22.11.2024
Artikel in der Sächsischen Zeitung über das Projekt Green Pharming
Dieser Beitrag erschien in der Sächsischen Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt, am 19. November 2024.
Autor: Stephan Schön.
Pflanzen sollen in der Lausitz neue Medikamente produzieren
Forscher aus Dresden und Zittau bauen eine Versuchsfarm auf - das könnte die Pharmaindustrie verändern.
Dresden/Zittau. Eine neue Methode zur Herstellung von Medikamenten wird jetzt in der Lausitz getestet. Es geht um Green Pharming, ein auf Pflanzen basierendes und CO2-neutrales Verfahren, um lebenswichtige Medikamente zu bekommen, berichtet TU-Professor und Arzt Ali El-Armouche der SZ. Er ist Direktor des Instituts für klinische Pharmakologie der TU Dresden und leitet das Projekt Green Pharming.
Es geht um nicht weniger als eine neue Art der Wirkstoffgewinnung. Dies kann der Anfang einer völlig neuen Wertschöpfung und damit für Jobs in der Lausitz sein. Green Pharming soll zunächst bekannte Wirkstoffe, die bereits am Markt sind, nachhaltiger herstellen. Später aber auch neue Medikamente für weitere schwere Erkrankungen produzieren. Vor allem neue Krebsmedikamente.
Im Industriegebiet Schwarze Pumpe an der brandenburgisch-sächsischen Grenze entsteht dafür derzeit eine Versuchsfarm. Bis Januar soll das erste Gewächshaus stehen. Die ersten Pflanzen ziehen dort im Frühjahr ein, kündigt TU-Professor El-Armouche an. "Es geht darum, den prinzipiellen Nachweis zu erbringen, dass Pflanzen die benötigten therapeutischen Stoffe in ähnlicher Qualität erzeugen können, wie es bisher nur mit tierischen Zellen möglich ist." Solche Antikörper, wie sie für die Krebsbekämpfung immer mehr an Bedeutung gewinnen, werden bisher in großen Bioreaktoren mit Zellen von Säugetieren produziert. Qualitativ besser, ohne die Verwendung von Tieren, mit weniger Nebenwirkungen für den Patienten und letztlich preiswerter sollen diese Medikamente künftig von genetisch veränderten Australischen Tabakpflanzen produziert werden. Es gibt dabei keine Veränderung der Pflanzensamen, sondern nur der Pflanzen an sich. "Das geschieht völlig isoliert von der Umwelt im Gewächshaus." Um dieses herum wird nochmals ein Gebäude errichtet. Nach der Ernte der Proteine soll zudem die verbleibende Biomasse Engerie für Licht und Wärme liefern. Auch dies ist Teil des Projekts Green Pharming.
Die ersten Laborversuche der Dresdner Uni-Medizin waren erfolgversprechend. Unter Leitung von Karin Fester, Professorin für Pharmazeutische Biotechnologie der Hochschule Zittau/Görlitz, werden die Pflanzen nun fürs Gewächshaus tauglich gemacht. Die Verfahrens- und Umwelttechnik der TU Dresden entwickelt und baut die Sensorik und Steuerung für das Versuchsgebäude in der Lausitz. Bis Mitte 2026 soll damit der prinzipielle Nachweis erbracht sein, dass diese neue Biotechnologie auch außerhalb der Forschungslabore funktioniert. "Dies ist eine echte Chance für eine neue Pharmaindustrie auf Pflanzenbasis in der Lausitz," sagt Projektleiter El-Armouche. Das könnte die pharmazeutische Industrie grundlegend verändern und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.
Der Green Deal der EU hat das Ziel, bis 2050 eine klimaneutrale Pharma- und Chemische Industrie zu etablieren. Und es geht auch darum, unabhängiger von Pharmalieferungen aus Indíen und Asien zu werden. "Wir betreten hier Neuland in der Lausitz. Es gehört sehr viel Mut dazu. Wir trauen uns. Und wir hoffen natürlich, dass hier die Industrie aufspringt."