Die kritische Zeit 1952
Das war 1952, da war eine sehr kritische Zeit, und die Verantwortlichen in der so genannten DDR redeten immer von Einheit. Deshalb hatten sie auch die Studenten eingeladen.
Die Halbschwester von Adolf Hitler, Angela Raubal, geb. Hitler, war in zweiter Ehe mit dem Professor Martin Hammitzsch, dem Erbauer der „Yenidze“, verheiratet. Das Ehepaar hatte in Dresden in der Comeniusstraße eine geräumige Villa. Der Professor hat sich 1945 umgebracht. Hitlers Halbschwester zog von Dresden weg und nannte sich wieder Hitler. Diese Villa war später der Sitz des Kulturbundes Deutschland in Dresden.
Hier muss man erklären, was Kulturbund Deutschland ist. Mit den Sowjets – wir nannten sie Russen – kam 1945 Walter Ulbricht. Ulbricht war Organisator, der Sozialismus war für ihn eine vollkommene Nebensache. Um seine Herrschaft zu erweitern und zu festigen, hat er Organisationen und Parteien erfunden, die immer von Kommunisten beherrscht wurden.
Ein besonderes Beispiel ist die NPD, Nationaldemokratische Partei Deutschlands. In dieser Partei sollten die angeblich unbelasteten Nationalsozialisten und rechten Kreise gesammelt werden. Der Gründer war Lothar Bolz, der erste Außenminister der DDR. Lothar Bolz war bis 1933 in Gleiwitz hoher KPD-Funktionär. Die Gestapo stürmte 1933 das Lokal, Lothar Bolz türmte über die Hintertür in die Sowjetunion. Ähnlich wie bei der NPD (aber nicht gleich) war es beim Kulturbund Deutschland. Dort sollte eine sehr schwer kontrollierbare Gruppe gesammelt und überwacht werden. Als Künstler war es notwendig, dass man Mitglied des Kulturbundes war. Nur so bekam der Schauspieler eine Anstellung, der Schriftsteller eine Druckgenehmigung für seinen Roman. Dieser Kulturbund hatte den Status einer Partei und war als solcher als Fraktion in der Volkskammer vertreten. So weit ich mich erinnere, war Baron von Ardenne – Mitglied der Volkskammer – Vertreter des Kulturbundes. Dieser Kulturbund diente im Jahre 1952 als Feigenblatt in Richtung Westdeutschland. Studenten aus Westdeutschland wurden in die Ostzone eingeladen und sollten die Errungenschaften der DDR kennen lernen.
Ich war ein umtriebiger Typ und sonderte mich von meinen Kollegen ab. So kam es, dass ich zu einer Veranstaltung des Kulturbundes Deutsch- Zeitzeugen eingeladen war. In einem „Saal“ dieser Villa waren ca. 35 Personen, alle aus Westdeutschland. Sie kamen von der Universität Münster und von der Universität Frankfurt am Main. Der Vorsitzende dieser Veranstaltung war ca. 50 Jahre alt und hieß Kneschke.
Kneschke führte aus, wie frei die Presse in der DDR sei. Die Studenten diskutierten und kritisierten den Vortrag, hatten sich Zeitungen gekauft und zeigten auf, dass alles in der Presse eine Einheit sei und die Lenkung der Presse hier über Zensur erfolgt. Ich meldete mich zu Wort und unterstützte die Kritik und die Langeweile, die die Zeitungen verbreiteten und dass die Zeitungen von der Bevölkerung nicht gelesen werden. Es wurde unruhig im Saal. Kneschke erwiderte, dass sie nicht genügend Zeitungen liefern können. Worauf ich antwortete, dass die Leute auch manchmal ein Stück Papier brauchen.
Kneschke erkundigte sich bei mir, wo ich studiere und ob ich Arbeiter-Student sei. Ich stellte mich als Student der TH in Dresden vor. Darauf erwiderte Kneschke: „Da werden wir uns einmal mit Ihnen beschäftigen.“
Ein Hexenkessel im Keller der Villa wie zu Adolf Hitlers Zeiten im Münchner Hofbräuhaus, jetzt hier im Keller von Hitlers Schwester. Alle redeten durcheinander und versuchten sich Gehör zu verschaffen. Einer stürmte nach vorn auf das Podium, wo noch zwei weitere Personen saßen, die jetzt aber auch standen. Ruhe: Einer der Studenten meldete sich als Redner: „Jetzt haben wir selbst erlebt, dass die kleinste Kritik tödlich ist.“ Unser Kneschke antwortete: „Bei uns ist Kritik erlaubt, ja, Kritik sogar erwünscht. Ich habe nicht gesagt, dass diesem TH-Studenten etwas passiert.“ Die westdeutschen Studenten erwiderten: „Sie haben diesem Studenten gedroht.“ Das vorgegebene Thema war vergessen. Nur noch ich, der TH-Student, war in der Diskussion. Kneschke musste schließlich die Veranstaltung abbrechen. Im Beisein von Kneschke gaben die westdeutschen Studenten mir ihre Adresse und sagten, ich solle mich alle 14 Tage bei ihnen und zwar immer bei einer anderen Person melden, ob ich noch vorhanden wäre.
Es war Monatsende. In der Villa von der TH wurde das Stipendium ausgezahlt. Ich ging dorthin und legte meinen Ausweis vor. Mir wurde erklärt, dass mein Stipendium gesperrt ist. Ich redete mit Hans Kaschade, meinem Studien- und Semesterkollegen. Hans nimmt mein Vorbringen schweigend auf.
Der zweite wichtige Mann war Joachim Münch. Er war zu DDR-Zeiten Admiral der Volksarmee und in unserem Semester eigentlich unser Parteisekretär. Damals gab es aber so etwas nicht. Wir haben ihn aber als solchen angesehen. Ich hörte nichts, ich bekam nichts. Schließlich – nach 14 Tagen – ging ich wieder in die Stipendium-Villa. Mir wurde das Stipendium ausgezahlt. Ich traf Joachim Münch, der mir beiläufig sagte: „Du hast dir wieder mal ein Ding erlaubt. Wir hatten sehr große Mühe.“
Es passierte nichts.
Recherchiert:
1936 kam es zum Bruch zwischen Adolf und Angela und diese verließ samt ihrer Tochter Berchtesgaden und zog nach Dresden, wo sie einen Professor Hammitzsch heiratete. Angela Raubal geb. Hitler, eine Schwester des Führers, war in zweiter Ehe mit dem Direktor der Dresdner Bauschule, Martin Hammitzsch, verheiratet. Seine Schule lag dem Hauptstaatsarchiv benachbart, dem Posses Vater, Geheimrat Posse, als Direktor vorgestanden hatte.