den Blick, um die Rolle von Bauingenieuren in Kriegszeiten auszuloten. Kurze Einführungstexte charakterisieren die jeweilige Epoche aus Professionssicht, Kurzbiografien situieren die jeweiligen Bauexperten in ihrer Zeit. Vor allem die Präsentation reichhaltigen Quellenmaterials lädt zu eigenen Forschungen ein.
Die Ausstellung in der ddb erreichen Sie hier: Konstruktion - Dekonstruktion
Die zur Ausstellung gehörige Begleitbroschüre können Sie über Qucosa herunterladen: Konstruktion - Dekonstruktion
Die gedruckte Version der Broschüre gibt es so lange der Vorrat reicht kostenlos im BZW, Raum A 515.
Das Fortschrittsversprechen von Technik und die Altruismusbehauptung der Ingenieure in der technokratischen Hochmoderne (ca. 1880-1970)
Projektleitung: Prof. Dr. Thomas Hänseroth
Projektbearbeitung: Dr. Mirko Buschmann, Dr. Uwe Fraunholz, Detlev Fritsche, M.A., Prof. Dr. Thomas Hänseroth, Dr. Ralf Pulla, Dr. Volker Stöhr, Anke Woschech, M.A., Sylvia Wölfel, M.A., Martin Schwarz, M.A., Hagen Schönrich, M.A.
Laufzeit: 2009-2014
Teilprojekt M des DFG-Sonderforschungsbereiches 804 "Transzendenz und Gemeinsinn"
Zu den prägenden Phänomenen der Hochmoderne zählt ein szientistisch befeuertes Fortschrittsversprechen von Technik, mit dem Zukunft und Technik als Ressourcen zur Erfahrung von Transzendenz erschlossen wurden. Wir wissen noch wenig über dessen konstituierende und stabilisierende Bedingungen. Daher gilt das erkenntnisleitende Interesse des Teilprojekts jenen Konstellationen, die für Entstehung und robustes Beharrungsvermögen eines Technikoptimismus sorgten, der auf der Vermutung unbegrenzter Steigerungsfähigkeit für das Gemeinwohl einsetzbarer technischer Mittel gründete. Zentrale Hypothese ist, dass eine Altruismusbehauptung der Ingenieure den technisierten Fortschrittsoptimismus mit einem hohen Maß an Vertrauenswürdigkeit und Faszination ausstattete. Über die Altruismusformel wurden partikulare Interessen zu einer statuserhöhenden und gegen Kritik immunisierenden Gemeinsinnssupposition transzendiert. Während erstens die Altruismusbehauptung für die Gruppe der Ingenieure einen gemeinsamen Bezugspunkt bildete und in diesem Sinne gemeinsinnig war, formten technisierte Fortschrittserwartungen zweitens einen über diese Gruppe hinausgreifenden common sense, der den zu untersuchenden Zeitraum charakterisiert. Ingenieure scheinen sich drittens nicht nur eine innovative Funktion zugewiesen, sondern ebenso, indem sie technischem Handeln per se eine Gemeinwohlorientierung attestierten, eine kurative Funktion reklamiert zu haben. Leitfrage ist daher, in welchem Ausmaß diese Altruismusbehauptung normativ konnotierten technischen „Fortschritt“ wesentlich gestützt und wiederholt vitalisiert hat, vice versa aber auch, wie das technischem Wandel eingeschriebene Zukunftspathos die Gemeinsinnsbehauptung der Ingenieure stabilisiert und vitalisiert hat. Es werden drei systematisch und historisch eng verwobene Diskursbereiche unterschieden, in denen sich Selbst- und Fremddeutungen sowie Fortschrittsversprechen einerseits zwar in je spezifischer Form manifestierten, zum anderen gleichwohl aufeinander Bezug nehmend formierten. Diese Diskursbereiche bilden zugleich die Forschungsfelder des Teilprojekts: Erstens werden die Einführung von und der Umgang mit neuen Technologien in den Blick genommen, wobei Energie-, Alltags- sowie Produktionstechnik als Beispiele dienen. Zweitens werden in einem weiteren Forschungsfeld Konzeptionen des technisierten Zukunftspathos in Gestalt technischer Utopien untersucht. Drittens werden die Wahrnehmung von und der Umgang mit riskanten Technologien sowie technischen Katastrophen als vermeintlicher Kontrapunkt zu Fortschrittsversprechen und Altruismus fokussiert.
Zwischen ökologischer Verantwortung und ökonomischem Zwang.
Umweltfreundliche Produktentwicklung für den Haushalt in der Bundesrepublik und DDR
Projektbearbeitung: Sylvia Wölfel, M.A.
Programm der TU Dresden zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen
Laufzeit: 2007–2010
Das Promotionsvorhaben verfolgt die Absicht, die Entwicklung umweltfreundlicher Haushaltstechnik in der Bundesrepublik und DDR von Beginn der 1970er Jahre bis zum Ende der 1990er Jahre zu betrachten. Die Analyse umweltfreundlicher Produktentwicklungsprozesse in der Hausgeräteindustrie beider deutscher Staaten befindet sich an einer spannungsreichen Schnittstelle von Fragen der Innovations-, Umwelt- und Wirtschaftsgeschichte zu einer Zeit, als Umweltschutz von einem nahezu unbekannten Begriff zu einem der wichtigsten „Schrittmacher des gesellschaftlich-politischen Wandels“ wurde. Im Mittelpunkt steht der konfliktreiche Prozess der Integration des Umweltschutzgedankens als neues Leitbild in Innovationsprozesse und Organisationskultur der betreffenden Unternehmen bzw. Betriebe mit einem Schwerpunkt auf der Senkung von Verbrauchswerten in den Produktsparten Waschen und Kühlen. Dabei geraten auch Fragen der umweltverträglichen Gestaltung von Produktions-, Transport- und Entsorgungsprozessen in den Blick ebenso wie Veränderungen des Konsumentenhandelns oder die vermittelnde Funktion des Handels in Bezug auf eine stärkere Beachtung ökologischer Kriterien beim Kauf und der Nutzung von Haushaltsgeräten. Ausgehend von dem Befund einer umfassenden Ökologisierung von Gesellschaft und Politik seit den späten 1960er Jahren in der Bundesrepublik bzw. einer Zeit des umweltpolitischen Aufbruchs in der DDR bis etwa Mitte der 1970er Jahre stellen sich die Fragen, auf welchen Wegen veränderte ökologische Wissensbestände, Ideen oder Wertvorstellungen ihren Weg in Unternehmen bzw. Betriebe der Branche fanden, wie sie dort wahrgenommen und in Kommunikations- und Innovationsprozesse von Unternehmen bzw. Betrieben übersetzt wurden. Wer waren die Träger dieses Leitbildes in den Unternehmen bzw. Betrieben der Branche und welche Impulse gingen dabei von den Konsumenten sowie der Politik in beiden deutschen Teilstaaten aus?
Infrastrukturpolitik der SED und Infrastrukturentwicklung der DDR am Beispiel der Deutschen Reichsbahn, 1949–1989
Projektbearbeitung: Ralph Kaschka, M.A.
Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Im Forschungsprojekt werden die Bemühungen der DDR auf dem Gebiet der Niedrigtechnologien im Zeitraum von 1949 bis 1989 untersucht. Damit soll ein weiterer Bereich der Politik-, Verkehrs-, Wirtschafts- und der Technikgeschichte des ostdeutschen Staates erhellt werden. Leistungsfähige technische Infrastrukturen (u.a. Gleisanlagen) bilden eine wichtige Basis für den Erfolg einer Volkwirtschaft. Im Mittelpunkt des Projektes steht, wie diese Tatsache von den verantwortlichen politischen Gremien und Entscheidungsträgern der SED hinsichtlich der Infrastruktur der Deutschen Reichsbahn (DR) wahrgenommen wurde und welche eigenen Initiativen sie verfolgte. Das wird auch bei Spezifika von technischen Infrastrukturen zu analysieren sein (z.B. Ortsgebundenheit der Anlagen). Ebenso im Fokus stehen die Bemühungen und der Erfolg der SED, ihre Ziele in den zuständigen Verwaltungsorganen durchzusetzen sowie die Reaktionen dieser Organe darauf. Zudem soll ausgelotet werden, inwieweit die Exekutive die Vorgaben der Partei in der Praxis umsetzen konnte und wie sie selbst die Spezifika von technischen Infrastrukturen berücksichtigte. Einen weiteren Schwerpunkt der Studie bildet das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Es wird untersucht, welche Erkenntnisse das MfS über den Zustand der Infrastruktur der DR sammelte und ob es möglicherweise für eine Steigerung deren Leistungsfähigkeit selbst aktiv wurde. Abschließend soll für die SED, die Verwaltung und das MfS die These geprüft werden, dass eine wesentliche Ursache für die mangelnde Leistungsfähigkeit der Infrastruktur der DR in Charakteristika der Innovationskultur in der DDR zu finden ist. Die Quellenbasis des Projektes bilden die Bestände des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde, die Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Staatssicherheit der DDR sowie zahlreiche veröffentlichte Quellen. Zusätzlich soll in knappem Umfang eine Befragung von Zeitzeugen durchgeführt werden.
Die DFG-geförderte maschinenwissenschaftliche Forschung im Spannungsfeld von Pfadabhängigkeit und Pfadwechsel, 1920–1970
Projektleitung: Prof. Dr. Thomas Hänseroth
Projektbearbeitung: Dr. Mirko Buschmann
Laufzeit: 2004–2008
DFG-Forschergruppe „Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft“
Der Maschinenbau ist ein Kernbereich des Industrialisierungsprozesses und strategisches Zentrum der technisch-industriellen Entwicklung schlechthin. Für die deutsche Wirtschaft bildete der Maschinenbau während des ganzen 20. Jahrhunderts eine Hauptsäule und eine der wichtigsten Exportbranchen. Die Technikwissenschaften dabei standen in besonderem Maße für eine wachsende Ausrichtung der Wissenschaften auf technokratische Ziele und unmittelbare Verwertbarkeit, was zu tiefgehenden Transformationen in der epistemischen und institutionellen Orientierung der Wissenschaft, zu wachsender Hybridisierung von Forschungsfeldern und wissenschaftlichen Praktiken, zur steigenden Bedeutung von Interdisziplinarität sowie zur „Durchstaatlichung“ von Wissenschaftssystemen führte.
Innerhalb dieses allgemeinen Trends hat die historische Technik- und Wissenschaftsforschung jedoch starke nationale Spezifika identifiziert. Seit etwa zwei Jahrzehnten wird von der Innovationsforschung zur Analyse des Innovationsgeschehens sowie seiner nationalen Besonderheiten mit fruchtbaren Ergebnissen das Denkmodell des „nationalen Innovationssystems“ gebraucht. Dieser Ansatz nimmt vornehmlich die am Innovationsgeschehen beteiligten Institutionen Staat / Politik, Industrie und Hochschulen, ihre jeweiligen Strukturen, ihre Interaktionen sowie ihr funktionales Ineinanderübergehen in den Blick. Dabei haben neuere Forschungen ergeben, dass die Bedingungen erfolgreicher Innovationsprozesse nur dann hinreichend auszumessen sind, wenn man die jeweiligen kulturellen „Imprägnierungen“ dieser Felder berücksichtigt. Dies weist der Forschung den Weg vom nationalen Innovationssystem zur „nationalen Innovationskultur“. Dieser Untersuchungsperspektive folgt das in Rede stehende Projekt.
Dies schließt Fragen nach dem Verhältnis von Kontinuität und Wandel langwirkender forschungsleitender Ideen und kollektiver Forschungsprofile, einschließlich auszumachender Zäsuren, ein. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Förderung durch die DFG eher traditionelle Pfade im Maschinenbau stabilisiert und vitalisiert oder aber zur Eröffnung neuer Pfade beigetragen hat. Wollte und konnte also die DFG in den Technikwissenschaften orientierend und modernisierend eingreifen oder erwiesen sich die kulturellen „Imprägnierungen“ der Akteure und ihrer Netzwerke als eher resistent gegenüber wissenschaftspolitischen Steuerungsbemühungen?
Innovation durch Konzentration? Schwerpunktbildung und Wettbewerbsfähigkeit im Hochschulwesen der DDR und der Bundesrepublik, 1949–1990
Projektleitung: Prof. Dr. Thomas Hänseroth
Projektbearbeitung: Dr. Johannes Abele, Dr. Uwe Fraunholz, Dr. Johannes Raschka, Dr. Manuel Schramm
BMBF-Forschungsverbund "Innovationskultur in Deutschland"
Laufzeit: 1999–2004
Abschlussbericht Download über Qucosa
Universitäten und Hochschulen sind in einer zunehmend globalisierten Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft von strategischer Bedeutung für die Wirtschaftspolitik. Um die Effizienz der Forschungslandschaft zu stärken, fordern Bund und Länder parteiübergreifend eine "Profilbildung und Konzentration" innerhalb der Forschungslandschaft. Die bundesdeutsche Wissenschaftspolitik entwirft damit Hochschulstrukturen, die in der DDR bereits in den fünfziger Jahren geschaffen und danach zielbewusst weiterentwickelt worden waren. In der vorhergehenden Explorationsstudie zeichnete sich ein spezifisches Muster der deutschen Innovationskultur ab, das genauer untersucht werden soll. Seit den 1960er Jahren gab es in beiden deutschen Staaten die Bestrebungen, die Stärken des Hochschulwesens in traditionellen Disziplinen wie Elektrotechnik, Maschinenbau oder Chemie einzufügen in eine zunehmend von wissensbasierten Dienstleistungen geprägte, globalisierte Wirtschaft. Ziel des Forschungsprojekts ist es, Wechselwirkungen zwischen der Organisation des Hochschulsystems in Deutschland und der Entwicklung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit aufzuzeigen.