Drei Episoden
Der „Wilde Mann"
Auf der Fahrt mit der Straßenbahn zum Neustädter Bahnhof hatte ich mir das Straßenbahnschild „Wilder Mann“ angeeignet und hoffe, dass dieser „Diebstahl" inzwischen juristisch verjährt ist. Das Schild ist immer noch in meinem Besitz (s.o.). In dem Dorf des Ernteeinsatzes im Nordwesten von Mecklenburg trug ich dieses Schild an einem Strick um den Hals. Den Dorfbewohnern wurde erklärt, dass ich dieses Schild tragen müsse, da ich ein gefährlicher „Wilder Mann" sei. Alle Dorfbewohner begegneten mir mit großer Vorsicht, aber auch Respekt. Sogar auf einem Pferd durfte ich die Ernte einbringen.
Die gestohlenen Lohrmann-Medaillen
Es muss wohl in den Jahren 1957 und 1958 gewesen sein. Magnifizenz war Herr Prof. Pommer, von der Fakultät Elektrotechnik. Als Maschinenbauer, Fachrichtung Kraftfahrzeuge, kannte ich ihn natürlich nicht. Ein Semester jeder Fakultät umfasste damals 400 bis 600 Studenten und wir hatten ja unsere „eigenen" Professoren. An Faschingsdienstag zogen wir zu fünft als Seeräuber verkleidet durch ein Nebengebäude der Mensa und landeten vor einer Tür, hinter der gesungen und gelacht wurde. Wir klopften an und wurden hereingebeten. Da sich in der Runde nur zwei Herren, aber vier bis sechs Frauen befanden, waren wir sehr willkommen. Als sich dann beim Umtrunk herausstellte, dass wir bei „Magnifizenz" gelandet waren, wären wir fast in den Erdboden versunken. Die Sekretärin von Magnifizenz, wir nannten sie „Sternchen", weil sie ein schönes schwarzes Kleid mit goldenen Sternen trug, bat uns aber zu bleiben. Es war also eine fröhliche Runde geworden und zum Abschied wurden wir für das nächste Jahr wieder eingeladen. Wir nahmen die Einladung dankend an und im nächsten Jahr haben wir tatsächlich wieder zusammen gefeiert. Im Laufe des Nachmittags, wir hatten schon einen ganz schönen Alkoholspiegel, ging ich dann in das Amtszimmer von Magnifizenz, zog mir Talar und Kappe an, hangelte mich aus dem Fenster der ersten Etage an der Dachrinne nach unten und kam dann über den Hauseingang wieder zu den Feiernden zurück. Alle waren ziemlich erstaunt ob des neuen „Rektors", aber Ärger gab es nicht. Ich zog natürlich den Talar gleich wieder aus, habe aber bei dieser Gelegenheit sechs Lohrmann-Medaillen eingesteckt, es lagen ja sehr viele im Wandschrank. Diese Medaille aus braunem „Böttger-Porzellan“ aus Meißen war damals die höchste Auszeichnung der TH Dresden, wurde aber wohl später abgeschafft, da Herr Lohrmann dem Regime etwas suspekt war. Heute gibt es sie wieder. Der Clou war nur, dass ich dann abends zur Faschingsfeier der Studenten in der Mensa meinen fünf Kommilitonen die Lohrmann-Medaille „verliehen" habe. Ich glaube, jeder, so wie ich, hat sie auch heute noch und hoffe, dass mir „Magnifizenz", so er noch lebt, verzeiht. Dieser Vorgang ist nicht frei erfunden, die Zeitzeugen leben noch.
Mit der MZ durch den Zeuner-Bau
Alle Studenten haben damals den Vorlesungsabschluss gebührend gefeiert. Wir hatten uns etwas Besonderes einfallen lassen. Von fünf Motorrädern hatten wir den Auspuff abgeschraubt und sind damit durch den „Zeuner-Bau", dem Domizil der Maschinenbauer, gefahren. Auf meiner 250er ES saßen vier Personen: Einer auf dem Tank, dann ich auf dem Fahrersitz, ein Dritter auf dem Sozius und der Vierte auf dem Gepäckträger. Wir waren mit höllischem Lärm fast eine Runde unter dem Applaus der jüngeren Studenten gefahren, da stellte sich mir ein großer kräftiger Mann in den Weg, beinahe hätte ich ihn umgefahren. Es war Prof. Koloc, der damalige Dekan der Fakultät Maschinenbau. Er sagte: „Ich mache von meinem Hausrecht Gebrauch und verweise Sie des Hauses und werde Magnifizenz informieren". Davor hatte ich nun keine Angst, denn wir hatten beste Verbindungen zum Rektor (s.o.). Auf dem Weg zur Mensa wurde unser Konvoi bejubelt und der „Zerberus" der Mensa, der uns immer die Skatkarten weggenommen hatte, öffnete uns bereitwillig die Tür zur Durchfahrt durch die Mensa. Vorher hatte uns „Sternchen" zugewunken, sie hatte den Anruf von Prof. Koloc erhalten und wusste gleich, um wen es sich nur handeln konnte. Dann wurde noch ordentlich gefeiert, und die Vorlesungen mit dem „Wahlspruch" der Studenten beerdigt.
Diese Episoden sollen dokumentieren, dass wir damals, trotz des schweren Studiums, das Feiern nicht vergessen hatten, wenn auch die Streiche etwas heftig, aber dafür einmalig waren.
Abschließend möchte ich noch bemerken, dass sich die Zimmerkollegen von damals jährlich trafen. Übertroffen wird diese Anhänglichkeit und das Zusammengehörigkeitsgefühl nur noch von unserer Seminargruppe, der damaligen SG 6. Seit 1960 treffen wir uns, bis auf ganz wenige Ausnahmen, jährlich mit unseren Familien. Wir waren schon bis zu 57 Personen, also Ehefrauen, Kinder und Enkelkinder eingeschlossen, denn unsere Seminargruppe bestand ja „nur" aus 22 Personen und alle sind ganz selten beisammen. Unseren Schlachtruf: „Gamma a, Gamma a, Gamma" und die jährlichen Treffen wollen unsere Kinder und Enkelkinder übernehmen und fortführen, das haben sie uns hoch und heilig versprochen.