Dresdner Dozenten an der Tongji-Universität China
Im Rahmen dieser Veröffentlichungsreihe des Universitätsarchivs konnte für nachstehenden Artikel Prof. Li Lezeng vom Institut für Deutschlandstudien der Tongji-Universität gewonnen werden.
Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zur Gründung der ersten deutschen „Propagandaschulen“ in China. Unter ihnen befanden sich im Jahr 1907 die Deutsche Medizinschule und 1912 die Deutsche Ingenieurschule. Beide Schulen waren in Shanghai ansässig und entwickelten sich später zur Staatlichen Tongji (Tung-Chi)-Universität. Die traditionelle deutschsprachige Ausbildung und der vorwiegende Einsatz deutscher Dozenten blieben bis Ende der 1930er Jahre unverändert erhalten.
Durch umfangreiche Recherchen in verschiedenen Archiven, konnte inzwischen ermittelt werden, dass insgesamt sieben deutsche Dozenten vor oder nach ihrem Aufenthalt in Shanghai an der TH Dresden tätig gewesen waren. Über diese „Dresdner“ konnten die nun folgenden Informationen zusammengetragen werden.
Dipl.-Ing. Bernhard Berrens leitete seit April 1912 die Gründung und den Aufbau der Deutschen Ingenieurschule in Shanghai. Bis 1915 wurden unter seiner Führung die Fächer Elektrotechnik, Maschinenbau, Bauingenieurwesen und eine untergeordnete Gewerbeschule eingerichtet.
Während des Ersten Weltkriegs wurde die Deutsche Medizin- und Ingenieurschule von den Chinesen übernommen. Die deutschen Dozenten mussten aus diesem Grund China verlassen. Erst im Jahr 1921 war es Berrens möglich, nach Shanghai zurückzukehren.
Dank seiner guten Beziehungen zur deutschen Industrie wurde die inzwischen zur Tongji-Technische Hochschule umbenannte Medizin- und Ingenieurschule mit großzügiger Unterstützung von deutscher Seite weiter ausgebaut. Die umfangreiche Erweiterung der Bildungseinrichtung mit Hilfe der deutschen Industrie, mündete schließlich im August 1927 in die Anerkennung der Hochschule in eine staatliche Universit.t durch die damalige chinesische Regierung.
Eine weitere Mitarbeit von Berrens an der neu entstandenen Universit.t war ihm nicht mehr vergönnt. Nur zwei Monate später starb er in Shanghai.
Die Deutschen, welche nach dem Tod von Berrens in Shanghai arbeiteten, leisteten wiederum ihre Beiträge bei der Entwicklung der Tongji-Universität.
Dozent Dr. Böning richtete in den ersten Jahren seiner Tätigkeit ein elektrotechnisches Institut ein. Nach dem Bombardement durch die japanische Armee, wobei auch diese Einrichtung zerstört wurde, leitete er ab 1932 die Arbeit für den Wiederaufbau „seines“ Instituts.
Dr. Hahn war durch seine Berufung im März 1934 der erste Lehrstuhlinhaber für Strömungsmaschinen an der Tongji-Universität und damit wahrscheinlich in ganz China. Das dazugehörige Forschungslabor mit den überwiegend selbst entworfenen und durchkonstruierten Versuchsständen wurde unter seiner Federführung errichtet. Dr. List und Dr. Böning gaben während ihres Aufhaltens in Shanghai die Forschungshefte „Mitteilungen aus den Instituten der Staatlichen Tongji-Universität“ heraus, in welchen über die Arbeiten der deutschen Dozenten berichtet wurde. Diese Publikationen ließen den Bekanntheitsgrad der Deutschen in China in einschlägigen Fachkreisen steigen und verschafften ihnen gleichzeitig wichtige Vorteile bei weiteren Berufungsverfahren.
Dr. Heinrich erwähnte später einmal, dass er den folgenden Lehrauftrag an der TH Breslau (Wroclaw) im Jahr 1936 nur auf Grund seiner Tätigkeiten und den gesammelten Erfahrungen an der Tongji- Universität erhalten habe.
Mit der japanischen Invasion im Sommer 1937, welche die Universität mehrfach zwang, weiter ins Hinterland auszuweichen, mussten die meisten deutschen Dozenten die Tongji-Universität verlassen. Die sich im Verlaufe des Jahres 1938 verschärfende Lage und das ungewisse Schicksal der Universität nötigte nun auch die letzte Gruppe deutscher Professoren, der Dr. Hahn und Dr. Kraus angehörten, zum Jahresende endgültig aus China abzureisen.
Kurzzeitig konnte Dr. Kraus 1940 noch einmal nach China zurückkehren. Seine Versuche, die bis dahin bestehenden engen Verbindungen Deutschlands mit der Tongji-Universität weiter zu pflegen, blieben aber erfolglos.
Die Tongji-Universität konnte im Jahr 1946 nach Shanghai zurückkehren. Um die deutsche Sprache weiterhin unterrichten zu können, war die Universität bestrebt, deutsche Dozenten einzustellen.
Dipl.-Ing. Hans Hamburger wurde 1948 als Professor für Bauingenieurwesen an der Universität berufen. Hamburger reiste bereits Mitte der 1930er Jahre nach China und arbeitete von 1937 bis 1938 nebenamtlich als Dozent für Deutsch an einer Schule der Tongji-Universität.
Mit seiner Berufung war Hamburger auf lange Zeit der letzte deutsche Dozent der Technischen Abteilung der Tongji-Universität.
Ein erster Kontakt der Tongji-Universität mit deutschen Wissenschaftseinrichtungen wurde erst im Jahre 1979 wieder aufgenommen. In Rahmen der neuen intensiven Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten, kam es 1998 auch zu einem Partnerschaftsvertrag mit der Technischen Universität Dresden.
Für die freundliche Hilfe bei dieser Arbeit bedankt sich der Autor ganz herzlich bei Prof. Helmut List. Sein Dank gilt ausdrücklich auch Prof. Christoph Krampe, den Kollegen vom Hans-List-Museum, vom Hauptstaatsarchiv Dresden, von der RWTH Aachen, der TU Braunschweig, der TU München und vor allem der Archivarin Jutta Wiese, TU Dresden.
Prof. Li Lezeng