Nov 15, 2017
Auf Tuchfühlung mit dem doppelt-magischen Nickel Ni-78
Physiker vom Institut für Kern- und Teilchenphysik der Technischen Universität Dresden haben gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern die Kernbindungsenergien exotischer kurzlebiger Kupferisotope bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass das Nickelisotop 78Ni einen „doppelt-magischen“ Charakter aufweist und bei der Elemententstehung in Sternen eine wichtige Rolle spielt.
Atomkerne mit einer „magischen“ Anzahl an Neutronen oder Protonen sind besonders stabil, wobei Zahlen wie 8, 20, 28, 50, 82 oder 126 als magisch gelten. Diese Kerne besitzen eine hohe Kernbindungsenergie. Daher spielen sie bei der Elemententstehung in Sternen eine besondere Rolle, wenn durch Fusionsprozesse oder Sternexplosionen neue Kerne gebildet werden. Von großem Interesse für die Kernphysik ist das Nickelisotop 78Ni mit 28 Protonen und 50 Neutronen, denn es ist möglicherweise ein sogenannter Wartepunkt mit erhöhter Lebensdauer, der die Bildung schwererer Kerne begünstigt. Durch Fusionsprozesse in Sternen sind lediglich die chemischen Elemente bis zum Eisen zugänglich. Schwerere Elemente wie Kupfer, Zink, Gold oder Uran bilden sich erst bei einer Sternenexplosion, der sogenannten Supernova, oder aus kollidierenden Neutronensternsystemen. Allerdings ist es bislang nicht gelungen, die Kernbindungsenergie des Isotops 78Ni direkt zu messen – einen jener Parameter, deren Werte Aufschluss darüber geben, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Element beim Sterben eines Sterns erzeugt wird und wie wichtig dieser Produktionspfad somit im Allgemeinen für die Bildung schwerer Kerne ist.
Die beiden Forscher der TU Dresden, Dipl.-Phys. Andree Welker und Prof. Dr. Kai Zuber, haben nun gemeinsam mit einem internationalen Team quasi die nächsten Verwandten des Nickelisotops vermessen. Am ISOLTRAP Experiment am europäischen Forschungszentrum CERN wurden die Massen der Kupferisotope 75Cu bis 79Cu bestimmt. 79Cu unterscheidet sich von 78Ni lediglich durch ein zusätzliches Proton im Kern. Für ihre Versuche produzierten die Physiker die Nuklide, indem sie Uran mit Neutronen beschossen. Die entstehenden Isotope wurden in ein Präzisionsmassenspektrometer gelenkt, das die einzelnen Sorten von Atomkernen sehr effektiv voneinander separieren kann. In dem Gerät, dem sogenannten Multireflexions-Flugzeitspektrometer, wird der Teilchenstrahl viele Male reflektiert, so dass die Teilchen Flugwege von mehreren hundert Metern zurücklegen. Schwere Kerne fliegen langsamer als leichte, so dass die Isotop-Sorten voneinander separiert und gemessen werden können. Die zu untersuchenden Teilchen werden anschließend in eine sogenannte Penning-Falle gelenkt, wo man ihre Massen noch präziser bestimmen kann, sofern es ihre Lebensdauer und die Teilchenmenge zulässt. Ein Magnetfeld zwingt die Ionen in der Falle auf eine kreisförmige Bahn, wobei Elektroden verhindern, dass die Ionen dabei entkommen können. Durch Vermessen der Resonanzfrequenz lässt sich die Masse der Teilchen sehr genau bestimmen.
Wichtige Ergebnisse in diesen Untersuchungen wurden mit dem Multireflexions-Flugzeitspektrometer gewonnen, welches zur Bestimmung der Masse des kurzlebigen Kupferisotops 79Cu verwendet wurde. Von dem Isotop konnten lediglich fünf Ionen pro Sekunde produziert werden. Das Gerät ist für solche geringen Mengen von Atomkernen mit kurzen Halbwertszeiten besonders gut geeignet, denn die Messzeit ist besonders kurz. Konstruiert und gebaut wurde es an der Universität Greifswald.
Die erhaltenen Messwerte wurden mit Berechnungen von Theoretikern der Universität Straßburg verglichen und zeigten dabei eine exzellente Übereinstimmung. Somit ergibt sich ein detailliertes Bild, wie die Kernstruktur der exotischen Kupferisotope beschaffen ist. Dieses lässt den Schluss zu, dass das Isotop 78Ni eine doppelt-magische Konfiguration aufweist und damit sehr wichtig in der Produktionskette von schwereren chemischen Elementen ist.
Die Ergebnisse wurden veröffentlicht im Fachblatt Physical Review Letters, 119, 192502 (2017), doi: 10.1103/PhysRevLett.119.192502
Viewpoint der American Physical Society: https://physics.aps.org/articles/v10/121