Sommerkurs Dubrovnik 2015
Was will das Volk? Protest und Willensbildung in der Demokratie
Vor dem Hintergrund der PEGIDA-Demonstrationen in Dresden rückt die Protestforschung wieder stärker in den Fokus politischer Theorie. Die Frage nach Eigenschaften und Rolle des „guten Bürgers“ in der Demokratie, die am Dresdener Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte schon länger erforscht wird, erhält neue Brisanz.
Diesem Thema widmete sich auch der Sommerkurs Politische Theorie, der einer langen Tradition folgend dieses Jahr erneut in der kroatischen Küstenstadt Dubrovnik stattfand. Unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Vorländer, Leiter des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte der TU Dresden, Prof. Dr. Nenad Zakošek und Prof. Dr. Davor Rodin von der University of Zagreb ermöglichte der Kurs den Teilnehmenden, die Materie aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland und Kroatien hielten Vorträge zu verschiedenen Fragestellungen der Protestforschung, die anschließend diskutiert wurden.
Prof. Vorländer führte in seinem Eröffnungsvortrag in das Thema ein und stellte Befunde seiner eigenen Untersuchungen der PEGIDA-Bewegung in Dresden vor. Prof.Zakošek schloss mit einigen Gedanken zur Bedeutung sozialer Bewegungen, der Zivilgesellschaft und repräsentativer Demokratie im globalen Kapitalismus an und bereicherte die Diskussion durch eine Schilderung der Situation in Kroatien.
Dr. Višeslav Raos (ebenfalls von der University of Zagreb) ging in einem Gastbeitrag vor allem auf die Bedeutung des EU-Beitritts des Landes für die kroatische Protestkultur ein. So lässt sich vermuten, die EU sei Quelle und Referenzpunkt für Protestgruppen, da wesentliche gesellschaftliche Konflikte während der Beitrittsverhandlungen eingefroren wurden.
Zuvor stellte allerdings Dr. Julia Schulze Wessel (Dresden) grundsätzliche Fragen zum Bürgerbegriff. Unter der Fragestellung „Wer gehört zum Volk der Bürger?“ beschrieb sie Flüchtlingsproteste in Europa, sowie die Transformation des Staatsbürgerbegriffes und der Grenze und eröffnete eine spannende Diskussion.
Prof. Dr. Enno Rudolph (Heidelberg / Luzern) spannte in seinem Vortrag einen reichhaltigen ideengeschichtlichen Bogen von Kant zu Hegel, und erläuterte dabei die Entwicklung von politischem Widerstand zu gesellschaftlichen Stillstand. Prof. Rodin rundete die Vortragsreihe mit einem Beitrag zum „Medium Kapital“ ab.
Es folgten studentische Vorträge aus Dresden, die zunächst erneut die PEGIDA-Bewegung in den Blick nahmen. So unterzog Rosa-Marie Keller die Bewegung einer sozialpsychologischen Betrachtung, um die Bedeutung der Wende 1989 für den Protest in Dresden zu untersuchen.
Matthias Schüssler befasste sich mit der Sprache von PEGIDA. Julia Ritter und Laura Rondholz stellten anschließend transnationale Protestformen in Europa vor. Katharina Klappheck betonte die Wichtigkeit von Intersektionalität in der Protestforschung, Vincent Ancot unterzog den Begriff des „Wutbürgers“ einer kritischen Prüfung. Wassily Nemitz schloss das Seminar mit Ausführungen zu Problematik und Perspektiven sozialer Netzwerke für die Protestforschung ab.
Dank der Reichhaltigkeit der Vorträge und der vielfältigen thematischen Schwerpunkte, ermöglichte das Sommerseminar den Teilnehmenden nicht nur einen enormen Wissenszuwachs, sondern auch eine intensive Reflexion der Inhalte. Dafür möchten wir uns bei Prof. Vorländer und Christian Wöhst bedanken, die die Organisation vom Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte aus übernommen haben. Unser Dank gilt weiterhin der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität sowie der Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dres den, die diese Erfahrung durch ihre großzügige finanzielle Unterstützung möglich gemacht haben.