22.03.2024
CERN statt Schule: Wie fühlt es sich an, ein Wissenschaftler zu sein?
An den von der TUD koordinierten „International Masterclasses“ in Teilchenphysik nehmen Schüler*innen aus aller Welt teil. An der Sitzung mit Dresden wirkten dieses Mal Telavi, Bonn und Rom mit.
Für die Schülerinnen und Schüler aus Telavi, im Osten Georgiens, war es ein langer Tag. Der letzte Teil der „International Masterclasses: hands on particle physics“ endete für sie erst acht Uhr abends, Ortszeit. Die Motivation schmälerte das nicht: Sie konfrontierten die beiden vom CERN in der Schweiz zugeschalteten Moderator*innen Shalini und Tom mit zahlreichen Fragen, ebenso wie ihre aus Rom, Bonn und Dresden virtuell teilnehmenden „Kolleg*innen“. Diese virtuelle Frage-und-Antwort-Runde bildete den Abschluss der jährlich ausgerichteten Veranstaltung, in der Schülerinnen und Schüler auf der ganzen Welt in die internationale Forschung zur Teilchenphysik eintauchen können.
So war in Georgien ein Team der Georgian Technical University in Tiflis nach Telavi gereist, um unter der Leitung von Alexander Sharmazanashvili den dort zusammengekommenen Schüler*innen einen Einblick in die Arbeit am CERN in der Schweiz, speziell in die des ATLAS-Teilchendetektors zu geben. Physikalisches Fachwissen zu vermitteln steht für Prof. Sharmazanashvili dabei gar nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, das Gefühl zu vermitteln, wie es ist, Wissenschaftler*in zu sein. Sie sollen ein Gespür dafür bekommen, wie es ist mit den „wirklichen Daten“ zu arbeiten, in einem echten Forschungskontext und mit der tatsächlichen Möglichkeit, das Higgs-Boson „zu finden“. Mit diesem ersten Einfühlen im Rahmen der Masterclass würden einige der Schüler*innen überlegen, ob sie in die Forschung gehen wollen. Prof. Sharmazanashvili will dazu motivieren: In der Teilchenphysik können sie Teil von wirklich großen Entwicklungen werden, mit Effekten für die ganze Gesellschaft. Diesen Aspekt unterstreicht auch Mauro Iodice von der Universität Roma Tre: Welche positiven Auswirkungen die Forschung am CERN etwa auf die Medizin hatte, sei vielen gar nicht geläufig. Das Bewusstsein dafür zu schaffen ist für ihn ein Grund, mit Schülerinnen und Schülern zu arbeiten.
Prof. Sharmazanashvili hat dafür inzwischen die Unterstützung des georgischen Bildungsministeriums gewinnen können, dass nun die Bewerbung des Programms in den Schulen übernimmt und auch finanziell unterstützt. Dank dieser Unterstützung können die Masterclasses an mehreren Orten in Georgien durchgeführt werden, und nicht mehr nur in der Hauptstadt Tiflis. Wie viele der Schüler*innen sich am Ende tatsächlich für ein Physikstudium und eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden, können weder Prof. Sharmazanashvili noch Mauro Iodice genau sagen. Das besser nachzuverfolgen wäre wichtig, meint Dr. Iodice, der auch Gruppenleiter am Istituto Nazionale di Fisica Nucleare ist, dem größten Forschungszentrum für Kernphysik in Italien und bedeutender Partner des CERN. Er erlebt die Schülerinnen und Schüler stets als sehr interessiert, räumt aber auch ein, dass die Vermittlung der wissenschaftlichen Grundlagen noch verbessert werden kann. Deshalb möchte er sich mit den Kolleginnen und Kollegen, die die Masterclasses in den anderen Ländern ausrichten, über attraktivere didaktische Methoden austauschen – um noch mehr Schüler*innen zu gewinnen oder die, die kommen, alle gut mitzunehmen.
Ganz schlecht kann das aktuelle Angebot allerdings nicht sein: Das Netzwerk wächst stetig. Mittlerweile sind über 200 Institutionen aus 60 Ländern beteiligt, erst in diesem Jahr kamen Kap Verde und Mozambique hinzu. Das Programm, das von der TU Dresden in Person von Uta Bilow co-organisiert wird, gibt es seit 2005 und ist das Vorzeigeprojekt der International Particle Physics Outreach Group, die die internationale Teilchenphysik für junge Menschen erlebbar machen soll. Damit auch in Zukunft Menschen aus aller Welt am CERN Entdeckungen mit Bedeutung für die ganze Welt machen werden.
https://ippog.org/imc-international-masterclasses