Rückblick: Agile Lehrkonzepte
Am 26.04.2024 fand der vierte Vernetzungs- und Digitale-Lehre-Workshop zum Thema Agile Lehrkonzepte statt.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung in Agile Lehrkonzepte und Blended Learning
- Virtual Collaborative Learning (VCL) für Digitalkompetenzen
- Flipped Classroom am Institut für Massivbau
- Virtual Exchange International – von der Idee zum Modul
- Flipped Classroom in der Verkehrsprozessautomatisierung
- Agile Aspekte im Projektstudium
Einführung in Agile Lehrkonzepte und Blended Learning
Claudia Böhm vom Team Digitale Lehre eröffnete den Workshop mit einer Einführung über das Konzept der Agilität. Sie stellte die wichtigsten Merkmale agiler Lehre vor und gab eine kurze Einführung in Blended Learning und das Flipped-Classroom-Modell.
Zum Foliensatz:
Claudia Böhm: Einführung Agile Lehre
Die wichtigsten Aussagen:
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Agilität beschreibt die Flexibilität und die Fähigkeit, schnell auf sich ändernde Randbedingungen reagieren zu können. Ursprünglich aus der Softwareentwicklung entlehnt, haben sich agile Prinzipien erfolgreich in die Hochschuldidaktik integriert und bieten einen frischen Ansatz in der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen.
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Im Zentrum agiler Lehre steht die interaktive studentische Zusammenarbeit. Die Studierenden arbeiten in selbstorganisierten und selbstgesteuerten Teams zusammen und lösen Probleme, in die die Lehrperson einführt. Die Lösung für die Probleme kennt die Lehrperson ggf. selbst noch nicht.
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Diese Methodik unterstützt die Motivation durch Selbstwirksamkeit, da die Studierenden durch Eigeninitiative und die positive Erfahrung, eigene Erfolge zu erzielen, motiviert werden.
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Die Studierenden erlernen neben inhaltlichem und methodischem Wissen auch Teamfähigkeit und eigenständige Lernkompetenzen.
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Ein weiteres wichtiges Element der agilen Lehre ist die dialogische Interaktion, die durch einen echten, dialogischen Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden charakterisiert ist. Hierbei werden didaktische Entscheidungen oft spontan im Moment des Lehrens getroffen, was eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von den Lehrkräften erfordert.
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Die Rolle der Lehrperson in diesem agilen Kontext verschiebt sich von einem reinen Wissensvermittler zu einem Begleiter (Coach) des Lernprozesses. Zu den spezifischen Aufgaben gehören die Anleitung, Moderation und Beratung von Gruppenprozessen sowie die Schaffung von Transparenz durch klare Kommunikation der Lehr- und Lernziele, um Orientierung zu bieten. Lehrkräfte sollten sich dabei auch als Lernende verstehen und bereit sein, Kontrolle abzugeben, um den Lernenden mehr Raum zur Selbstentfaltung zu geben.
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Synonyme Begriffe wie Co-Didaktik, Mit-Didaktik, Kontaktdidaktik oder situative Didaktik unterstreichen die enge Verbindung zwischen Lehrperson und Lernenden und betonen die Wichtigkeit einer flexiblen, situativen Gestaltung des Lehrprozesses.
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Blended Learning kombiniert Präsenzunterricht mit Online-Selbstlernphasen und ist eng mit der agilen Lehre verbunden. Gemeinsame Merkmale sind Studierendenzentrierung, kollaboratives Arbeiten sowie Präsenzanteile. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Flipped-Classroom-Modell, bei dem die traditionelle Lernstruktur umgekehrt wird: Die Studierenden erarbeiten sich den Lernstoff zunächst selbstständig online und asynchron, um ihn dann im Präsenzunterricht zu diskutieren und anzuwenden.
Virtual Collaborative Learning (VCL) für Digitalkompetenzen
Anne Jantos vom Zentrum für interdisziplinäre Lernen und Lehren (ZiLL) führte in das Konzept des Virtual Colloborative Learning (VCL) ein.
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Anne Jantos: VCL für Digitalkompetenzen
Die wichtigsten Aussagen:
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Die VCL stellt eine komplett online organisierte Lernumgebung dar, die durch kollaboratives Lernen gekennzeichnet ist. Hierbei steht die Teamarbeit im Fokus, bei der die Studierenden gemeinsam Lösungen erarbeiten und Entscheidungen treffen. Die Aufgaben sind so konzipiert, dass sie nicht individuell, sondern nur in der Gruppe gelöst werden können, was eine authentische und arbeitsplatznahe Erfahrung simuliert. Ein weiterer zentraler Aspekt der VCL ist der fallstudienbasierte und kompetenzorientierte Ansatz. Dabei wird nicht nur Fachwissen vermittelt, sondern vor allem praktische Handlungskompetenzen in den Bereichen Kommunikation, Kollaboration, Tool-Einsatz und Problemlösung gefördert.
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Ein VCL startet mit einem synchronen Kick-off, gefolgt von iterativer Gruppenarbeit, bei der die Studierenden in regelmäßigen Zyklen mit Konsultationen arbeiten. Ein zu Beginn erstellter Gruppenvertrag legt die Ziele, Rollen, Erwartungen, Arbeitsweisen und Kommunikationsregeln fest. Artefakte wie Poster, Videos und Prozessdokumentationen werden erstellt und zur Bewertung eingereicht. Der Abschluss des Moduls wird durch eine Präsentation der Ergebnisse markiert, gefolgt von formativem Feedback durch Lehrende und Peers.
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Die VCL wird positiv aufgenommen, wobei die Studierenden insbesondere das Erproben neuer Tools und die hohe Qualität der Gruppenarbeit hervorheben. Der Kompetenzerwerb durch die VCL ermöglicht den Studierenden, ihre Stärken und Lernfelder besser zu verstehen und zu nutzen.
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Vorteile sind die flexible Lerngestaltung unabhängig von Ort und Zeit, der Zugang zu interdisziplinären Perspektiven, der starke Fokus auf den Erwerb von Kompetenzen sowie das iterative Lernverfahren. Herausforderungen sind ein hoher Vorbereitungs- und Betreuungsaufwand und der Umstand, nur Kontrolle über die freiwilligen Reflexionen der Studierenden zu erhalten, der Vertrauen seitens der Lehrenden benötigt.
Flipped Classroom am Institut für Massivbau
David Sandmann vom Institut für Massivbau berichtete über die Implementierung des Flipped Classroom-Modells für das Wahlmodul „Bauen im Bestand – Verstärken von Massivbauwerken“.
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David Sandmann: Bauen im Bestand
Die wichtigsten Aussagen:
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Studierende eignen sich den Lernstoff mithilfe von online bereitgestellten Vorlesungsvideos asynchron an und vertiefen ihn anschließend in Präsenzübungen.
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Ein zentrales Element ist die Bearbeitung eines real durchgeführten Projektes, wodurch der Stoff praxisnah vermittelt wird. Ein Beispiel ist “Prora”: Die Studierenden erhalten die echten Bauplanungsunterlagen eines real existierenden Bauwerks in schlechtem und ungenutzten Zustand und eine fiktive Anfrage eines Investors. Sie haben die Aufgabe, sich beim Investor mit einem Gutachten und einem Maßnahmenkatalog zu bewerben. Neben Inhalts- und Methodenkompetenzen eignen sich Studierende auch Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein und Verhandlungsgeschick.
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Die Lehrplangestaltung kann flexibel geändert werden und das Nachholen von Aufgaben oder Vorarbeit von zu Hause ermöglichen. Im Dialog mit den Studierenden kann der Plan geändert werden. Der Workload darf dabei allerdings nicht zu groß werden und die Vermittlung von Konzept und Inhalten sichergestellt werden.
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Studierende und Lehrende haben durch diese Lehrform eine hohe Motivation. Studierende bringen häufig neue Ideen ein. Wenige Studierende sind vom Lehrkonzept nicht begeistert und beteiligen sich nicht aktiv.
Maria Walker vom Institut für Massivbau hat die Einführung des Flipped Classroom-Modells für das Pflichtmodul „Stahlbetonbau“, das von etwa 70 Studierenden über zwei Semester besucht wird, koordiniert.
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Die wichtigsten Aussagen:
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Eine hohe Stoffmenge, ein hohes Tempo in Übungen und wenig Zeit zum Reflektieren gelernten Wissens veranlassten zur Aufgabe des klassischen Lehrkonzepts mit Präsenz-Vorlesung und Präsenz-Übung.
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Im Rahmen des Flipped Classroom werden Vorlesungsvideos und ein Skript zur Wissensaneignung bereitgestellt. In den Übungen wird das Wissen vertieft.
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Studierende können sich den Stoff intensiver erarbeiten und Belege im Vorfeld bearbeiten. Die Lehrvideos ermöglichen individuelle Lerntempi. Die Präsenz-Übungen beinhalten eine Zusammenfassung, Anmerkungen zur Belegbearbeitung und die eigentliche Belegbearbeitung mit Rückfragen.
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Herausfordernd ist der anfängliche Aufwand für die Videoaufzeichnungen. Nicht alle Studierenden akzeptieren dieses Format, das ihnen Eigenmotivation und gutes Zeitmanagement abverlangt.
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Sehr positiv ist die direkte Betreuung in kleineren Gruppen, die sofortiges Feedback ermöglicht, die Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden erhöht und so ein deutlich verbessertes Lernklima und einen höheren Lernerfolg schafft.
Virtual Exchange International – von der Idee zum Modul
Mattis Altmann stellte das Virtual Collaborative Learning (VCL) der Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Informationsmanagement vor, das internationale Zusammenarbeit und Austausch der Studierenden ermöglicht.
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Mattis Altmann: Virtual Exchange International
Die wichtigsten Aussagen:
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“Virtual Exchange International” ist eine Zusammenarbeit mindestens zweier Hochschulen, bei der virtuelle Mobilität für eine technisch gestützte Austauscherfahrung und kollaboratives Lernen kombiniert werden. Partner waren u. a. Hochschulen in Albanien, der Ukraine und Georgien.
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Studierende lernen komplett online mit synchronen und asynchronen Phasen in gemischten Teams an realistischen Fallstudien. E-Tutor:innen und automatisierte Learning Analytics unterstützen im Lernprozess.
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Vorbereitet wird das Projekt im Vorfeld durch die Lehrenden, die die Partnerinstitution ansprechen und gemeinsam Rollen, Studierendengruppen, Zeitspannen und Gruppengrößen abklären. Darüber hinaus sind eine virtuelle Plattform festzulegen und Feedbackschleifen, Support, eine Basis für interkulturellen Austausch sowie Teaching Transfer zu organisieren.
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Wichtig ist ein großer Vorlauf von mindestens 1,5 Jahren und eine ähnlich hohe Motivation aller Partner und deren Studierenden, die u. a. mit ETCS-Vergütung auf allen Seiten sichergestellt werden kann. Lokale Randbedingungen zur Lehre und Studium müssen beachtet werden.
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Studierende und Lehrende erlernen neben tiefem fachlichem Wissen und Methodenkompetenzen auch internationale Kompetenzen, digitale Kompetenz und Teamarbeit.
Flipped Classroom in der Verkehrsprozessautomatisierung
Dr. Angelika Hirrle vom Lehrstuhl für Verkehrsprozessautomatisierung präsentierte Vorgehensweise und Herausforderungen beim Implementieren von Flipped Classroom im Pflichtmodul “Prozessautomatisierung in der Verkehrstelematik”.
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Angelika Hirrle: Flipped Classroom in der Verkehrsprozessautomatisierung
Die wichtigsten Aussagen:
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Das konventionelle Modul aus Vorlesung und Übung wurde auf Flipped Classroom umgestellt. Auf der Lernplattform OPAL werden gut strukturiert die Lernziele je Einheit, detaillierte Vorlesungsvideos mit dem Lehrstoff und weiterführendes Material für das Selbststudium bereitgestellt. Zur Vorbereitung der Übung werden einfache Rechenbeispiele zur Verfügung gestellt. Die Übung besteht aus einer Aufgabensammlung, die erst in Einzel- und anschließend in Gruppenarbeit bearbeitet werden soll. Anschließend werden im Plenum Fragen gesammelt, Diskussionen geführt und in das nachfolgende Thema eingeführt.
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Haupt-Lernziele für die Studierenden sind die selbstständige Wissensaneignung (Learn how to Learn) und das Abstrahieren von Problemen.
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Eine Herausforderung ist, dass die Studierenden in vorgelagerten Modulen kaum ein eigenständiges Selbststudium durchführten, nur eine geringe Motivation mitbringen und teilweise Frontalübung und Passivität fordern. Außerdem haben einige Studierende Schwierigkeiten mit Gruppenarbeiten. Seitens der Lehrpersonen wird Selbststudium eingefordert, Aktivierung mit Mentimeter gefördert und zusätzliche Angebote wie ein Mathematik-Tutorium, Laborbesuche und Fachvorträge angeboten, um die Anwendung theoretischer Grundlagen zu verdeutlichen.
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Das Konzept erfordert zwar einen hohen Betreuungsaufwand und Weiterbildungen, trägt aber zu einer guten universitären Ausbildung bei.
Agile Aspekte im Projektstudium
Abschließend referierte Silke Molch vom Institut für Landschaftsarchitektur Agile Aspekte im Projektstudium, das an der Fakultät Architektur eng mit der Praxis verknüpft ist und häufig auf Kooperationen mit Praxispartnern angeboten wird.
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Silke Molch: Agile Aspekte im Projektstudium
Die wichtigsten Aussagen:
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Gegenstand des Studiums sind reale Projekte, die durch Praxispartner wie Behörden, Vereine oder Schulen eingereicht werden. Die Studierenden müssen unter Anleitung Projekt- und Planungsunterlagen sowie Präsentationen erstellen und erlernen außerdem Projektmanagement, Teamarbeit und inhaltliche Einzelarbeit.
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Die Projekte sind meist individuell und beinhalten wechselnde Aufgaben, wechselnde Orte und verschiedene Anforderungen der Praxispartner, weshalb Studierende und Lehrende agil reagieren können müssen.
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Den Studierenden werden alle Lehrmaterialien und Methoden zu Beginn des Moduls zur Verfügung gestellt. Alle Studierenden können das nutzen, was sie gerade brauchen. Zwischenpräsentationen, Rückmeldung der Praxispartner und Rollenspiele dienen dem Feedback und der Ausprägung von Präsentations- und Verhandlungsgeschick sowie Überzeugungskraft. Zur Ausprägung von Prüfungskompetenz werden erarbeitete Planungsunterlagen durch die Studierenden gegenseitig kontrolliert.
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Die Studierenden sind trotz eines erhöhten Arbeitsaufwands sehr motiviert und wollen ihre Projekte in hoher Qualität abgeben. Da alle Studierende individuelle Projekte bearbeiten, existieren viele verschiedene Lernpfade. Ein Motivationstreiber sind die Kooperation mit Praxispartnern und die Aussicht auf Umsetzung einzelner Projekte.
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Eine Herausforderung sind die hohen Datenmengen, der die digitale Infrastruktur oftmals nicht gewachsen ist. Außerdem reichen PC-Arbeitsplätze und Softwarelizenzen zur gemeinsamen Bearbeitung nicht aus. Studierende arbeiten daher verstärkt in Heimarbeit oder an Arbeitsplätzen der Praxispartner. Bei technischen Problemen werden Studierenden Ad-hoc-Meetings angeboten, um die Probleme zu erkennen und zu beheben.