03.11.2022
Das Leben bis ins kleinste Detail verstehen
Dagmar Möbius
Physics of Life (PoL) ist eins der 57 Exzellenzcluster, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 2019 für sieben Jahre fördert. „Physik des Lebens“ erforscht grundlegende Fragen in der Zell- und Entwicklungsbiologie.
Das Herz schlägt links. Aber warum? Wie beeinflussen die Gesetze der Physik unsere DNA? Was unterscheidet lebende Materie von toter Materie? Wie entsteht ein Lebewesen? Mit solchen Fragen beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters Physik des Lebens. Sie sind Fachleute aus Physik, Biologie und Informatik. „Wir wollen das Leben bis in die kleinsten Bestandteile verstehen“, sagt Cluster-Sprecher Professor Otger Campàs. „Es geht um das tiefe Verständnis von Phänomenen. Wie die Grundlagen für alles funktionieren. Das ist tiefer als Biologie“, ergänzt Professor Helmut Schießel, der ebenfalls als Clustersprecher fungiert. In anderen Worten: Physics of Life betrachtet biologische Prozesse als komplexe physikalische Phänomene. Wenn die Organisationsprinzipien des Lebens verstanden werden, können neue Ansätze gefunden werden, um Gesundheitsprobleme unserer Gesellschaft zu bewältigen.
Grundlagenforschung für das Leben
Dafür kooperieren im Cluster Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Dresden und Forschungseinrichtungen des DRESDEN-concept-Netzwerks. Konkret arbeiten 39 Forschungsgruppen aus dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), dem Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS), dem Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) im Verbund mit. Die komplexe Aufgabe, die Prinzipien der dynamischen Organisation des lebenden Zustands der Materie zu verstehen, ist in sechs Forschungsschwerpunkte gegliedert. Drei Bereiche wollen die dynamische Organisation aktiver lebender Materie in Raum und Zeit auf der Ebene von Geweben (RA1), Zellen (RA2) und Molekülen (RA3) bestimmen und Theorien überprüfen. Die Bereiche vier bis sechs entwickeln eine allgemeine physikalische Theorie der lebenden Materie (RA4), testen Erkenntnisse mithilfe fortgeschrittener Techniken und Ansätze des wissenschaftlichen Rechnens sowie der Systemmikroskopie (RA5) und demonstrieren das Verständnis durch das Entwickeln der dynamischen Organisation der lebenden Materie (RA6).
Preisgekröntes internationales Arbeiten
„Wenn man das Leben versteht, kann man Wirkstoffe designen, zum Beispiel für die Medizin“, sagt Biophysiker Professor Helmut Schießel und nennt die „Tröpfchen-Entdeckung“: „In den letzten 100 Jahren hatte man komplett übersehen, dass Öl und Wasser in Zellen spezielle biologische Funktionen haben. Wir erforschen nun, wo müssen die Tröpfchen hin, um etwas zu bewirken.“ Bahnbrechende Erkenntnisse hierzu verdankt die Wissenschaft dem Zellbiologen Anthony Hymann, der für seine Forschungen zahlreiche Preise erhielt, zuletzt den mit einer Million Euro dotierten The Körber European Science Prize 2022.
Im international aufgestellten Exzellenzcluster Physics of Life arbeiten zahlreiche Forschungsgruppen an komplexen Fragen. Der Informatiker Dr. Robert Haase leitet beispielsweise die Gruppe für Technologieentwicklung in der Bio-Bildanalyse. Er gilt als weltweit anerkannter Experte auf dem Gebiet der mikroskopiebezogenen Bilddatenwissenschaft und des High-Performance Image Computing. Für seinen Einsatz zur Förderung fortschrittlicher Open-Source-Bildanalyse in Mikroskopie und Biologie werden er und ein Kollege der Universität Edinburgh aktuell mit dem erstmals verliehenen Royal Microscopical Society Award for Data Analysis in Imaging ausgezeichnet.
Nachwuchsförderung
Am Institut sind noch einige Stellen zu besetzen. „Wir suchen immer gute Köpfe. Hier muss man an vielem interessiert sein“, sagt Professor Helmut Schießel. Um den eigenen Forschungsnachwuchs auszubilden, hat das Exzellenzcluster PoL ein zweijähriges interdisziplinäres Master-Studium konzipiert. Seit Anfang Oktober 2022 studieren erstmals 25 Personen mit verschiedenen beruflichen Hintergründen in dem englischsprachigen Studiengang „Master Physics of Life“. „Könnte ich noch mal studieren, würde ich das machen“, schmunzelt Schießel. Er spezialisierte sich ab 1999 auf Biophysik und „hat damit aufs richtige Pferd gesetzt“. Wissen könne man als Wissenschaftler nie, in welchem Forschungsfeld Jobs zu finden sind. Sein Tipp: „Das Thema ist wichtig.“
Kontakt:
PoL | Physics of Life
Prof. Otger Campàs
Tel.: +49 351 463-82111