19.07.2023
Batterien mit Kohlenstofffasern
Vielversprechende Forschungsergebnisse der TUD im Luftfahrt-Forschungsprojekt ElViS - Entwicklung und Erprobung ultraleichter Verbundstrukturen mit integrierter elektrischer Speicherfunktion
Seit knapp einem Jahr werden am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der Technischen Universität Dresden (TUD) „Strukturtragende Batterien“ entwickelt. Zusammen mit der Professur für Anorganische Chemie I der TUD und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig werden innovative Bauweisen erarbeitet, Prototypen hergestellt und experimentell charakterisiert. Darüber hinaus sollen problemangepasste Simulations- und Optimierungsmethoden unter Berücksichtigung elektrothermischer Effekte zur Auslegung derartiger multifunktionaler Strukturen mit Energiespeicherfunktion entwickelt werden. Nach einem Jahr intensiver Forschung konnten nun an der TUD erste Energiespeicher auf Basis von Kohlenstoffasern hergestellt werden, die sich gegenwärtig in der Erprobung befinden.
Mit dem übergeordneten Ziel eines reduzierten Ressourcenverbrauchs werden gegenwärtig neuartige Konzepte zur Speicherung und Bereitstellung von elektrischer Antriebs- und Nutzungsenergie entwickelt sowie untersucht. Elektrisch betriebene Fahrzeuge sind frei von lokalen CO2-Emissionen und bilden das Rückgrat des Klimarahmenprogramms der EU für 2030. Innovative Leichtbaulösungen und eine effiziente Energiespeicherung nehmen bei der Entwicklung einen besonderen Stellenwert ein, da aufgrund des hohen zusätzlichen Gewichts gegenwärtiger Energiespeichersysteme nur reduzierte Reichweiten oder Transportkapazitäten erzielt werden können. Insbesondere in der Luftfahrt steht ein Durchbruch (hybrid-)elektrischer Antriebssysteme derzeit noch aus. Um beispielweise elektrische Kurzstreckenflüge zu ermöglichen, müssen effiziente, leichte und langlebige Batterielösungen für moderne E-Mobilitätssysteme verfügbar sein. Weiterhin ist die Gewichtsreduktion bei Luftfahrzeugen, wie etwa zukünftige Flugtaxis oder Transportdrohnen absolut notwendig. Vor allem bei kleineren Luftfahrzeugen bzw. Lufttransportsystemen (Drohnen, Multicopter) können schwere, kompakte Batterien zu bauraumbedingten Herausforderungen sowie zu unvorteilhaften Gewichtsverteilungen führen. Zusätzliche Gewichtseinsparungen von bis zu 27 % könnten durch die Entwicklung sogenannter strukturtragender Batterien erreicht werden. Dabei handelt es sich um neuartige, multifunktionale Leichtbau-Verbundwerkstoffe auf der Basis von Kohlenstofffasern, die eine Energiespeicherung ermöglichen (vgl. Abbildung).
Die Einsatzmöglichkeiten von Kohlenstofffasern in der Batterietechnologie sind dabei so vielfältig wie der Umfang ihres Eigenschaftsprofils. Durch eine gezielte Prozessführung bei der Herstellung können neben den herausragenden mechanischen Eigenschaften auch spezifische Fasereigenschaften, wie eine hohe elektrische Leitfähigkeit oder eine gewünschte Porosität / Porenverteilung erreicht werden. Dadurch ist es möglich, strukturmechanische und elektromechanische Optimierungen für den Einsatz von Kohlenstofffasern im Batterieverbund vorzunehmen. Diese Fasern können beispielsweise als Stromabnehmer dienen oder als Aktivmaterialien eingesetzt werden, die eine essentielle Rolle bei den elektrochemischen Prozessen während des Lade- sowie Entladevorgangs spielen. Für den Einsatz als Anodenmaterial in Lithium-Ionen-Batterien ist insbesondere die sogenannte Interkalationsfähigkeit der Fasern, d.h. das Vermögen Lithiumionen einzulagern, relevant und wird daher intensiv analysiert. Aber auch die Entwicklung alternativer Speicherarten, wie etwa Lithium-Schwefel-Batterien sind Gegenstand der Forschungsarbeiten im Projekt ElViS. Hierbei sind wiederum „interkonnektierende“ Porenstrukturen innerhalb der Kohlenstofffasern für die Verwendung als Kathodenmaterial von hoher Bedeutung. Eine enorme Herausforderung wird die Einstellung derartiger Fasereigenschaften, wenn gleichzeitig die mechanischen Eigenschaften erhalten bleiben sollen. Das Projekt ElViS geht somit vor allem den Weg der individuell angepassten Materialauswahl, um mit Hilfe von mechanisch und elektrochemisch gekoppelten Modellierungen den richtigen Werkstoff an die richtige Stelle in der Batterie zu bringen.
Damit wäre die bisher statisch verwendete Batterie deutlich flexibler einsetzbar und könnte etwa in Verkleidungsbauteilen (Dach, Rumpf), im Fahrzeuginnenraum (Sitze, Armlehnen) oder in der Tragstruktur (Chassis) integriert werden. Dafür müssen die Verbundstrukturen mit integrierter elektrischer Speicherfunktion allerdings Belastungen sowie Vibrationen standhalten und verformbar sein. Dies ist mit bisherigen Batterien nicht realisierbar. Auf diese Weise kann die zur Energiespeicherung erforderliche Masse optimal verteilt werden, ohne Transportkapazität bzw. -raum zu verlieren. Peripheriekomponenten, wie mechanische Schutzgehäuse, könnten somit weggelassen werden bzw. kann zusätzliche elektrische Energie pro Masseneinheit und damit zusätzliche (Flug)-Reichweite durch die Substitution bestehender Bauteile bereitgestellt werden. Mit jedem Kilogramm reduzierter Masse können nicht nur je Luftfahrzeug mehrere Tonnen Kerosin (äq. Antriebsenergie) jährlich eingespart, sondern auch eine CO2-Reduktion von bis zu ~30 kg CO2-eq/kgStahl über den gesamten Lebenszyklus erreicht werden. Beide Ansätze sind im Vorhaben ElViS auf einzigartige Weise miteinander verbunden. Ziel des Vorhabens ist es mechanisch beanspruchbare Verbundstrukturen mit integrierter elektrischer Speicherfunktion von ~120% kombinierter multifunktionaler Leistungsfähigkeit zu entwickeln, experimentell zu analysieren und bezüglich ihrer Eignung für Luftfahrzeuge zu bewerten.
Im ersten Forschungsjahr konnten die Wissenschaftler:innen erste strukturtragende Elektroden herstellen, die sich gegenwärtig in der Erprobung befinden. Neben der mechanischen und thermischen Beanspruchung werden auch das elektrische Speichervermögen, die Ladezyklen sowie mechanisch-elektrochemische Kopplungseffekte untersucht, analysiert und modelliert.
Laufzeit: 01.05.2022 – 30.04.2025
Projektleitung am ILK:
Prof. Niels Modler
Ansprechpartner:innen am ILK:
Dipl.-Ing. Daniel Sebastian Wolz, FG Sonderwerkstoffe und Verbindungstechniken am ILK/ Teamleiter Kohlenstofffasern am RCCF, Tel.: +49 351 463-44046,
Dr.-Ing. Thomas Behnisch, FG Sonderwerkstoffe und Verbindungstechniken, Fachgruppenleiter, Tel.: +49 351 463-42503,
Projektpartnerschaft mit
- Professur Leichtbau mit Verbundwerkstoffen an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig
- Professur für Anorganische Chemie I der TU Dresden
- Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden