Sommerkurs Dubrovnik 2009
Der Sommerkurs Politische Theorie am Inter-‐University Center (IUC) in Dubrovnik wurde mit dem Ziel gegründet, aktuelle Herausforderungen und Probleme demokratischer Gesellschaften in einem kritischen Dialog mit philosophisch‐theoretischen Betrachtungen zu stellen, um so einen Raum für neue Fragen, neue Antworten entstehen zu lassen.
An diesem Selbstverständnis anknüpfend, wagte der diesjährige Kurs „Demokratie, Krise und Kairos“ einen kritischen Blick auf etwas, dessen Rechtfertigung und Anziehungskraft lange Zeit nur aus der Abgrenzung zu dem hässlichen Gegenüber, dem befürchteten und ungewollten Anderen bestand. Einmal erlangt und in all ihrer Unsicherheit und naturgemäßen Unbestimmtheit erlebt, erwies sich die Demokratie jedoch als unfähig, die mit ihr verbundenen Hoffnungen auf ein gerechteres und besseres Leben einzulösen. Im Gegenteil, mit ihrer zunehmenden Expansion auf nationaler und internationaler Ebene traten ihre inneren Widersprüche offen zu Tage, verdeutlichte sich ihre Ohnmacht gegenüber dringenden ökonomischen, sicherheitspolitischen und sozialen Problemen. Ausgehend von diesen Überlegungen, stellten die Kursteilnehmer in ihren Vorträgen und Wortmeldungen die grundlegende Frage nach dem Wesen der Demokratie, den Möglichkeiten und Grenzen demokratischer Organisationsformen und den notwendigen konzeptionellen und strukturellen Anpassungen. Dementsprechend identifizierte Prof. Hans Vorländer (Dresden) in seinem einleitenden Vortrag zunächst die verschiedenen Krisendiskurse um die Demokratie, wie zum Beispiel die These der Überforderung der Demokratie, der Unregierbarkeit, der Legitimationskrise, das sogenannte Globalisierungsdilemma sowie die aktuellen Diskussionen um das Konzept der „Postdemokratie“ oder des „schleichenden Autoritarismus“.
Jedoch galt das Interesse nicht nur dem Krisenhaften der Demokratie. Die Aufmerksamkeit richtete sich auch auf die, sich aus dem offenen Zusammenspiel demokratischer Kräfte ergebenden Chance, dem günstigen Moment, dem aus dem freien und spontanen Mit-‐ und Gegeneinander resultierenden window of opportunity, in dem Handlungsoptionen entstehen und scheinbar gefestigte Strukturen verschieb-‐ und veränderbar werden. Mit diesem dynamischen Bewegungselement einer ansonsten institutionell und prozedural gefestigten Demokratie und den damit verbundenen Herausforderungen an Prozesse demokratischer Entscheidungsfindung beschäftigte sich Prof. Henning Ottmann (München) in seinem Beitrag über „Dezisionistische Politikstile“, indem er deren Entwicklung ideengeschichtlich nachzeichnete und in einem kritischen Dialog mit dem theoretischen Gegenpart der Diskurstheorie beleuchtete.
Auch in den restlichen Vorträgen wurden weitere wichtige strukturelle und aktuelle Probleme der Demokratie thematisiert und in der anschließenden Gruppendiskussion lebhaft und engagiert diskutiert: während Prof. Davor Rodin (Zagreb) Demokratie historisch-‐evolutionär als Prozess des permanenten Werdens (Demokratisierung) betrachtete und Prof. Georg Kohler (Zürich) ausgehend von dem Demokratiemodell der Schweiz einen alternativen Definitionsversuch von Demokratie vorschlug, setzte sich Prof. Günter Frankenberg (Frankfurt) kritisch mit einer schleichenden Metamorphose der Demokratie auseinander, die sich für ihn in der Verschiebung vom liberalen Rechtstaat hin zu einer exekutiven „Staatstechnik“ manifestiert.
Nur aufgrund der großzügigen Förderung durch das Dekanat der Philosophischen Fakultät und der Gesellschaft für Freunde und Förderer der TU Dresden war es möglich, auch Studierende an diesem intensiven und vielseitigen Seminar teilhaben zu lassen.
Solongo Wandan