Über Geld zu sprechen ist eine Vertrauensfrage
(interviewt im Jahr 2022)
Dagmar Möbius
Unternehmertum faszinierte Christian John schon im Studium. Heute unterstützt er finanziell gründungswillige Menschen mit innovativen Ideen. Als Investmentmanager berät und begleitet der Wirtschaftswissenschaftler sächsische Start-ups. Dabei hält der gebürtige Thüringer wenig vom deutschen Sicherheitsdenken und freut sich auf jeden Montagmorgen.
In der Schulzeit reizte es Christian John dank eines sehr prägenden Lehrers, Geschichte zu studieren. „Ich konnte schon immer gut mit Zahlen umgehen, aber sprachlich bin ich leider weniger begabt“, erzählt der 36-Jährige. Ohne Latein wählte er deshalb ein Geschichtsstudium ab und absolvierte nach Abitur und Wehrdienst ab 2005 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Postbank in Hannover, die durch die Frankfurt School of Finance & Management betreut wurde. Ab 2008 arbeitete er kurz im Privatkundengeschäft bei der Commerzbank in Thüringen und stellte fest: „Das möchte ich nicht bis zur Rente machen.“ Die Finanzkrise in den USA bekräftigte seinen Entschluss, ein Studium in Vollzeit zu beginnen. Von 2008 bis 2012 studierte Christian John Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationales Management an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, inklusive eines Auslandssemesters an der englischen University of Hull. „Am meisten interessierte mich, wo alle Bereiche des BWL-Studiums im Unternehmen ihren Anfang nehmen.“ In seiner Bachelorarbeit befasste er sich deshalb mit Start-ups, die direkt nach der Gründung auf internationalen Märkten agieren.
Für den Master of Science in Betriebswirtschaftslehre wechselte er 2012 an die TU Dresden: „Ich wollte noch mal eine andere Stadt kennenlernen, die TUD hat einen guten Ruf, der Bewerbungsprozess war unkompliziert und Dresden ist natürlich eine sehr schöne und lebenswerte Stadt mit einem reichhaltigen Angebot an Freizeit- und Kulturaktivitäten.“ Zudem fand er am Lehrstuhl für Entrepreneurship & Innovation ideale Bedingungen vor. Rückblickend eine Entscheidung, die Christian John nie bereute. Konkret: „Das Studium war abwechslungsreich. Es bestand nicht nur aus Klausuren und profanem Auswendiglernen. Gerade in meinem Schwerpunkt hatten wir viele Blockseminare, Workshops, Projektgruppen und Seminararbeiten sowie kleine Praktika rund um die Themen Unternehmensfinanzierung, Technologiemanagement und Marketing. Davon profitiere ich heute noch.“ Ab dem zweiten Master-Semester rief er mit Kommilitoninnen und Kommilitonen die studentische Gründungsinitiative GründerGarten ins Leben. Inzwischen als gemeinnütziger Verein agierend, bietet der GründerGarten damals wie heute gründungsinteressierten Studierenden einen Anlaufpunkt und ein Netzwerk.
Direkt nach dem Studium stieg Christian John als Investment Project Manager ein, zunächst bei der German Startups Group Berlin, danach arbeitete er für knapp zwei Jahre im Business Development bei Houzz, einer amerikanischen Online-Plattform für Bau-, Einrichtungs- und Renovierungsprojekte. 2018 kehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die TU Dresden zurück, um im Projekt TRAILS zu arbeiten. Das mit Containern reisende Innovationslabor sollte in der sächsisch-polnischen Grenzregion den Gründergeist junger Talente wecken, und konnte Anfang 2019 sogar den Preis als „Flaggschiffprojekt des gemeinsamen Zukunftskonzepts“, verliehen vom Bundesinnenministerium sowie dem Wirtschaftsministerium Polen, gewinnen.
Seit Juli 2019 ist er als Investmentmanager bei der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Sachsen (MBG) und beim Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) tätig. Dabei fungiert die MBG als Managementpartner des Wagniskapitalfonds. „Normale Investmentfonds werben ausschließlich Geld von privaten Investoren ein, das für acht bis zehn Jahre eingelegt wird und von dem sich Finanziers (sogenannte Limited Partners) aufgrund des hohen Risikos eine hochverzinste Rückzahlung erhoffen“, erklärt Christian John. „Der TGFS investiert aus Mitteln des Freistaats Sachsen und privatem Kapital (also eine Public-Private Partnership) ausschließlich in Unternehmen, die in Sachsen beheimatet sind, sich etablieren, Arbeitsplätze schaffen, wachsen und im Bundesland bleiben sollen. Funktioniert der Kreislauf, fließt das investierte Geld langfristig zurück in den Freistaat Sachsen.“
Der TGFS hat keinen Branchenfokus. Unternehmen, in die investiert wird, müssen einen hohen Innovationsgrad und eine hohe Skalierbarkeit haben. Um das einschätzen zu können, benötigt der Investmentmanager möglichst viele Informationen. „Wir müssen die Nase immer am Markt haben“, lacht er. Über Geld zu reden sei auch für viele Gründer zunächst „ein verruchtes Thema“, aber: „Wenn man nicht darüber spricht, behindert man sich. Über Finanzen zu sprechen ist eine Vertrauensfrage. Man muss als Gründer viel darüber reden, wenn man eine tolle Geschäftsidee hat und dafür Geld braucht, also sprechen auch wir viel mit den Gründern.“ Christian John spricht von „wir“, denn auch, wenn er sein Gefühl für den Markt erst entwickeln musste, werden Investitionsentscheidungen immer im Team getroffen, bevor sie dem Investmentkomitee des TGFS vorgestellt werden.
In eine neue Bäckerei würde er nicht investieren. Es sei denn, sie hätte eine innovative Technologie für eine Backstrecke entwickelt, kann damit skalieren oder die Technologie lizensieren. Erfolgreich investiert wurde beim TGFS beispielsweise in Arioso Systems, ein sächsisches Start-up, das Minikopfhörer entwickelt und hergestellt hat. Es wurde kürzlich von Bosch übernommen. Christian John wundert das nicht: „Da waren Menschen dabei, die schon andere Unternehmen gegründet und erfolgreich verkauft hatten. Das zeigt, dass sie es können.“ Er betreut die jungen Firmen durchschnittlich drei bis fünf Jahre. Einheitliche Vorgaben gibt es nicht. Wenn – wie bei Arioso – ein strategischer Investor kommt, kann eine Betreuung kurz sein. Etwa zwei Drittel seiner Arbeitstage verbringt er mit Portfoliomanagement, den Rest mit potenziellen Neuinvestitionen und administrativen Aufgaben.
Reizt den Investmentmanager eine eigene Gründung? Christian John sagt: „Mein derzeitiger Job macht mir sehr viel Spaß, es ist fast schon mehr eine Berufung als Beruf.“ Zudem sind Gründungswillige statistisch um die 40 Jahre alt. „Ich habe also noch Zeit“, lacht er. Sollte es eine marktfähige Idee geben, will er gute und vertrauenswürdige Co-Gründerinnen und Gründer finden und ein diverses Team zusammenstellen. Warum? „Diverse Gründungsteams sind erfolgreicher.“ Angst vor dem Scheitern hält ihn nicht ab. „Es ist gut zu wissen, was nicht geht“, sagt er. „Scheitern bringt Erfahrung und man wird jedes Mal schlauer.“ Das deutsche Sicherheitsdenken hält er nicht für gründungsförderlich. „Viele denken, wenn sie für den Traum eines anderen arbeiten, sind sie sicher. Sicherheit sollte man anders verstehen. Wenn man frei entscheiden kann, ist das eine andere Denkart“, sagt er. Deshalb freut er sich auf jeden Arbeitsbeginn am Montagmorgen.
Seine Kontakte zur wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der TUD sind berufsbedingt sehr eng, zum Beispiel für Kooperationen bei Abschlussarbeiten und Promotionen. Zudem fungieren Christian John und seine Kollegen, darunter auch frühere Kommilitonen, regelmäßig als Jurymitglieder oder Praxispartner für bestimmte Seminare.
Kontakt:
Christian John
Investment Manager
TGFS – Technologiegründerfonds Sachsen Basic GmbH & Co. KG
MBG Sachsen – Mittelständische Beteiligungsgesellschaft mbH
Telefon: +49 151-534 29 853
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