Unsere Arbeit
Seit 2018 begleiten wir Dialogveranstaltungen verschiedener Anbieter in ganz Sachsen. Es ging hierbei darum, eine Vielfalt an Formaten kennenzulernen und parallel ein Konzeptpapier über vierzig verschiedene Variationen von Bürgerdialogen im Kontext von Krisen zu erarbeiten. Die dort beschriebenen Varianten umfassen z.B. 21st Century Town Meeting, Appreciative Inquiry Summit, Agenda-Konferenz, klassische Bürgerversammlung, Community Organizing, Fishbowl, Holocracy, Konsensus-Konferenz, Mediation, Planning for Real, Pro Action Café, Runder Tisch, World Café oder Zukunftskonferenz. Anschließend wurde eine Typologie erstellt, welche Formate in welchen Phasen einer Krise einsetzbar sind. Diese findet sich im Artikel "Versammlungen in Krisenzeiten" von Dr. Willi Hetze in unserem Sammelband "Gesellschaftlichen Zusammenhalt gestalten".
Es zeigt sich, um Beteiligung zu erreichen, bedarf es zweierlei: der Gelegenheitsstruktur und des Willens zur Beteiligung. Die Gelegenheitsstruktur hängt zu großen Teilen mit dem Format zusammen, in dessen Rahmen sich die Willensbildung vollzieht. Um einen Zugang zur Komplexität partizipativer Formate zu erhalten, ist es hilfreich, sie als Aushandlungsbühnen von gesellschaftlicher Wirklichkeit zu betrachten. Sie haben zentrale Funktionen wie Informationsdistribution, Sachverhaltsorientierung, Bewertung und Entscheidungsfindung. Im Prozess der politischen Willensbildung wirken verschiedene Beteiligungsformate mit- und nebeneinander, sodass die genannten Funktionen keine zwingende Reihenfolge darstellen, sondern individuelle und kollektive Lernschleifen bilden können. Deshalb ist entscheidend für den Ablauf und das Gelingen eines solchen Formats, an welcher Stelle und in welchem Kontext es im Aushandlungsprozess steht, ob es singulär gesetzt ist oder den Diskurs wiederkehrend begleiten soll.
Publikationen
Unser Sammelband ist im Springer Verlag erhältlich. Link
Weitere Veröffentlichungen:
- Bochmann, Cathleen. 2022. Bürgerdialoge in Zeiten der Krise - Ethnomethodologische Fallstudien aus Sachsen. Link zum E-Book
- Treiber, Janek. 2022. Unbeugsamer Protest? Umgang mit Corona-Leugner*innen und Maßnahmen-
gegner*innen aus Sicht der Bürgerbeteiligung in Sachsen, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen. (35/1), 237-249. - Gäbel, David und Ulrike Schumacher. Wir kriegen's hin! Praxisheft für kommunale Bürgerdialoge. Sächsische Landeszentrale für politische Bildung. (Im Erscheinen)
- Bochmann, Cathleen. 2021. Miteinander Reden - Über die Nutzung und den Erfolg von Bürgerdialogen. In Vogel, Lars, Lorenz, Astrid und Pates, Rebecca (Hrsg.) Ostdeutschland 4.0 - Über die Nützlichkeit einer Kategorie. Berlin: Springer VS. (Im Erscheinen)
- Treiber, Janek und Anne Herpertz. 2020. Über die Schwierigkeiten der Thesenformulierung im Online-Dialog. Diskussionspapier. TU Dresden: Projekt KDZ. (Bericht)
- Bochmann, Cathleen und Willi Hetze. 2020. Rational Dialogue in Times of Crisis. Journal of Deliberative Democracy (im Review)
- Gäbel, David.2019. Beteiligungsformate aus Sicht kommunaler Verantwortlicher in Sachsen. Netzwerk Bürgerbeteiligung / Stiftung Mitarbeit, 04/2019 vom 16.12.2019.
Studien
Fünf empirische Studien hat das Projektteam von 2018 bis 2020 durchgeführt. Sie ermöglichten uns, konkrete Einschätzungen zur Beteiligungskultur in Sachsen zu erhalten sowie die theoretisch-konzeptionellen Überlegungen mit den reellen Anwendungsbedingungen der Dialogformate rückzukoppeln.
Die erste empirische Erhebung galt den Erfolgsfaktoren von Bürgerdialogen. Es fanden qualitative strukturierte Interviews mit neun Moderator/innen kommunaler Asyldialoge im Juli/August 2018 statt, welche in Form einer MAXQDA gestützten Grounded Theory ausgewertet wurden. Die Ergebnisse finden Sie im Artikel von Dr. Ulrike Schumacher "Erfolgsfaktoren für kommunale Dialogformate" in unserem Sammelband "Gesellschaftlichen Zusammenhalt gestalten".
Die Sächsische Bürgerdialog-Studie erfasste die Erfahrungen und den Bedarf sächsischer Kommunen zur moderativen Krisenbewältigung in Form einer quantitativen schriftlichen Befragung sächsischer Bürgermeister/innen und Landräte im Dezember 2018. Die Resultate werden in David Gäbel (2019) "Bedarfe an neuen Beteiligungsformaten" ebenfalls im genannten Sammelband veröffentlicht. Hier finden Sie zusätzlich den Fragebogen sowie den SPSS-Datensatz.
Die dritte Studie galt den Teilnehmer/innen der Bürgerwerkstätten "Miteinander reden" der Sächsischen Staatskanzlei. Diese Teilnehmerbefragung untersuchte von Januar bis Juli 2019 über die Online-Plattform Limesurvey, wie eine Kommunikation auf Augenhöhe gelingen kann und wie sich zivilgesellschaftliches Engagement für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft verbessern lässt. Hier finden Sie den Fragebogen und eine kurze Zusammenfassung der Befunde.
Die vierte Studie begleitete eine Serie von 23 Online-Webtalks im Sommer 2020. Unter dem Thema "Aus der Krise lernen - Offene Gesellschaft in der (Post-) Corona-Phase diskutierten Bürgerinnen und Bürger mit Experten zu verschiedenen Themenfeldern. Wie schon bei den Bürgerwerkstätten untersuchten wir die Zufriedenheit der Teilnehmenden in einer umfassenden Befragung. Hier sind die Ergebnisse.
Die fünfte Studie widmete sich der Messung der Selbstwirksamkeit von Teilnehmenden unserer jährlich stattfindenden Moderationsschulung. Damit sollte herausgefunden werden, ob mithilfe einer mehrmonatigen Schulung das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten der Teilnehmenden gesteigert werden kann. Dazu wurde ein für Selbstwirksamkeitsmessungen üblicher Fragebogen entwickelt. Nach dem Pretest wurden mithilfe einer Faktorenanalyse nicht-relevante Items entfernt. Die übrigen 20 Items wurden in fünf Kategorien sortiert (Bildung und Interaktion, Regeln und deren Einhaltung, Umgang mit Schwierigkeiten, Dinge lernen und erklären, Fehlermanagement) und in den Fragebogen aufgenommen, der den Teilnehmenden vor und nach der Schulung jeweils zur Beantwortung vorgelegt wurde. Die Ergebnisse zeigen Verbesserungen bei allen Items, wobei diese sehr unterschiedlich stark ausfallen. Es fällt jedoch auf, dass insbesondere in den Kategorien Regelsetzung und -einhaltung sowie Umgang mit Schwierigkeiten Fortschritte erzielt wurden. Ein grober Ergebnisüberblick lässt sich hier abrufen.