11.05.2022
Studentisches Ehrenamt des Monats: „Neben Freundschaften nimmt man Dinge mit, die man nirgendwo anders lernt."
Die Initiative „Studieren Ohne Grenzen“ engagiert sich für Hochschulbildung in Krisenregionen. Mit der Vergabe von Stipendien an bedürftige Studierende will sie so zur Verbesserung der Bildungsinfrastruktur beitragen und in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Situation in den Projektregionen schaffen. Ein engagiertes Mitglied der Dresdner Lokalgruppe ist Julika Prinz. Mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit möchte die TUD-Studentin andere junge Menschen dabei unterstützen, neben ihrem Studium selbst soziale Projekte in ihren Heimatländern umzusetzen. Im Interview hat uns Julika mehr über ihren Weg zu „SOG Dresden“ und das aktuelle Stipendienprogramm in Guatemala erzählt.
Bereits seit 2003 gibt es die Initiative „Etudes Sans Frontières – Studieren Ohne Grenzen Deutschland e.V.“. Wofür setzt ihr euch als Hochschulgruppe ein?
Der Ansatz von „Studieren Ohne Grenzen“ ist, dass die größte Veränderung im Kleinen beginnt. Viele junge Menschen weltweit haben Energie, Motivation und tolle Ideen für Veränderung. Deshalb organisieren wir Stipendien für Menschen in kriegs- und konfliktgeprägten Regionen, damit diese finanziell unabhängiger sind und soziale Projekte in ihrem Land umsetzen können. Gleichzeitig möchten wir die Menschen in Deutschland über das Geschehen in den Regionen informieren und globale Zusammenhänge zwischen unserem Handeln in Deutschland und den Situationen weltweit aufzeigen.
Wie sieht eine typische Woche bei dir in der Ehrenamts-Arbeit aus? Was gehört zu deinem Tätigkeitsbereich?
Eine richtig typische Woche gibt es bei mir nicht. Die Arbeit war bei mir schon immer sehr flexibel einteilbar und in den Jahren im Ehrenamt haben sich meine Tätigkeitsbereiche mehrfach geändert. Ich war von 2018 bis 2020 Lokalkoordinatorin der Gruppe in Dresden. Dazu gehörte die Vorbereitung und Leitung der wöchentlichen Lokalgruppentreffen, das Organisieren von Teamevents wie zum Beispiel die Kennenlern-Wochenenden in der Sächsischen Schweiz oder auch Running-Cocktail-Abende.
Bei „Studieren Ohne Grenzen“ kann man sich jedoch nicht nur in der Lokalgruppe engagieren, sondern auch mit verschiedenen Mitgliedern auf Bundesebene zusammenarbeiten. Nach meiner Zeit als Lokalkoordinatorin habe ich die Vertretung von „Studieren Ohne Grenzen“ im Verband Deutscher Studierendeninitiativen übernommen. Dort tausche ich mich mit Vertreter:innen unterschiedlichster Studierendeninitiativen über aktuelle Herausforderungen und Errungenschaften aus, darüber wie wir voneinander lernen oder uns unterstützen können und auch wie wir studentisches Ehrenamt an Hochschulen stärken und in der Politik sichtbarer machen können.
Erzähle uns bitte mehr über deinen Weg zu „Studieren ohne Grenzen“!
Ich bin tatsächlich durch Zufall auf die Hochschulgruppe gestoßen, als der Mitbewohner einer Kommilitonin mir davon erzählte. Sein Satz lautete ungefähr „Wir organisieren Stipendien für Studierende in ehemaligen Kriegs- und Konfliktregionen. Wir möchten sie dabei unterstützen neben ihrem Studium selbst soziale Projekte in ihrer Stadt umsetzen zu können.“ Das hat mich direkt gefangen. Für mich ist eine aktive Zivilgesellschaft und ehrenamtliches Engagement ein wichtiger Bestandteil lebendiger und sich progressiv entwickelnder Gesellschaft. Gleichaltrige dabei zu unterstützen, dies in ihrer Stadt zu tun, fand ich gut. Mein Interesse war also geweckt und nach einem Infoabend bei Pizza und Bier war ich dabei.
Was macht das Engagement in deiner Hochschulgruppe für dich so besonders?
Es klingt vielleicht etwas kitschig, aber ich denke man kann trotzdem sagen, dass wir geeint sind in der Vereinsvision von „einer friedlichen und solidarischen Welt, in der alle Menschen ihr Lebensumfeld selbstbestimmt mitgestalten können“.
Und mit diesem gemeinsamen Gedanken ist jedes SOG-Event ein Ort, an dem man Menschen kennenlernt, mit denen man auf unterschiedlichste Art und Weise eine tolle Zeit haben kann. Man kann gemeinsam Blödsinn machen und genauso in Workshops zu Postkolonialismus und Rassismus kritische Selbstreflexion üben. Ich glaube, das macht SOG für mich so besonders: die Freundschaften, in Dresden und ganz Deutschland, und die kritische Reflexion, mit welcher der Verein seine eigene Position und Arbeit vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und historischer Strukturen betrachtet.
Jede ehrenamtliche Tätigkeit ist individuell. Welche drei Wörter beschreiben dein studentisches Engagement bei SOG am besten?
Jung, dynamisch, sexy!
Du studierst Elektrotechnik an der TUD. Wie schaffst du es, deine ehrenamtliche Arbeit mit dem Studium zu vereinbaren?
Die Arbeit bei „Studieren Ohne Grenzen“ stellt für mich eine gute Ergänzung zum Studium dar. Wir behandeln andere Themen – ich bilde mich also in anderen Bereichen weiter. Es ist außerdem schön mit den Menschen eben nicht über „Unizeug“, die Profs und die nächste Klausur zu reden. Die wöchentlichen Lokalgruppentreffen sind ein Abend mit Freunden – manchmal mehr wie ein Stammtisch als eine „Arbeitsverpflichtung“. Kurz vor den Veranstaltungen ist dann schon viel los. Da wir eine Hochschulgruppe sind und alle Mitglieder, was das Studium angeht, im gleichen Boot sitzen, findet dafür zum Beispiel in der Prüfungsphase immer weniger oder nichts statt.
Was war bislang das prägendste Ereignis in deiner Ehrenamtszeit? Gibt es etwas, worauf du besonders stolz bist?
Das prägendste Ereignis war das „Freiflugfestival“ – ein Festival für Mitglieder und Freunde mit Musik und Workshops zu Nachhaltigkeit, Entwicklungszusammenarbeit und vielem mehr – von einem Team aus bundesweiten SOG-Mitgliedern organisiert.
Besonders stolz bin ich jedoch auf die von der Lokalgruppe Dresden organisierte Podiumsdiskussion „Wer hilft hier wem? – Eine kritische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Entwicklungszusammenarbeit“. Die Organisation war zeitweise sehr stressig, aber ich habe auch unglaublich viel gelernt. Am Ende waren 200 Menschen bei der Veranstaltung im Hygienemuseum und haben die kritischen Auseinandersetzung der Expert:innen verfolgt, Fragen gestellt und mitdiskutiert. Es war ein lebendiger Abend, auf den ich ein bisschen stolz bin, dass wir ihn auf die Beine gestellt haben.
Neben der Mitgliedschaft kann „SOG“ auch auf andere Weise unterschützen, zum Beispiel durch eine Projektpatenschaft. Wie kann man sich das vorstellen?
Mit einer Patenschaft kann man konkret einen Teil oder die gesamten Stipendienkosten für eine Stipendiatin oder einen Stipendiaten für die Dauer des Studiums übernehmen. Da die Lebenshaltungs- und Studienkosten in den Ländern sehr unterschiedlich sind, sind auch die Stipendien unterschiedlich. In Guatemala beträgt das Stipendium beispielsweise 165 Euro pro Monat, womit die Studiengebühren und ein Teil der Lebenshaltungskosten gedeckt sind. Eine Patenschaft ist bereits ab 15 Euro im Monat möglich.
In den vergangenen Jahren habt ihr unter anderem Konzerte oder gemeinsame Wochenenden veranstaltet. Was habt ihr aktuell in Planung?
Wir müssen uns nach den letzten Jahren erstmal wieder „eingrooven“. Um möglichst unabhängig von Pandemieentwicklungen zu sein, planen wir momentan jedoch ein Spikeballtunier. Dabei wollen wir wieder auf dem Campus präsent sein und neue Menschen auf uns aufmerksam machen. Einige Mitglieder sind auch mit dem Studium fertig geworden und die Gruppe muss sich wieder neu zusammenfinden. Mit einer neuen Gruppe können wir uns von Konzert bis Podiumsdiskussion alles vorstellen. Besonders wichtig ist jedoch die Arbeit am Stipendienprogramm Guatemala hervorzuheben. Gemeinsam mit der Lokalgruppe in Göttingen wird der Kontakt zu den Stipendiat:innen gepflegt, das Auswahlverfahren organisiert und das Programm kontinuierlich evaluiert. Für diese spannende Arbeit, die den Kern von „Studieren ohne Grenzen“ darstellt und das Ehrenamt von anderen Vereinen unterscheidet, suchen wir neue Menschen – gerne auch mit Spanischkenntnissen.
Welchen Ratschlag kannst du neuen studentischen Ehrenamtlichen oder noch unschlüssigen jungen Menschen in Bezug auf die Ehrenamtstätigkeit mit auf den Weg geben?
Probiert euch auf jeden Fall aus. Ich kann nur empfehlen, bei Hochschulgruppen einfach mal reinzuschnuppern. Es ist wichtig, dass euch der Kern der Arbeit am Herzen liegt. Aber genauso, dass die Chemie in der Gruppe stimmt. Neben Freundschaften nimmt man aus dem Ehrenamt Dinge mit, die man nirgendwo anders lernt. Außerdem ist zivilgesellschaftliches Engagement ein wichtiger Teil unserer Demokratie in Deutschland, sei ein Teil davon! ;)
Das Interview führte Lu Ann Bahmann, studentische Mitarbeiterin in der Pressestelle.