17.11.2023
Studienaufenthalt und Praktikum in Taiwan
Dagmar Möbius
Mitte September 2023 wurde ein wissenschaftliches Koordinierungsbüro des Freistaates Sachsen und der TU Dresden in Taiwan eröffnet. Geleitet wird es von Dr. Josef Goldberger. Welche Herausforderungen auf den Experten für Hochschulkooperationen warten und worauf er sich besonders freut ...
„Wer in Deutschland kann mehr als eine taiwanische Stadt benennen?“ fragt Dr. Josef Goldberger. Seit sechs Jahren lebt der Österreicher in Taipei und leitete dort das DAAD-Informationszentrum. Dass hierzulande mehr über die kleine asiatische Insel bekannt wird, wünscht er sich. Aktuell vor dem Hintergrund des kürzlich eröffneten, ersten wissenschaftlichen Koordinierungsbüro des Freistaates Sachsen und der TU Dresden in Taiwan. „Es ist das erste von mehreren weiteren geplanten sächsischen Auslandsbüros in Indien, Usbekistan und Vietnam“, sagt der 46-jährige Ostasienexperte.
Technologietransfer und Weiterbildung für die Halbleiterindustrie
Sein Büro befindet sich im German Trade Office der deutschen Außenhandelskammer in Taipei. „Der Freistaat Sachsen engagiert sich sehr für sein erstes Wissenschaftsbüro im Ausland.“ Als zentraler Ansprechpartner für alle sächsischen Hochschulen will Dr. Josef Goldberger Studieninteressierte in Taiwan werben. Mit Marketing für den Studienstandort Deutschland kennt er sich bestens aus. Dennoch ist in seiner neuen Aufgabe einiges anders: „Taiwan ist klein, es werden nicht Tausende junge Leute nach Sachsen kommen. Es geht auch um Technologietransfer und um die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften.“ Ein Grund für das intensive Engagement Sachsens ist die geplante Ansiedlung des weltgrößten Chipherstellers Taiwan Semiconductor Manufactoring Company (TSMC) in Dresden. Der Fachkräftebedarf für TSMC soll im Jahr 2027 etwa 2.000 Ingenieure umfassen. Hinzu kommt der Bedarf der Zulieferer und anderer Unternehmen.
Rundum-Paket Ausbildung in Taiwan
Parallel zum Aufbau des Chip-Werks in Dresden sollen deutsche Fachkräfte in Taiwan aus- und weitergebildet werden. Im Rahmen eines „Semiconductor Talent Incubation Program“ erhalten zunächst 30 Master- und Diplom-Studierende der TU Dresden die Möglichkeit, für sechs Monate nach Taiwan zu gehen. „Die erste Phase beginnt im Februar 2024. Angesprochen sind vor allem Bewerbende der Ingenieur-Fachrichtungen, der Physik, Chemie, der Naturwissenschaften, der Mikroelektronik oder der Nanotechnologie.“ Für vier Monate werden sie an einer taiwanesischen Universität lernen, danach arbeiten sie in einer baugleichen Fabrik und besuchen ein TSMC-Training-Center. An den Hochschulen können verschiedene Module ausgewählt werden. Zusätzlich gibt es Sprach- und kulturelle Angebote. Für den halbjährigen Auslandsaufenthalt werden 15 Credits auf das Studium in Deutschland angerechnet. Der Freistaat Sachsen fördert die Kosten für den Flug und die Lebenshaltungskosten.
Zweite Phase für Studierende aller sächsischer Hochschulen
Eine Verpflichtung, später bei TSMC zu arbeiten, ist mit den Studienaufenthalten nicht verknüpft. In einer zweiten Programmphase können sich Studierende aller sächsischen Hochschulen bewerben. Auch für Alumni soll es perspektivisch Angebote geben. In der Zukunft werden alle Taiwan-Aktivitäten bei Dr. Josef Goldberger zusammenlaufen, und es wird seine Aufgabe sein, den Überblick zu behalten.
Intensive interkulturelle Erfahrung
„Sächsische Studierende sollen sehr intensive interkulturelle Erfahrungen machen“, hofft der Liaison Officer des Koordinierungsbüros Taiwan-Sachsen und lacht: „Im Moment kann man froh sein, wenn zwischen Thailand und Taiwan unterschieden werden kann.“ Gleich darauf kommt er ins Schwärmen: „Taiwan ist eine kleine, aber sehr vielfältige Insel mit einer stabilen Zivilgesellschaft und einer funktionierenden Demokratie. Es ist ein Land der persönlichen Initiativen, der politischen Teilhabe. Die Leute sind extrem liebenswert, freundlich und hilfsbereit. Auch kulinarisch und landschaftlich ist die Vielfalt groß. Ich habe noch niemanden erlebt, der sich nach einem Aufenthalt nicht in das Land verliebt hätte.“
Dr. Josef Goldbergers Ziel ist eine bessere Wahrnehmung Taiwans in Sachsen. „Für Studierende ist so eine Auslandserfahrung sehr wertvoll“, ist er überzeugt. Für ihn selbst, der bisher immer im Bereich Hochschulkooperationen gearbeitet hat, ist seine neue Aufgabe sehr konkret: „Viele, bereits voll entwickelte Programme konnten beispielsweise während der Corona-Pandemie nicht umgesetzt werden. Jetzt aber kann ich helfen, eine tolle Idee sehr rasch umzusetzen und zu sehen, wie bereits ab Anfang 2024 junge Menschen deshalb prägende Lebenserfahrungen sammeln können.“ Der technische Aspekt ist für den Sozial- und Geisteswissenschaftler zwar eine Herausforderung, aber er hat sie mit Freude angenommen.
Kontakt:
Dr. Josef Goldberger
Liaison Officer
Saxon Science Liaison Office Taiwan
Zur Person
Dr. Josef Goldberger hat vier Hochschulabschlüsse in Geistes- und Sozialwissenschaften erworben. In seiner Promotionsarbeit aus dem Bereich der vergleichenden Erziehungswissenschaften erforschte er an der Humboldt-Universität zu Berlin die Internationalisierung der chinesischen Hochschulen. In der Bundeshauptstadt arbeitete er als Regionalkoordinator für institutionelle Kooperationen (Asien und Australien) im International Office der Humboldt-Universität zu Berlin. Mehr als zwölf Jahre lebte und lehrte er in der Volksrepublik China, unter anderen an der renommierten Peking Universität und der Tsinghua Universität. Er leitete das Marketingteam der Pekinger Außenstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und arbeitete als Projektmanager für das Goethe-Institut.
Zur TSMC
Die Taiwan Semiconductor Manufactoring Company TSMC wurde 1987 gegründet. Das Unternehmen setzt 288 verschiedene Prozesstechnologien ein und stellte im Jahr 2022 12.698 Produkte für 532 Kunden her, indem es ein breites Spektrum an fortschrittlichen und speziellen Technologien anbietet. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Hsinchu, Taiwan.