Nov 30, 2022
Spitzenforschung: TU Dresden ist im Wettbewerb um Fördermillionen der DFG mit drei Folge-Anträgen aus Physik, Medizin und Informatik erfolgreich
Der Bewilligungsausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) stimmte für die Verlängerung von 13 Sonderforschungsbereichen um je eine weitere Förderperiode – drei davon in Dresden bzw. mit Beteiligung der TUD. Denn zwei der Verbünde sind sogenannte SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Hochschulen verteilen.
Sonderforschungsbereiche ermöglichen die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben im Verbund und sollen damit der Schwerpunkt- und Strukturbildung an den antragstellenden Hochschulen dienen; sie werden maximal zwölf Jahre gefördert. Ab Januar 2023 finanziert die DFG somit insgesamt 279 Verbünde.
3. Förderrunde für Korrelierten Magnetismus an der TU Dresden
Der Dresdner Sonderforschungsbereich 1143 – „Korrelierter Magnetismus: Von Frustration zu Topologie“ beschäftigt sich seit fast acht Jahren erfolgreich mit Grundlagenforschung der Festkörperphysik. In dieser Zeit sind viele wegweisende Beiträge in dem hochaktuellen Forschungsfeld entstanden, die Dresden als einen Top-Standort für topologische Festkörperphysik etabliert haben. Wie die DFG jetzt bestätigte, erhält der SFB ab dem kommenden Jahr eine dritte Förderperiode. Sprecher Prof. Matthias Vojta zeigte sich über diese Entscheidung alles andere als frustriert, sondern freut sich auf die wissenschaftliche „Ernte“ der nächsten vier Jahre.
Am Anfang jeder Innovation steht die Grundlagenforschung, bei der es um die Entdeckung und das Verständnis von natürlichen Phänomenen und Prinzipien geht. Basierend auf diesen Erkenntnissen können im Anschluss neue Anwendungen, moderne Technologien, Materialien oder Künstliche Intelligenz geschaffen werden. Die topologische Festkörperphysik ist noch ein vergleichsweise junges Feld der Grundlagenforschung und steckt deshalb voller Überraschungen und unerwarteter Entdeckungen. Zum einen geht es auch hier um das Entdecken von Phänomenen, wie Magnetismus oder Supraleitung, welche die Grundlage moderner Technologien bilden, zum anderen um das Erkennen fundamentaler Prinzipien, wie Phasenübergänge oder Elementaranregungen, nach denen die uns umgebende Welt organisiert ist. Die Topologie stellt dabei eine junge und wichtige Erweiterung dieser Organisationsprinzipien dar.
Seit 2015 widmet sich der Sonderforschungsbereich 1143 „Korrelierter Magnetismus: Von Frustration zu Topologie” einer großen Klasse von Magneten, in denen konkurrierende, das heißt frustrierte Wechselwirkungen die Ausbildung konventioneller magnetischer Ordnung verhindern. Sie führen stattdessen zu einer Vielzahl alternativer und nicht-trivialer Phänomene, die häufig topologischer Natur sind. Ziel des SFB ist es, Materialien zu identifizieren, herzustellen und zu verstehen, in denen solche Phänomene beobachtet werden können.
In 21 Teilprojekten auf den Gebieten der experimentellen Physik, der theoretischen Physik und der anorganischen Chemie mit insgesamt über 130 Forschenden sind am SFB 1143 in den vergangenen Jahren zahlreiche wegweisende Beiträge zu diesem hochaktuellen Forschungsfeld entstanden. aus denen etliche Kooperationen zwischen Dresdner Arbeitsgruppen und Institutionen erwachsen sind.
SFB-Sprecher Matthias Vojta, Professor für Theoretische Festkörperphysik an der TU Dresden und gleichzeitig Sprecher des Exzellenzcluster ct.qmat: „Das äußerst positive Gutachtervotum ist eine enorme Anerkennung für unsere erfolgreiche Arbeit der letzten acht Jahre; außerdem auch dafür, dass unser SFB sehr kohärent und deutschlandweit einzigartig die Forschungslandschaft des Quantenmagnetismus auf internationaler Skala prägt und vorantreibt. Vor uns liegt immer noch ein Gebiet voller Überraschungen und unerwarteter Entdeckungen. Eines der faszinierenden und näher rückenden Ziele ist die Realisierung einer nicht-Abelschen Quantenspinflüssigkeit. Ihre Anregungen haben die Eigenschaft, bei räumlicher Vertauschung nicht nur einen Phasenfaktor zu erhalten, wie z.B. Fermionen, sondern ihre gesamte Natur zu ändern. Solche Teilchen sind die Grundlage für neue Anwendungen in der Quanteninformations-Technologie. In diesem Sinn waren und sind Grundlagenforschung und Funktionalität im Feld des Magnetismus eng benachbart. Unser SFB hat sich zum Ziel gesetzt, diese Tradition fortzusetzen und so werden wir in der dritten Förderperiode weiter spannende Grundlagenforschung betreiben, uns neue Teilgebiete erschließen, die im SFB aufgebaute Infrastruktur und Expertise nutzen, um zu ‚ernten‘, und nicht zuletzt werden wir die Weichen stellen für den nächsten SFB in der Physik.“
Internet: https://tu-dresden.de/mn/physik/sfb1143
Der SFB / Transregio 237 „Nucleic Acid Immunity“ geht in die zweite Runde
Die DFG hat aktuell die weitere Förderung des SFB / TRR237 „Nucleic Acid Immunity“ beschlossen. Mit Beginn der zweiten Förderperiode ab dem 1. Januar 2023 wird Prof. Veit Hornung, LMU München, als Sprecher fungieren. Professorin Min Ae Lee-Kirsch, TU Dresden, und Prof. Gunther Hartmann, Universität Bonn, werden Standortsprecher.
Der SFB / TRR237 hat zum Ziel, die Mechanismen und funktionellen Konsequenzen der Nukleinsäure-Immunität zu erforschen. Alle Lebensformen sind für den Erhalt der eigenen Integrität davon abhängig, fremdes genetisches Material zu erkennen und zu eliminieren. Die ausgeklügelten Mechanismen, die hierfür entwickelt wurden, lassen sich in drei grundsätzliche Kategorien einteilen: a) die Erkennung fremder Nukleinsäure durch sogenannte Mustererkennungs-Rezeptoren, die auf charakteristische molekulare Strukturen spezialisiert sind und die eine Aktivierung von Immunfunktionen bewirken; b) die Gruppe der antiviralen Restriktionsfaktoren, die beim Erscheinen von fremden, ungewöhnlichen Nukleinsäuren diese direkt abbauen oder deren Funktion ausschalten, und c) Enzyme des Nukleinsäure-Stoffwechsels, die Nukleinsäuren mit bestimmten Merkmalen abbauen oder deren Struktur verändern. Diese drei Kategorien sind integrale Bestandteile eines Nukleinsäure-Abwehrsystems, wie genetische Untersuchungen an Patienten mit entzündlichen Erkrankungen gezeigt haben, die durch eine besonders ausgeprägte Typ 1-Interferon-Antwort gekennzeichnet sind, die sognannten Typ 1-Interferonopatien.
Als interdisziplinäres Konsortium mit 26 Teilprojekten vereint der SFB / TRR237 Wissenschaftler:innen und Clinician Scientists aus den Bereichen Immunologie, Zellbiologie, Biochemie, Strukturbiologie, Pädiatrie, Dermatologie, Rheumatologie, Genetik und Bioinformatik. Gemeinsam haben sie sich zum Ziel gesetzt, die spezifischen molekularen Mechanismen der Nukleinsäure-Immunität aufzudecken und so die Wirkprinzipien dieses Systems besser zu verstehen. Es ist zu erwarten, dass mit den neuen Einsichten in die grundlegende Funktionsweise dieses Systems auch die Konsequenzen einer Fehlsteuerung und damit auch Krankheitsprozesse bei chronischen Virusinfektionen, Autoinflammation und Autoimmunität besser definiert werden.
Der Dresdner Standort steht vor allem für die krankheitsorientierte translationale Forschung, an der Gruppen aus der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin (Prof. Min Ae Lee-Kirsch, Prof. Angela Rösen-Wolff, Dr. Christine Wolf) und der Klinik für Dermatologie (Prof. Claudia Günther) beteiligt sind. Ausgehend von monogenetisch definierten Krankheitsbildern, die mit Autoinflammation und/oder Autoimmunität einhergehen, sollen sowohl am Patienten als auch im Tiermodell Krankheitsmechanismen aufgeklärt werden und so langfristig zur Entwicklung neuer kausal angreifender Therapien beitragen. Neu im Verbund ist Prof. Simon Alberti, Center for Molecular and Cellular Bioengineering, ein international führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der zellulären Kondensate, die durch den Prozess der Phasenseparation entstehen. Er wird sich mit der Rolle von Kondensaten für die Nukleinsäure-Erkennung und ihrer nachgeschalteten Signalwege beschäftigen.
Die erste Förderphase wurde aufgrund der Covid-19-Pandemie um ein halbes Jahr verlängert, sodass die zweite Förderphase eine Laufzeit von 3,5 Jahren betragen und mit ca. 4 Millionen Euro pro Jahr gefördert wird.
Prof. Min Ae Lee-Kirsch, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden: „Die Klinische Forschung an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin hat sich in den vergangenen Jahren zu den national und international führenden Gruppen auf dem Gebiet der Typ 1-Interferonopathien entwickelt. Es handelt sich hierbei um seltene, meist monogen bedingte Erkrankungen des Immunsystems, die zu schweren systemischen und/oder organspezifischen Entzündungen führen. Ein zentraler Aspekt unserer Forschungsaktivitäten ist, dass wir neue wissenschaftliche Erkenntnisse zunehmend auch anwenden können. So sind immunmodulatorische Medikamente, die gezielt die Typ 1-Interferon-Achse angreifen, bei einigen Patienten therapeutisch sehr effektiv. Zudem ermöglicht ein besseres Verständnis der seltenen Typ 1-Interferonopathien auch neue Einblicke in die Pathogenese häufiger entzündlicher Krankheiten wie dem systemischen Lupus erythematodes oder der rheumatoiden Arthritis, bei denen die Typ 1-Interferon-Achse ebenfalls eine Rolle spielt.
Prof. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät Carls Gustav Carus der TU Dresden: „Die Expertise der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Medizinischen Fakultät kommt im erfolgreichen Einwerben von Forschungsprojekten mit überregionaler Beteiligung zum Ausdruck. Der SFB / TRR237 Nucleic Acid Immunity ist dafür ein bemerkenswertes Beispiel. Denn es handelt sich dabei um eine Kooperation von drei international renommierten Universitäten.“
Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus: „Die Verlängerung dieses Sonderforschungsbereichs unterstreicht, wie wichtig es ist, an der Schnittstelle zwischen Forschung und Patientenversorgung zu agieren. Seltene Erkrankungen manifestieren sich oft bereits im frühen Kindesalter und bedürfen dann einer innovativen Therapie. Mit der Fortführung der Förderung können wir hier Zukunftsarbeit leisten und den direkten Weg in die Anwendung bahnen.“
Internet: https://www.trr237.uni-bonn.de/en
Grundlagenforschung für eine verständliche Cyber-Physische Welt
Der Sonderforschungsbereich/Transregio 248 „Grundlagen Verständlicher Software-Systeme“ geht in die zweite Förderphase
Die TU Dresden und die Universität des Saarlandes forschen seit vier Jahren gemeinsam mit den Max-Planck-Instituten für Informatik (MPI-INF) und Softwaresysteme (MPI-SWS) im Sonderforschungsbereich/Transregio (SFB/TR) 248, dem Center for Perspicuous Computing (CPEC), an den wissenschaftlichen Grundlagen für computergestützte Systeme der Zukunft, die ihre Funktionalität und ihr Verhalten selbst erklären. Der Bewilligungsausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG verlängerte den SFB/TR „Grundlagen Verständlicher Software-Systeme“ jetzt um eine zweite vierjährige Förderperiode.
Ob in autonomen Fahrzeugen oder im digital gesteuerten Smart Home – Computerprogramme und Künstliche Intelligenz (KI) sind zunehmend an Handlungen und Entscheidungen beteiligt, die Menschen direkt betreffen. Sie unterstützen unseren Alltag, sollen Gefahrenquellen reduzieren und bei Problemlösungen helfen. Wenn KI-gestützte Systeme aber eine Entscheidung treffen, die z.B. zu einem Autounfall oder gar Absturz eines Flugzeuges führt, dann liegt das oft daran, dass sie ihr Verhalten nicht erklären und der Mensch nicht mehr eingreifen kann. Genau hier setzt das Center for Perspicuous Computing mit seiner Forschung an und will Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Kontrolle direkt in künftige Systemsoftware einbauen.
Seit mehreren Jahren schafft es die wissenschaftlichen Grundlagen für Systeme der Zukunft, die ihre Funktionsweise erklären (Perspicuous Systems). CPEC erforscht die formalen Entwurfs- und Analysemethoden, die notwendige informatische Strukturen und insbesondere mathematische Erklärungen erzeugen. Neuartige Ansätze der Mensch-Computer-Interaktion, Visualisierung und Sprachgenerierung sollen helfen, die eher abstrakten Erklärungen auch in für Menschen verständliche Erläuterungen umzuwandeln. So könnte beispielsweise ein autonomes Fahrzeug die Kontrolle wieder an den Menschen übergeben, wenn die Steuersoftware an ihre Grenzen gelangt ist.
„Wir freuen uns sehr, mit dem positiven Förderentscheid das Forschungsgebiet ‚Perspicuous Computing‘ weiter vorantreiben zu können – für verständliche, nachvollziehbare und vorhersehbare softwarebasierte Systeme“, erklärt Prof. Raimund Dachselt, Leiter des Interactive Media Lab Dresden und Inhaber der Professur für Multimediatechnik an der Fakultät für Informatik der TU Dresden. Zudem ist er Standortsprecher des SFB/TR 248 : „Es ist wichtig, dass wir die Systeme, die uns im Alltag unterstützen, so entwickeln, dass wir sie auch verstehen und ihnen vertrauen können.“ In der nächsten Förderperiode soll vertieft untersucht werden, wie Erkenntnisse aus der Analyse von laufenden Systemen für den Entwurf künftiger Systeme genutzt werden können. „Im Fokus steht für uns aber auch die menschzentrierte Forschung (Human-in-the-Loop) und die gesellschaftliche Dimension (Society-in-the-Loop) verbunden mit zunehmenden gesetzlichen Anforderungen an mit KI arbeitende Systeme. Wir wollen zur Reduzierung ihrer Risiken beitragen“, erläutert Prof. Dachselt.
In drei großen Themenfeldern mit insgesamt 14 Teilprojekten forschen in den kommenden vier Jahren 21 Projektleiter:innen gemeinsam an den wissenschaftlichen Grundlagen solcher „verständlichen Computersysteme“. Neben den beiden Universitäten sind in der zweiten Phase das MPI-SWS und das CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit beteiligt. Der SFB/Transregio 248 kombiniert Forschung aus den Bereichen Formale Methoden, Künstliche Intelligenz sowie visuelle und sprachbasierte Mensch-Computer Interaktion auf neuartige Weise miteinander. Zukünftig wird es möglich sein, software-basierte Systeme zu erstellen, die vorhersagbar und verständlich agieren. Die CPEC-Forschung dient damit dem wachsenden Bedürfnis der Gesellschaft, die Kontrolle über die computergestützten Systeme zu behalten, mit denen wir perspektivisch alle interagieren werden, und ermöglicht eine nachvollziehbare cyber-physische Welt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG fördert den Sonderforschungsbereich/Transregio 248 ab Januar 2023 mit insgesamt 13 Millionen Euro.
Internet: https://www.cpec.science/
Kontakte:
SFB 1143:
Prof. Matthias Vojta
Sprecher SFB 1143
Tel.: +49 351 463-34135
SFB/Transregio 237:
Prof. Min Ae Lee-Kirsch
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
Technische Universität Dresden
Tel.: +49 351 458-16878
SFB/Transregio 248:
Prof. Holger Hermanns (Sprecher SFB/TR 248, Universität des Saarlandes)
Prof. Raimund Dachselt (Standortsprecher SFB/TR 248, Technische Universität Dresden)
Tel.: +49 351 463-38507