Von Privatgärten und Autobahnbegrünung
(porträtiert im Jahr 2011)
Dagmar Möbius
Sie wäre gern Tierärztin geworden. Dass sie dann doch Landschaftsarchitektur studierte, beruhte auf familiärer Inspiration. Auch wenn sie eine der wenigen promovierten Landschaftsarchitekten ist, meint Dr. Grit Heinrich: „Einen Namen macht man sich durch seine Arbeit.“
Auf dem Schreibtisch in ihrem Radebeuler Büro stehen Dutzende Aktenordner. „Das sind nur die laufenden Projekte“, erklärt Dr. Grit Heinrich. Zwischen zehn und 15 Projekte betreut die freiberufliche Garten- und Landschaftsarchitektin gleichzeitig. „Ja, es ist manchmal ein Kunststück, alles im Blick zu behalten", gibt sie zu, „aber kritisch wird es erst, wenn mehrere Baustellen auf einmal kommen.“ Praktikanten und Absolventen wundern sich nicht selten, was alles parallel zu tun ist.
Dass Grit Heinrich Landschaftsarchitektur studierte, war nicht ihre erste Wahl. Gern wäre sie Tierärztin geworden. Doch aus gesundheitlichen Gründen wurde nichts daraus. Auf der Suche nach einer Alternative inspirierte sie der Vater, der einst in Polen Gartenarchitekt studiert hatte. „In der 11. Klasse beschäftigte ich mich mit dem Fach“, blickt die gebürtige Leipzigerin zurück. Mit Erfolg. Die eintägige Eignungsprüfung an der TU Dresden (TUD) bestand sie. „Wir mussten Gegenstände und Pflanzen Freihandzeichnen und einen schriftlichen Wissenstest á la Pisa, bei dem es unter anderem um praktisches und räumliches Vorstellungsvermögen ging, sowie ein Eignungsgespräch absolvieren.“
Bevor das Studium nach dem mit „Sehr gut" abgeschlossenen Abitur starten konnte, arbeitete die heute 47-Jährige beim Dresdner VEB Grünanlagen und qualifizierte sich in einem Jahr zum Facharbeiter für Grünanlagen. „Ohne einen Beruf wäre ich nicht ins Studium gegangen“, begründet sie, „man eignet sich wichtige Fähigkeiten an und es war sicherer.“ Rückblickend sagt sie: „Das war gut, denn wir wussten, wie man einen Spaten hält, was mancher Strich auf dem Papier bedeutet und wie es sich durch alle Jahreszeiten draußen arbeitet.“
Von 1982 bis 1987 studierte Dr. Grit Heinrich an der TUD Landschaftsarchitektur. „Ein klar strukturierter Studiengang, der uns beibrachte, Probleme komplex zu betrachten, vom Großen ins Kleine zu gehen und alle Bedingungen, die auf eine Aufgabe hinweisen, zu beachten“, resümiert sie.
Die Selbstverständlichkeit, Faktoren wie Boden, Wasser, Klima, Pflanzen zu bedenken, bevor in die Gestaltung gegangen wird, helfe ihr heute, viele Fachrichtungen koordinieren zu können. Die in den ersten zwei Studienjahren besuchten Vorlesungen in Forstwissenschaft, Bauingenieurwesen, Architektur, Chemie oder Informatik legten die Grundlagen. Bei Professor Siegfried Sommer, einer für sie „absoluten Koryphäe für Pflanzenkenntnis und -verwendung“ lernte sie viel und intensiv. Auch an ihren Institutsleiter Professor Harald Linke, ihren Jahrgangsleiter Professor Helmut Trauzettel oder ihren Doktorvater Professor Werner Hempel denkt sie dankbar zurück. „Das Studium war sicher im Vergleich zu heute verschult und eine harte, aber extrem gute Schule“, urteilt sie, „wäre es lockerer gewesen, hätten wir es nicht in den fünf Jahren geschafft.“ Aufgeben kam nie in Frage. Auch wenn manche Belege in Nachtschichten entstehen mussten.
Nach dem Diplom schloss Grit Heinrich ein Forschungsstudium an der TUD an. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Hendrikje Becker untersuchte sie, wie sich Landschaften mittels Relief und Flächennutzung in der Landschaftsplanung ausführlich beschreiben und bewerten lassen. Mit dem Ende des Forschungsstudiums kam die politische Wende und mit ihr einige Verwirrung: „Bis wir unsere Dissertation verteidigen konnten, dauerte es sieben Jahre“, berichtet Dr. Grit Heinrich. „Die TUD hat für uns gekämpft – einige waren der Meinung, Landschaftsarchitektur habe es in der DDR nicht gegeben. Vielleicht war es auch Trotz, dass wir das durchgezogen haben“, sinniert sie schmunzelnd. In der Branche gibt es nur wenige Promovierte. Im täglichen Wettbewerb bringe der Doktortitel allerdings keine Vorteile, bei Behörden manchmal. „Einen Namen macht man sich durch die Arbeit“, meint die Einzelkämpferin.
Relativ schnell entschloss sie sich zur Selbständigkeit, nach wenigen, meist unbefriedigenden Bewerbungsversuchen. Zunächst war sie bei ihrer Promotionskollegin angestellt. Nachdem positiv geprüft war, ob nach dem Forschungsstudium eine Kammereinschreibung möglich war, arbeitete sie mit ihrer Kollegin Hendrikje Becker von 1990 bis 1998 in einem Büro. „Wir hatten Glück, relativ früh einen Auftrag zur Flächennutzungs- und Landschaftsplanung in der Lausitz zu bekommen.“ Nach der Geburt ihres Sohnes 1991 arbeitete Dr. Grit Heinrich ein halbes Jahr von zu Hause, später stundenweise wieder im Büro. „Ich kann nicht behaupten, in den ersten drei Jahren Geld verdient zu haben“, konstatiert sie, „ohne familiäre Rückendeckung wäre es nicht gegangen.“
Doch zu tun hatte sie immer. 1999 gründete sie ihr eigenes Büro in Radebeul und agiert in einem Kollegen-Netzwerk, beispielsweise mit einem Zeichenbüro und einem Tiefbaubüro. „Richtig ernst war es zum Glück nie“, sagt sie, auch wenn es Zeiten gab, in denen sie langfristig nicht wusste, wie es weitergehen soll. „Das hängt mit meiner Philosophie zusammen: ich arbeite ohne Kredite und viel mit freien Mitarbeitern.“ Richtig sicher könne man sich nie sein, einen Anspruch auf Projekte gebe es nicht.
Sie plant, gestaltet und betreut „vom kleinen Privatgarten über Krankenhaus-Gelände bis zur Autobahnbegrünung alles.“ Die Landschaftsarchitektur biete viele Möglichkeiten, auch wenn die Bauvolumen kleiner als bei Architekten sind und viel häufiger neue Projekte angesagt sind. Die Objektplanung mehrerer Projekte am Sächsischen Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Arnsdorf hat sie verantwortet, ebenso die Objektplanung und Bauüberwachung der Kindertagesstätte Zehren, die Freianlagen des Julius-Ambrosius-Hülße-Gymnasiums in Dresden-Reick und des Landesgymnasiums für Musik in Dresden sowie für das Dresdner Institut für Musikermedizin oder die Wettbewerbsauslobung und -begleitung des Skateparks an der Dresdner Lingnerallee. Viele Jahre war sie zudem für die Bauüberwachung der Begrünung an Teilabschnitten der sächsischen Autobahnen zuständig. Eine nur vermeintlich einfache Sache, da teilweise schwierige Standortbedingungen berücksichtigt werden mussten. „Es geht nicht nur darum, einen Baum zu pflanzen“, fasst sie zusammen. Zurzeit gestaltet sie den letzten der vier Höfe der Burg Stolpen, auch ein mehrjähriges Projekt.
Bau- und Naturschutzrecht nennt sie als Steckenpferd, auch weil das Umwelt- und Baurecht immer schwieriger geworden sei. Blickt sie auf ihre 20-jährige Freiberuflichkeit zurück, würdigt sie den Vorteil, „gemeinsam mit den Behörden gelernt und angefangen zu haben“. Junge Kollegen hätten es heute oft schwerer, weil sie in ein etabliertes System kommen und vorausgesetzt wird, dass sie alles 100prozentig beherrschen.
Selbst zu lehren, ist für Dr. Grit Heinrich jedoch keine Option. „Dafür bin ich zu sehr Praktikerin“, lacht sie und beugt sich wieder über einen Bau-Plan der Burg Stolpen.
Kontaktdaten:
Dr.-Ing. (TU) Grit Heinrich
Freie Garten- u. Landschaftsarchitektin
Landschaftsarchitekturbüro
Clara-Zetkin-Straße 2a
01445 Radebeul
Tel.: 0351 853830
E-Mail: Dr. Grit Heinrich