Sommerkurs Dubrovnik 2008
Sommerkurs der Politischen Theorie im Athen Kroatiens
Stadtrepublik, Welterbe, Kriegsschauplatz – Dubrovnik in Kroatien ist ein überaus anregender Ausgangspunkt für politikwissenschaftliche Studien. Im September 2008 fand am dortigen Inter University Center (IUC) der jährliche Sommerkurs Politische Theorie, ein internationaler und interdisziplinärer Austausch zwischen Professoren und Studierenden aus Deutschland und Kroatien, statt. Der Kurs, der seit 1995 vom Inhaber des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte an der TU Dresden, Prof. Dr. Hans Vorländer, geleitet wird, befindet sich in renommierter akademischer Tradition: Das IUC, welchem heute mehr als 200 Universitäten und Akademien aus aller Welt angehören, wurde auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges 1971 unter anderem durch den Frankfurter Philosophen und Theoretiker Jürgen Habermas gegründet, um vor den Toren der über Jahrhunderte unabhängigen Stadtrepublik den intellektuellen Austausch der Wissenschaftler auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs zu ermöglichen.
Diese Tradition fortführend wurde über eines der wohl gewichtigsten politischen Probleme in Europa diskutiert: das vorläufige Scheitern des Vertrages von Lissabon. In Frage zu stellen ist, ob es für diesen Prozess eine hinreichende gemeinsame Ordnungsvorstellung für ein politisches System in Europa gibt. So stand der Sommerkurs 2008 unter dem Titel Verfassungskulturen in Europa. Eine Woche lang diskutierten fünf Dozenten und neun Studierende über die Ursachen des konstitutionellen Dilemmas des neuen Europas und dessen Lösungswege.
Zu Beginn der Vortragsreihe erläuterte Prof. Vorländer die Konzepte der bisherigen nationalstaatlichen Konstitutionalisierung – von der historisch-evolutionären Verfassungsentstehung im heutigen Großbritannien über den rational-voluntaristischen Akt etwa in Frankreich bis hin zum rational-juridischen Verfahren, welches sich etwa im Nachkriegsdeutschland beobachten ließ. Dabei erläuterte er, dass die Bedeutung der Verfassungskultur als Deutungsmuster der politischen Ordnung auch in der Disziplin des Staatsrechts zunehmend Berücksichtigung findet. Am zweiten Veranstaltungstag führte Prof. Dr. Dr. Günter Frankenberg (Frankfurt/Main) die Paradoxien in der Rechtfertigung der Verfassungsgebung aus. Anschließend stellte Claudia Creutzburg (TU Dresden) den Stand ihres Dissertationsvorhabens zum verfassungsgerichtlichen Diskurs in Europa vor. Am Mittwoch referierte Prof. Dr. Tomislav Jantol (Zagreb) über die unterschiedlichen Formen politischer Kultur in Europa. Daran anknüpfend fokussierte Prof. Dr. Philip Manow in seinem Vortrag auf die unterschiedlichen Ausprägungen von Wohlfahrtsstaatlichkeit als einen wesentlichen Aspekt politischer Kultur. Am Donnerstag stellte Prof. Dr. Ulrich Fastenrath (TU Dresden) den Vertrag von Lissabon vor und umriss den akademischen Diskurs zu einer möglichen Weltverfassung. Am letzten Tag dieser stoffreichen Woche debattierten die Seminarteilnehmer über den Weg, den eine europäische Konstitutionalisierung nehmen könnte und wägten das Für und Wider einer evolutorischen Entwicklung einer Europäischen Verfassung im Gegensatz zu einem voluntaristischen Akt der Verfassungsgebung ab.
Das abendliche Beisammensein in der historischen Altstadt Dubrovniks ließ den Kursteilnehmern die Gelegenheit, die im Verlauf der Woche angerissenen Themen in einer Diskussion weiter zu vertiefen. Die Relevanz eines gemeinsamen Grundkonsenses hinsichtlich einer politischen Ordnung wurde einigen Studenten darüber hinaus auf beeindruckende Weise deutlich, als sie den freien Sonnabend für einen Ausflug in das durch den Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 zerstörte und noch immer geteilte Mostar nutzten. So fuhren die Teilnehmer nach einer erlebnisreichen Woche voller Eindrücke und Anregungen für die weitere Tätigkeit in Studium, Forschung und Lehre nach Hause. Herzlich bedanken möchten wir uns beim Dekanat der Philosophischen Fakultät, welches den Studierenden die Teilnahme durch großzügige Exkursionsmittel ermöglichte. Das Programm für den Sommerkurs 2009 ist bereits in Arbeit.
Claudia Parton, Marlen Gnerlich und Alexis Demos