24.10.2023
#71 Nageldesign als politische Bildung
Gesprächssituationen ergeben sich im Alltag fast an jeder Ecke. Vor allem mit unbekannten Personen kommen wir jedoch meist nicht besonders lang oder tiefgründig ins Gespräch. Doch manchmal gibt es Situationen im Alltag schon, in denen sich Menschen intensiver unterhalten könnten.
Zum Beispiel im Nagelstudio. Dort lassen sich Menschen ihre Nägel pflegen, formen und verschönern. Häufig kommen der:die sich nah gegenübersitzende Nageldesigner:in und Kund:in ohnehin ins Gespräch und verbringen einige Zeit gemeinsam am Studiotisch. Alles ist möglich: zweifarbige Nägel mit bunten Mustern, ausgefallenen Formen und Bilder im Miniaturformat. Es gibt Künstler:innen, die das Nageldesign so gut beherrschen, dass sie sogar detaillierteste Bildelemente oder gar Sticker-Portraits auf die Fingernägel bringen können. Die Nagelmotive selbst können durchaus politische Gesprächsanlässe bieten.
Was wäre, wenn Nageldesigner:in und Kund:in innerhalb der gemeinsamen Zeit, in der sie sich gegenübersitzen über die Motive ins Gespräch kommen, die auf die Nägel gebracht werden sollen? Diese könnten z.B. eigene politische Vorbilder sein. Wenn das Konterfei von Simone de Beauvoir auf einem Nagel entsteht, ist das doch der perfekte Anlass, um über Beauvoirs Beobachtungen, Positionen und feministische Grundgedanken ins Gespräch zu kommen. Thematisch ließen sich solche Gespräche natürlich ganz unterschiedlich rahmen.
Denkt man diese Idee weiter, ergibt sich sogar eine tolle Veranstaltungsidee, bei der auch nicht-professionelle "Nageldesigner:innen" willkommen sind: zwei Menschen sitzen sich an je einem Tisch gegenüber. Sie gestalten sich gegenseitig die Nägel und kommen zu politischen Gesprächsanstößen in den Austausch (z.B. über Impulskarten oder politische Nagelsticker). Denkbar wäre in dem Zuge auch, eine Drehschreibe zu installieren, auf der sich Farben/Designs und Themen erdreht werden, die es anschließend zu gestalten und zu besprechen gilt.