Entrepreneurship fetzt!
(interviewt im Jahr 2022)
Dagmar Möbius
Nadine Schmieder-Galfe ist in Gründungskreisen keine Unbekannte. Regional wie überregional. Die energiegeladene 38-Jährige hat mehr geschafft als viele in einem ganzen Berufsleben. Wie die Biotechnologin und Wirtschaftsjuristin zwei Firmen managt, warum sie Kurse an der Summer School gibt und weshalb sie sich gerade ein Boot-Office einrichtet, hat sie „Kontakt-online” verraten.
Es gibt nur eine Frage, über die die gebürtige Dresdnerin ungern in der Öffentlichkeit spricht. Ihr Motiv der Studienfachwahl Bachelor Molekulare Biotechnologie an der TUD hatte sehr persönliche Gründe. Nadine Schmieder-Galfe verschrieb sich als Abiturientin der Krebsforschung. „Ich hatte in jungen Jahren mehrere Verstorbene zu betrauern. Ich werde so lange dafür arbeiten, dass nicht mehr so viele ihre Angehörigen verlieren – das ist mein Antrieb“, erklärt sie. „Mein Vater, von Beruf Elektriker, hätte mich gern im sicheren Diplom-Zahnarzt-Studiengang gesehen. Wir hatten einige Diskussionen. Aber als er später in der Zeitung einen Artikel über das Studienfach las, war er überzeugt, dass ich mich richtig entschieden hatte.“
Gut im Trend-Erschnüffeln
18-jährig nahm sich Nadine Schmieder-Galfe vor, mitzuhelfen „Biotechnologie in Sachsen groß zu machen“. Der ab 2002 neue Bachelor Molekulare Biotechnologie an der TU Dresden reizte sie, obwohl sie „noch keinen Schimmer hatte, was das bedeutete.“ Nach dem Abschluss arbeitete sie zunächst im Labor bei Dr. Johannes Siemens. Bei dem Pflanzenphysiologen lernte sie, frei zu denken. „Manchmal hat er mich wahnsinnig gemacht, aber heute bin ich ihm sehr dankbar, ich gebe meine Kurse heute genauso wie er“, lacht sie. Auch sein Käsefrühstück hinterließ Spuren: „Ich mache heute noch gern Besprechungen beim Essen“, schmunzelt Nadine Schmieder-Galfe. Um noch mehr von der menschlichen Biologie zu verstehen, absolvierte die Dresdnerin ab 2008 den internationalen Master in Molecular Bioengineering, auch an der TUD, und ist noch heute stolz, bei und von dem „Urvater“ der Biotechnologie, Professor Kai Simons gelernt zu haben: „Er fragte uns, was wir ändern würden und interessierte sich für uns, statt zu dozieren. Die Lehre war sehr interaktiv.“
Ziel: Schnittstelle Forschungstransfer
Mit der Tatsache, dass sehr viele Forschungsergebnisse nach der wissenschaftlichen Veröffentlichung in Schubladen verschwinden, nicht weiterentwickelt und in Form von neuen Medikamenten, Therapien oder Diagnostika zurück in die Gesellschaft gebracht werden, wollte sich die Biotechnologin nicht abfinden. Sie beschloss: „Diese Schnittstelle will ich besetzen.“ Um dafür mehr Grundlagenwissen zu erwerben, belegte sie - statt zu promovieren – ab 2009 berufsbegleitend den DIU-Masterstudiengang Wirtschaft und Recht. Tagsüber arbeitete sie in Vollzeit im Bereich Forschungsmanagement am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD). „Der MBA war eigentlich für Juristinnen und Juristen bzw. Wirtschaftlerinnen und Wirtschaftler und nicht für Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler konzipiert. Aber ich wollte lernen, was bei Firmenentwicklungen zu beachten ist. Und da braucht man neben einem Verständnis für die Technologie eben juristische und wirtschaftliche Kenntnisse.“ Zwei Professoren hinterließen hier bei ihr nachhaltige Eindrücke – der Wirtschaftsrechtler Professor Dr. Hans-Eric Rasmussen-Bonne und der Verhandlungstechnik-Experte Dr. Remigiusz Smolinski. Als bekennender Zahlenmensch schrieb sie ihre Abschlussarbeit bei Deutschlands größtem Frühphaseninvestor, dem High-Tech Gründerfonds (HTGF) in Bonn.
steep-learning und Tonnen Fachvokabular
Mit nunmehr drei akademischen Abschlüssen und vielfältigen praktischen Erfahrungen war das Lernen im Jahr 2012 für Nadine Schmieder-Galfe noch lange nicht vorbei. „Alles Gelernte war essenziell“, resümiert sie heute und erklärt: „Ohne vertiefte Biotechkenntnisse würde ich nicht verstehen, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu mir kommen und mir von ihren Geschäftsideen erzählen, die meist zunächst reine Technologieideen sind. Ich musste erst deren Sprache lernen. Life Science läuft im Prinzip ausschließlich englisch, mit Tonnen von Fachvokabular! Erst dann konnte ich mit dem Vokabelschatz der Wirtschaft und Rechtswissenschaft helfen, die Wissenschaft im Sinne des Wissens- und Technologietransfers zu verwerten. Das war eine steep-learning-Kurve.“
„Einfach machen!“
Mit internationalen Forscherinnen und Forschern zu arbeiten fasziniert Nadine Schmieder-Galfe bis heute. „Einfach machen!“, lässt sich ihr Credo zusammenfassen. Drei Jahre lang hat sie an der TUD-Wirtschaftsfakultät ein internationales EU-Projekt geleitet, in dem sie von erfahrenen Partnern wie beispielsweise dem Imperial College lernen durfte, wie erfolgreicher Technologietransfer funktioniert. Um nach rechts und links zu gucken, ging sie außerdem für ein Jahr an die Freie Universität nach Brüssel, arbeitete am Leibniz-Zentrum für Marineforschung in Bremen, um nur einige Stationen zu nennen. Seit zehn Jahren hält sie Vorlesungen und Workshops an der TU Dresden zum Thema Technologietransfer, Patente und Entrepreneurship. Während sie in einer Forschungsgruppe Knochenkrebs am Uniklinikum Dresden unter Leitung von Professor Lorenz Hofbauer arbeitete, gründete sie 2015 nebenberuflich mit vier Biophysikern ihr eigenes Unternehmen ZELLMECHANIK DRESDEN GmbH. Die TUD-Ausgründung produziert und vertreibt weltweit ein Forschungsgerät, das mechanische Eigenschaften biologischer Zellen – wie zum Beispiel deren Weichheit in Echtzeit – erkennt. Durch das Verfahren lässt sich beispielsweise minutenschnell feststellen, ob bestimmte Medikamente wirken. Der Freistaat Sachsen zeichnete Nadine Schmieder-Galfe dafür im Jahr 2017 mit dem Sächsischen Gründerinnenpreis aus. Seit 2020 unterstützt die Biotechnologin und Wirtschaftsjuristin hauptberuflich eine zweite TUD-Ausgründung. In der DyNAbind GmbH war sie lange für das Marketing zuständig, seit Mai 2022 ist sie Direktor Operations [sic]. Sie erklärt: „DyNAbind hilft Pharmaunternehmen dabei, neue Medikamente schneller und effizienter zu entwickeln." In beiden Firmen der Dresdner Johannstadt sind fast ausschließlich TUD-Alumni beschäftigt.
„Gründen ist nicht risikoreicher als das Leben an sich“
Nadine Schmieder-Galfe, die ihr erstes eigenes Unternehmen in einer Summer School entwickelte, hat zwischenzeitlich vielen Start-ups ins Leben geholfen. Ohne dafür Anteile zu erwerben. „Mir geht’s ums Warum und den Impact, der durch die neuen Unternehmen geschaffen wird“, sagt sie. „Ich möchte das Beste für die Unternehmen. Sie sollen gut, schnell und sicher gründen. Wenn ich beteiligt bin, bin ich zeitlebens dafür verantwortlich.“ Das binde trotz guter Organisation (zu) viel Energie. Ihren Teams ist sie dankbar, dass sie alle Verpflichtungen vereinen kann. Einen Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit macht die leidenschaftliche Motorradfahrerin und Ostasienkennerin dabei nicht: „Meine Motivation gilt immer bei allem, was ich mache - ich setze um, wenn mir etwas einfällt.“ Und sie achtet auf ausreichend Schlaf, Sport und Bewegung. Ein gerade gekauftes Boot will sie zum Boot-Office umfunktionieren, das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Und umgekehrt.
Momentan freut sie sich darauf, dass „ihre“ Summer School nach zwei Jahren Pause in diesem Jahr wieder an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden stattfinden wird. „Natürlich ist Gründen und Selbstständigkeit mit großen Risiken verbunden“, sagt sie. „Aber Entrepreneurship fetzt! Das Leben als solches ist ein Risiko und Unternehmertum ist nicht risikoreicher als das Leben an sich.“ Dafür vernetzt sie gern weiterhin angehende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Jungunternehmerinnen und -unternehmer mit wichtigen Kontakten.
Kontakt:
Nadine Schmieder-Galfe
Director Operations
DyNAbind GmbH (HRB 36586, AG Dresden)
Tatzberg 47
01307 Dresden
Web
LinkedIn-Profil