„Bauen macht mir schon immer Spaß“
(porträtiert im Jahr 2023)
Dagmar Möbius
Maximilian Hansen begann nach drei Jahren Jura-Vorlesungen ein Architektur-Studium. Das dauerte sieben Jahre, weil er zwischendurch arbeitete. Diese Erfahrungen helfen ihm noch heute. Während er als Student an der Sagrada Familia mitarbeitete und für seine Diplomarbeit ein Erhaltungskonzept für eine persische Tempelanlage erstellte, setzt er heute mit seiner eigenen Firma auf nachhaltigen Messebau, Eventausstattung und Papierarchitektur.
„Ich sehe den Pazifik, auf der anderen Seite die Berge“, beschreibt Maximilian Hansen den Blick aus seinem Fenster während des Videotelefonates. Bei ihm in Vancouver ist es zehn Uhr morgens, in Deutschland 19 Uhr abends. In Nordamerika hat der 41-Jährige beruflich viel zu tun. Seine Kindheit verbrachte der gebürtige Dresdner in Westberlin. Als er zehnjährig mit den Eltern zurückkam, erschien ihm die Elbestadt im Gegensatz zum sehr bunten Berlin sehr grau. „Heute sage ich, ich bin Ossi“, lacht er. Wohlwissend, dass er selbst seiner Frau, einer Kanadierin, die Unterschiede schwer vermitteln kann.
Nach Abitur und Armee studierte Maximilian Hansen zunächst drei Jahre Jura an der TU Dresden. In der Schule waren ihm Mathematik und Physik schwergefallen – er wollte deshalb etwas anderes. „Dann war ich aber genervt von vorgefertigten Mustern“, sagt er. Ein Freund studierte Architektur und klagte, wie furchtbar das sei. Maximilian Hansen reizte genau das: „Bauen macht mir schon immer Spaß.“
Von 2005 bis 2012 dauerte das Studium. Weil die Baufirma der Eltern insolvent wurde, konnten seine Schwester und er, damals im 4. Semester, nicht mehr unterstützt werden. Bafög wurde ihm nicht bewilligt, weil ein Sprachenschein fehlte. „Ich habe fünf, sechs Jahre im Trockenbau gearbeitet“, erzählt Maximilian Hansen. „Ein Semester viel gearbeitet, ein Semester viel studiert. Das sieht man meinen Noten auch an: 3,0 – 1, 0 – 3,7 – 1,0.“ Den Kommentar einer Dozentin, er müsse wissen, was wichtig ist, fand er arrogant. Heute sagt er: „Sie hatte schon Recht.“
Rückblickend beschreibt er das Architekturstudium als „recht entwurfsbezogen und daher eher realitätsfern“ – zumindest im Verhältnis zu dem, was er heute tut. „Damals wurden weder die in der Realität relevanten Computerkenntnisse vermittelt, noch wurden Baustoffe und materialbezogene Möglichkeiten ausreichend vertieft. Auf 24 CAD-Arbeitsplätze kamen zu meiner Zeit 1.000 Studenten, und es gab kaum Studentenlizenzen für relevante Software, sodass wir auf die CAD-Arbeitsplätze angewiesen waren“, nennt er ein Beispiel. Dennoch lernte er jede Menge Handwerkszeug, das er heute noch schätzt: Konstruktive und technische Aspekte des Bauens und permanentes Präsentieren von Projekten.
Als Glück beschreibt Maximilian Hansen die Mitarbeit an praxisbezogenen und statisch-konstruktiv anspruchsvollen Projekten bei seinen Professoren Christoph Schulten (Baukonstruktion) und Wolfram Jäger (Tragwerksplanung), beispielsweise an der Sagrada Familia in Barcelona. „Einmal erzählte Professor Jäger über die Herausforderungen der Trümmerkartierung der Frauenkirche Dresden und warum er es dennoch tat. Das half mir in geschäftlicher Hinsicht weiter, denn es zeigte, dass in Bereichen, in denen wenig Wissen vorhanden bzw. das vorhandene Wissen nicht leicht verfügbar ist, etwas Courage, gesunder Menschenverstand und solide Ingenieurskenntnisse wegweisend sein können, während man ein Problem nach dem anderen löst.“ Maximilian Hansen erkannte, dass sich komplex erscheinende Aufgaben vereinfachen lassen, wenn man sie von der konstruktiven Struktur aus denkt. Das macht er heute noch so.
Für seine Abschlussarbeit erarbeitete der Diplom-Ingenieur für Architektur ein Konsolidierungskonzept für die 40 Meter hohe Ruine einer Tempelanlage im Iran. Dabei arbeitete er mit alten Vermessungsmethoden. Die Diplomarbeit war für den Preis der Sächsischen Bauindustrie und den Kurt Beyer-Preis, nominiert. Ob das Konzept umgesetzt wurde, ist unklar: „Es kamen politische Querelen dazwischen.“ Nach dem Abschluss arbeitete Maximilian Hansen für anderthalb Jahre am TUD-Insitut für Hochbaukonstruktion. In der Freizeit entwickelte er mit Daniel Fucke (dem späteren Mitgründer, der die Firma 2017 verließ) das Grundkonzept für sein heutiges Unternehmen. „Die Rolle der Bierstube ist nicht zu unterschätzen“, lacht er. „Bier trinken ist gut fürs kreative Spinnen.“
2013 wurde Nordwerk Design mit jugendlichem Elan gegründet. „Wir hatten vorher schon experimentiert, aber wir mussten erst lernen, wie Messebau funktioniert. Wie temporäre Bauten funktionieren, erklärt einem keiner im Studium. Es war eine harte Zeit, aber wir haben daran geglaubt.“ Banken gaben keine Kredite. Sie meinten, mit der Idee könne man kein Geld verdienen. „Da sitzen eindimensionale Persönlichkeiten“, versucht Maximilian Hansen eine Erklärung. „Bei Messen werden unfassbare Mengen an Müll produziert, und obwohl Papier ein Rohstoff ist, muss man in Deutschland für die Entsorgung zahlen.“ Tatsächlich ist seine Lösung zwar grün, aber nicht unbedingt preiswerter. Zwar könnten die Messestände mehrfach verwendet werden, aber die Verpackungen sind manchmal so teuer wie ein Neubau. Als Nummer-1-Problem seiner Branche nennt der Ingenieur die Wahrnehmung von Papier: „Die Eigenschaften sind unbekannt, zum Beispiel kann Papier Wasser aufnehmen ... und bezüglich Brandschutz: Hochwertige Papierwerkstoffplatten sind wie Bauholz klassifiziert. In China und Japan setzt man es auf dem Bau ein. Das wird hier weggelächelt. In Deutschland dauert der Durchbruch noch zehn bis fünfzehn Jahre“, schätzt er.
Der eine große Messestand aus Papier, den er mit seinem Team für Volvo in Toronto und Vancouver baute, hatte nur eine Rolle Klebeband, die nicht recycelbar war. „Dort wird Nachhaltigkeit sehr ernst genommen“, lobt er. Für eine US-Serie lieferte er Möbel. Ansonsten sei es schwer, einen Fuß in die Tür von Filmproduktionen zu bekommen. Vor Corona realisierte das Nordwerk-Team etwa 20 Projekte im Jahr. Kooperationspartner hat er in der ganzen Welt. „Wir produzieren und drucken unsere Sachen selbst. In der Pandemie konnten wir uns mit Datensätzen über Wasser halten“, erzählt Maximilian Hansen. Studierende und Alumni von TUD und HTW konnten nicht mehr beschäftigt werden, weil das Messewesen sofort und sehr stark von der Pandemie betroffen war.
Aktuell hat sich die Branche noch nicht ganz erholt, zehn Vorhaben stehen im Kalender. Ein großes Projekt, mit dem sichtbar wurde, was möglich ist, waren Messestände aus Papier auf 1600 Quadratmetern in New Orleans. Aktuell stattet die Firma nordamerikanische Läden eines Sportartikelherstellers aus. Eine nicht so anspruchsvolle Massenproduktion. Aber: „Dinge, die kein Hingucker sind, finanzieren das Geschäft“, sagt der Nordwerk-Design-Gründer, der die Firma mittlerweile allein führt. Auch wenn er weltweit unterwegs ist, wird der Standort der Firma weiterhin in der Dresdner Friedrichstadt sein. Und über das Alumninetzwerk ist er mit seiner Universität im regelmäßigen Kontakt.
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Maximilian Hansen
Nordwerk Design