Studentische Ausstellungen
Inhaltsverzeichnis
Die Technikhistoriker der TU Dresden haben in den letzten Jahren regelmäßig gemeinsam mit Studierenden in Praxisseminaren Ausstellungen konzipiert und in Kooperation mit der SLUB Dresden auch realisiert. Hier finden Sie eine Auswahl der letzten Projekte.
Willy Gehler. Karrieren eines deutschen Bauingenieurs
Studentische Ausstellung in der SLUB Dresden, April 2017 bis März 2018
Uwe Fraunholz, Hagen Schönrich, Oliver Steinbock, Clemens Milker und Philipp Pfennig
Begleitbroschüre über Qucosa verfügbar
Stahlbeton ist heute ein omnipräsentes Baumaterial, das die Druckfestigkeit des Betons mit der Zugfestigkeit des Stahls kombiniert. Graue Betonoberflächen, die versteckte Metallkerne umhüllen, gestalten weite Teile des menschlichen Technotops und werden allenfalls aus ästhetischen Gründen abgelehnt. Die Funktionalität steht dagegen nicht mehr infrage. Vor hundert Jahren war es keineswegs selbstverständlich, Bauten in Stahlbeton zu konstruieren. Vielmehr blieb es einer kleinen Avantgarde von Bauingenieuren vorbehalten, das Fundament für die heute fest etablierte Stahlbetonbauweise zu legen. Studierende aus einem Praxisseminar am Institut für Geschichte konzipierten eine Ausstellung, die sich einem von ihnen widmet: dem Ordinarius der Technischen Hochschule Dresden Willy Gehler (1876–1953). Er studierte, lehrte und forschte hier und hinterließ mit seinen Bauten auch im Dresdner Stadtgebiet Spuren.
Die Ausstellung wurde im Rahmen des Workshops „Willy Gehler – Versuch einer Einordnung“ am 11. April 2017, 16:30 Uhr in der Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Bereichsbibliothek DrePunct eröffnet. Sie basiert auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts „Willy Gehler (1876–1953) – Spitzenforschung, politische Selbstmobilisierung und historische Rezeption eines bedeutenden Bauingenieurs und Hochschullehrers im ‚Jahrhundert der Extreme‘“.
- Oliver Steinbock, Manfred Curbach und Thomas Hänseroth: Willy Gehler – Versuch einer Einordnung. Workshop und Ausstellung zu Leben und Wirken eines umstrittenen Hochschullehrers und Stahlbetonpioniers, in: Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017), H. 8, S. 556-559.
- Manfred Curbach, Oliver Steinbock und Thomas Hänseroth: Willy Gehler – Versuch einer Einordnung. Tagungsband zum Workshop in Dresden am 11. April 2017,
Dresden 2018.
Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und widmet sich der Erforschung der wissenschaftlichen Verdienste Willy Gehlers um den Stahlbeton sowie seines Lebens in vier politischen Systemen. Wissenschaftler*innen des Instituts für Massivbau und des Lehrstuhls für Technik- und Technikwissenschaftsgeschichte der TU Dresden erforschen gemeinsam das Leben Gehlers. Einerseits ist seine Vita von wissenschaftlichem Interesse, da sie eng mit den Pioniertaten des Stahlbetons in Deutschland verbunden ist. Anderseits lässt sich an seinem Beispiel das Wirken von Technikwissenschaftlern in vier unterschiedlichen politischen Systemen untersuchen, da der Protagonist im Deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik, in der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR aktiv war. Die Beschäftigung mit Willy Gehler ist mithin geeignet, auf Kontinuitäten und Brüche in den Biografien bürgerlicher Eliten zu verweisen, und exemplarische Schneisen in die Bau-, Hochschul-, und Wissenschaftsgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu schlagen.
Wahnhaftes Erfinden. Die technischen Visionen des Karl Hans Janke
Studentische Ausstellung in der SLUB Dresden, Nov. 2014 bis Okt. 2015
Uwe Fraunholz und Hagen Schönrich unter Mitarbeit von Betty Baumann, Matthias Dörr, Sascha König-Apel und Danilo Röntsch
Die Erschütterung der für die technokratische Hochmoderne sinnstiftenden technischen Fortschrittsgewissheit durch den Zweiten Weltkrieg währte nur kurze Zeit – rasch gewann die Überzeugung erneut an Boden, gesellschaftliche Probleme mit technischen Mitteln lösen zu können. Hochfliegende Raumfahrt-, Atom- und Automatisierungsvisionen revitalisierten seit den 1950er Jahren die Popularisierung von Zukunftstechnik. Selbst die Psychiatrische Landesanstalt Hubertusburg blieb von diesen Zeitströmungen nicht unberührt: Karl Hans Janke (1909–1988) entwarf in den fast vier Jahrzehnten, die er in Wermsdorf verbrachte, tausende Fahr- und Flugzeuge, Raumschiffe und Triebwerke, Energiekonzepte und elektrische Geräte. Der begabte Zeichner und Konstrukteur bastelte zahlreiche Modelle und arbeitete an einer alternativen Entwicklungsgeschichte des Menschen, die er in seine Kosmologie einbettete. Dazu hielt er Vorträge und korrespondierte mit Betrieben und staatlichen Stellen.
Neben seinen fantastischen Zeichnungen hinterließ Karl Hans Janke ein bewegendes Vermächtnis: Scheinbar selbstlos stellt sich der Ein- wie Ausgeschlossene in den Dienst der Gesellschaft, die ihn separiert hatte. Ist das bloßer Klugheitsaltruismus? Gierte hier ein Kranker nach der Anerkennung, die ihm zeitlebens verwehrt blieb? Wie dem auch sei: Karl Hans Janke verkörpert auf paradigmatische Weise die Altruismusbehauptung der Ingenieure, die Verheißungen einer technisierten Zukunft mit Glaubwürdigkeit ausstattete und in wechselseitiger Verschränkung mit denselben die Hochmoderne als Epoche prägte.
Nach seinem Tod gerieten Jankes zeichnerische Visionen zunächst in Vergessenheit. Mitte der 1990er Jahre wurde aufgrund des umfangreichen überlieferten Briefwechsels zunächst das sächsische Performance-Duo „norton.commander.productions“ auf Janke aufmerksam, ehe dann im Jahr 2000 der neue Chefarzt der Hubertusburger Psychiatrie Dr. Peter Grampp das zeichnerische Werk bei einem Dachbodenfund wiederentdeckte. Tausende Zeichnungen waren dort, platzsparend auf Postkartengröße gefaltet, in Koffern und Obststiegen eingelagert. Grampp erkannte deren künstlerischen Wert und sorgte dafür, dass das Schaffen Karl Hans Jankes seit 2001 in verschiedenen Ausstellungen auch international präsentiert wurde. Heute ist der Förderverein der psychiatrischen Abteilung der Kliniken Hubertusburg mit Aufarbeitung und Verwaltung des Nachlasses betraut. Der Verein zeigt eine sehenswerte Dauerausstellung auf dem Anstaltsgelände in Wermsdorf. Ein Großteil der Zeichnungen Jankes ist auch online verfügbar. In ihrem Janke-Archiv verwahrt die Deutsche Fotothek etwa 3500 Digitalisate der Janke-Zeichnungen und produziert daraus auf Anfrage hochwertige Drucke.
- Begleitbroschüre über Qucosa verfügbar
- Link zur Dauerausstellung in Wermsdorf
- Wermsdorfer Atom-Fahrrad lässt Studenten der TU Dresden strahlen, in: Oschatzer Allgemeine Zeitung v. 02.12.2014
- Das Vermächtnis eines Genies, in: Sächsische Zeitung v. 21.09.2015
[Mit]Gemacht? Technik- und Naturwissenschaftler der TH Dresden im Nationalsozialismus
Studentische Ausstellung in der SLUB Dresden, Okt. 2012 bis Nov. 2013
Uwe Fraunholz und Swen Steinberg unter Mitarbeit von Stefan Beckert, Florian Eichkorn, Ulrike Marlow, Stefan Weise und Daniel Wendorf
Für die Realisierung der umfangreichen Ziele nationalsozialistischer Herrschaft wurde von Beginn an das Engagement fähiger Wissenschaftler und Techniker benötigt. Die Machtübertragung an die Nationalsozialisten führte daher auch an der Technischen Hochschule Dresden zu tief greifenden Einschnitten. Zunächst wurden jene, die aus rassistischen Gründen nicht zur erstrebten „Volksgemeinschaft“ gehören durften oder politisch missliebig waren, vertrieben. Die Wissenschaftsgewaltigen konnten sich dabei auf den Beifall vieler Studierender stützen, die schon früh eine beängstigende Affinität zum Nationalsozialismus offenbarten. Die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler verblieb allerdings auf ihren Positionen. Diesen boten sich gewisse Handlungsspielräume, um auf Zwangslagen und Mobilisierungsstrategien der NS-Technik- und Wissenschaftspolitik zu reagieren. Während eine Minderheit relativ resistent blieb, stellte sich die Mehrheit der Ingenieure und Wissenschaftler willfährig in den Dienst an „Volksgemeinschaft“ und Kriegsführung, sie sorgten damit für scheinbare Legitimität und Stabilität der Diktatur. Akte des Widerstands lassen sich dagegen kaum finden: Zu viele waren bereit, ihren Gemeinsinn fortan auf eine exklusive „Volksgemeinschaft“ zu beziehen, zu wenige fühlten sich dem traditionellen Ethos der Wissenschaften, die zumindest vorgeben, sich altruistisch in den Dienst der Menschheit zu stellen, verbunden.
Der Blick auf die wehrwirtschaftliche Funktionalisierung der TH Dresden im NS-Staat verdeutlicht, dass sich das in der älteren Forschung zu findende Diktum vom Missbrauch der Wissenschaften im Nationalsozialismus kaum halten lässt. Wissenschaft und Politik stellten vielmehr „Ressourcen füreinander“ (Mitchell Ash) dar. Einige Techniker und Wissenschaftler der TH Dresden nutzten die neuen Karrierechancen im Rahmen ihrer Selbstmobilisierung und verantworteten teilweise bahnbrechende Innovationen. Andere forschten abseits vom Weltmarkt unter wachsender Abschottung von internationaler Kooperation und entwickelten aus ungeeigneten Ressourcen mit immensem Aufwand Zweitklassiges. Dies führte in Verbindung mit der Vertreibung oder physischen Vernichtung eines Teils der wissenschaftlichtechnischen Funktionselite dazu, dass Deutschland auf Schlüsselgebieten des Modernisierungswettlaufs nach dem Zweiten Weltkrieg den Anschluss zu verlieren drohte. Daher kann es kaum verwundern, dass Verstrickungen in die nationalsozialistische Kriegswirtschaft in beiden deutschen Staaten kaum ein Karrierehindernis bedeuteten. Fähige Techniker und Ingenieure wurden für den Wiederaufbau schlicht gebraucht. In der NS-Zeit für den Kriegserfolg engagiert arbeitende Wissenschaftler gelangten daher in West wie Ost erneut auf Ordinariate, an der TH Dresden rekrutierte sich aus dieser Gruppe der ein oder andere Nachkriegsrektor.
Im Folgenden werden Verhaltensweisen in den Blick genommen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab dem Frühjahr 1933 an der TH Dresden zeigten oder zeigen mussten: Technik- und Naturwissenschaftler verweigerten sich dem neuen System oder wurden von ihm ausgeschlossen. Andere waren bereits vor 1933 Anhänger der Nationalsozialisten oder passten sich an – der überwiegende Teil konnte so seine Karriere erfolgreich weiter vorantreiben. Gezielt werden exemplarische Biografien herausgegriffen und vorgestellt, um das Spektrum möglichen Verhaltens abzustecken. Auf diese Weise wird einerseits Einblick gegeben in Lebensläufe, die bisher nicht oder nur unvollständig erzählt wurden. Andererseits wird damit die Vielfalt der Verflechtungen herausgearbeitet, die zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland bestanden – auch an der TH Dresden.
- Begleitbroschüre über Qucosa verfügbar
- Protegiert von verlässlichen Mitläufern, in: Dresdner Universitätsjournal 20 (2012)
- Ein Blick in die Vergangenheit, in: ad-rem v. 09.01.2013
- Immer noch aktuell, in: Sächsische Zeitung v. 10.11.2014
Ein Funken Wahrheit: Energievisionen in der technokratischen Hochmoderne
Studentische Ausstellung in der SLUB Dresden, Juni 2011 bis Okt. 2012
Uwe Fraunholz und Sebastian Beese unter Mitarbeit von Christoph Geiser, Michael Kuhl, Ralf Pulla, Teresa Schergaut, Anna Lotta Seifert und Oliver Zauritz
Zukunftsvorstellungen, die im Kern auf Technik Bezug nehmen, sind ein wichtiges Medium gesellschaftlicher Technikdiskurse. Technische Visionen und Utopien knüpfen an zeitgenössische Leitbilder an, denn sie tragen spezifische Heilserwartungen, Verheißungen und Vorstellungswelten der jeweiligen Gegenwart in sich. Aus kollektiven Zukunftsvorstellungen mag man wenig über spätere Wirklichkeiten erfahren, dafür kann man viel über vergangene Gesellschaften lernen.
Zu den prägenden Phänomenen der „technokratischen Hochmoderne“, die sich in etwa auf die Jahre zwischen 1880 und 1970 eingrenzen lässt, zählt ein szientistisch befeuertes Fortschrittsversprechen von Technik. Mit Technik aufgeladene Zukunftsvorstellungen und Wissenschaftsgläubigkeit gingen in diesem Zeitraum eine enge Liaison ein. So verweisen beispielsweise Popularität und Semantik des im ausgehenden 19. Jahrhundert aufkommenden Genres der Science Fiction auf die Bedeutung des zeittypischen Szientismus für die Konstruktion wirkungsmächtiger Utopien. Technische Visionen popularisierten die Idee einer besseren Welt, die durch neue Technik gestaltet wird. Sie bewirkten, dass die technisierte Zukunft als Ressource zur Erfahrung von Transzendenz erschlossen wurde. Verknüpft damit war eine Altruismusbehauptung der Ingenieure, die in wechselseitiger Verschränkung mit den Verheißungen einer technisierten Zukunft die Epoche prägte. Die Hochmoderne war wesentlich durch technische Visionen und Utopien, durch Hoffnungsüberschüsse, die aus dem technischen Wandel der jeweiligen Gegenwart geschöpft wurden, sowie durch die Idee einer durch neue Technik heraufzuführenden besseren Welt geprägt.
Zugleich ist die Geschichte der westlichen Industrienationen und Konsumgesellschaften untrennbar mit der Geschichte ihres Energieverbrauchs verbunden. Lange Abschnitte des 20. Jahrhunderts waren vom Glauben an Modernisierung und technischen Fortschritt geprägt. Das wiederum erforderte eine stetige Mobilisierung von Energien. Die Erschließung natürlicher Ressourcen erschien nicht nur als Motor der Zukunft, sondern wurde zum Symbol des Fortschritts selbst. Daran geknüpft waren vielfältige Visionen: Wissenschaftler und Literaten träumten von unerschöpflichen Energiequellen, Ingenieure planten utopisch anmutende Großprojekte. Auch die Verheißungen der Elektrifizierung oder die Möglichkeiten der Kleinmotorisierung evozierten Hoffnungsüberschüsse, die kaum realisiert werden konnten.
Die studentische Ausstellung Ein Funken Wahrheit – Energievisionen in der technokratischen Hochmoderne wirft Schlaglichter auf den hochmodernen Energiehunger und auf visionäre Vorschläge, wie er zu stillen sei. Ausgehend von der Ausbreitung des elektrischen Stroms und der sich nicht erst seit den 1970er Jahren durchsetzenden Einsicht in die Notwendigkeit des Energiesparens, werden Mega-Planungen zur Sicherstellung einer dauerhaften energetischen Basis inspiziert. Grenzenlose Hoffnungen verbanden sich einst mit der Atom- und verbinden sich bis heute mit der Fusionsenergie. Die Suche nach dem Perpetuum Mobile, der Traum von einer Energiegewinnung aus dem Nichts, ist dagegen älter als die Hochmoderne. Er wird weiter geträumt von den Propagandisten der Freien Energie. Diese Szene beschäftigt sich auch mit Fragen der Energetisierung des menschlichen Körpers, die einen zweiten Schwerpunkt der Ausstellung bilden: Spannungen werden an Körper angelegt, elektrische Geräte lösen Verspannungen. Strahlungsenergie soll menschliche Energie freisetzen, Energiebedarf muss durch die Zufuhr von Kalorien sichergestellt werden. Der geneigte Besucher mag trotz dieses überschäumenden utopischen Elans in den präsentierten Zukunftsentwürfen einen Funken Wahrheit entdecken.