Rückblick: Gamification
Am 26.01.2024 fand der dritte Vernetzungs- und Digitale-Lehre-Workshop zum Thema Gamification statt. Hier finden Sie einen Rückblick über die wichtigsten Themen.
Inhaltsverzeichnis
Einführung in Gamification
Matthias Heinz vom Zentrum für interdisziplinäres Lehren und Lernen (ZiLL) führte in das Themengebiet Gamification ein. Er definierte Gamification in der Lehre, gab einen Überblick über Spieltheorien und nannte die wichtigsten Regeln, die zu beachten sind.
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Matthias Heinz: Einführung in Gamification
Weiterführende Informationen zu Gami|cation
Die wichtigsten Aussagen:
- Gamification in der Lehre ist nicht das Erschaffen einer virtuellen Welt, sondern das Nutzen von spielerischen Elementen. Und das muss häufig nicht aufwändig sein.
- Gamification wird auch im Alltag eingesetzt, beispielsweise durch das Sammeln von Payback-Punkten und Flugmeilen oder durch Lern-Apps – und funktioniert dort gut.
- Ziel von Gamification sind positive Verhaltensänderungen, um bessere Lernergebnisse zu erzielen.
- Eine wichtiger Mechnismus ist das "Flow-Prinzip": Der Schwierigkeitsgrad soll optimal zunehmen und darf die Lernenden nicht überfordern und nicht unterfordern.
Eine andere Theorie beschreibt, dass die Selbstbestimmung, autonom handeln zu können, sich weiterzuentwicklen und soziale Eingebundenheit zu mehr Lernmotivation führt. - Es kann in sechs Spieler:innen-Typen unterschieden werden: Player sammeln für sich selbst Belohnungen, Socialiser arbeiten gern gemeinsam mit anderen zusammen, Disrupter arbeiten gegen das System oder möchten es selbst weiterentwickeln, Philantropen helfen gern anderen uneigennützig, Free spirit-Personen möchten frei erkunden können und Archiever möchten sich selbst verbessern und viele Punkte sammeln. Viele Menschen können mehreren Typen zugeordnet werden. Daher sollten durch Gamification möglichst mehrere Typen angesprochen werden.
- Gamification kann Risiken der Manipulation oder dem Offenlegen privater Informationen bergen.
- Die im Gamification am meisten genutzte Dinge (Punkte, Bestenlisten, Abzeichen) motivieren nur extrinsisch. Im Lernkontext schneiden sie schlecht ab, denn sie können auch demotivieren – beispielsweise unerreichbare Bestenlisten.
- Klassische Gamification-Elemente sind OPAL-ONYX, Kahoot, Quizlet, Learning-Apps und H5P.
Biodiversität entdecken mit Actionbound
Anne Göhre von der Professur für Didaktik der Biologie berichtete von ihrem Projekt, interaktive Rallyes für Studierende und die Öffentlichkeit im Botanischen Garten anzubieten. Sie nutzte dafür die App Actionbound.
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Anne Göhre: Biodiversität endecken mit Actionbound
Die wichtigsten Aussagen:
- Actionbound ist eine App, die häufig in Museen oder außerschulischen Lernorten genutzt wird. Sie erlaubt das Erstellen ortsbezogener Rallyes, in denen man Aufgaben bearbeiten und Punkte sammeln kann.
- Die einzelnen Aufgaben ("Bounds") können schnell und einfach erstellt werden. Die Nutzenden werden spielerisch zwischen den Orten und Aufgaben navigiert. Dozierende können die Ergebnisse einsehen. Die Höhe der Lizenzkosten für das Nutzen der App sind vertretbar, aber oftmals schwierig abzurechnen: Eine Einzel-Lehrveranstaltung kostet 150,– Euro, eine ganze Fakultät zahlt 690,– Euro pro Jahr.
- Aufgaben in Actionbound können unter anderem sein: einen Ort finden und GPS-Koordinaten hinterlegen, Informationen lesen, Quiz mit Schätzfragen beantworten, Freitaxtaufgaben lösen.
- Ein Actionbound-Quiz wurde im Botanischen Garten umgesetzt, um das Selbststudium zu fördern. Einerseits wurden Aufgaben durch Mitarbeitende für Studierende anhand klar definierter Lernziele und Inhalte erstellt. Außerdem sollten auch Studierende einzelne Aufgaben in Teamarbeit erstellen und sich gegenseitig Rückmedungen geben. Das brachte Zusatzpunkte für die Prüfung. Inzwischen ist das so entstandene Bildungsangebot auch für die Öffenlichkeit nutzbar.
- Die Erfahrungen beim Aufbau waren überwiegend positiv: Insbesondere die Foto-Suche ("Suche den Ort und mache ein Foto") wurde sehr gut angenommen, ebenso Muliple-Choice-Aufgaben. Die GPS-Ortung in einigen Aufgaben war für den Botanischen Garten zu grob (Genauigkeit beträgt nur etwa 6 Meter). Nur wenig Resonanz erhielten Ton-, Video- und Textaufgaben, deren Bearbeitung mehr Zeit in Anspruch genommen hätte. Außerdem wurden Aufgaben zum Bilden und Äußern einer eigenen Meinung häufig übersprungen.
- Weitere Tipps: Die Motivation der Studierenden war zunächst geringer als erwartet und konnte durch konkrete Anreize (Punkte für die Prüfung) gesteigert werden. Die Studierenden haben für die Bearbeitung deutlich mehr Zeit benötigt als vorgesehen – die eingeplante Bearbeitungszeit sollte großzügig dimensioniert werden. Trotz Freistunden haben die Studierenden die Aufgaben nicht selbstständig bearbeitet – zumindest zu Beginn ist ein gemeinsames und betreutes Bearbeiten notwendig, um alle einzuführen.
Gamification und Mixed Reality in der Geomorphologie
Nikolas Prechtel vom Institut für Kartographie und Krishnan Peringottukurussi Chandran von der Fakultät Informatik berichteten von ersten Erfahrungen der Umsetzung von Mixed Reality in der Geomorphologie-Lehre.
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Die wichtigsten Aussagen:
- Die Geomorphologie beschäftigt sich mit dem Erdrelief und seinen vielfältigen Eigenschaften. Die dreidimensionalen Formen und ihre Eigenschaften werden meistens auf Karten in 2D dokumentiert. Die Studierenden müssen im Gelände Beobachtungen durchführen und das Analysieren trainieren.
- Idee: Studierende absolvieren ein Teamspiel, um für das Thema sensibilisiert zu werden und Wissen auszutauschen. Dabei soll ein 3D-Klassenzimmer Gamification und Mixed Reality verbinden, um Studierende theoretische Grundlagen der Geomorphologie zu vermitteln. Dabei soll das 3D-Klassenzimmer die Erfahrung im Gelände nur unterstützen und nicht ersetzen.
- Studierende müssen Geländeformen erkennen und den passenden Memory-Karten (Abbildungen, geographische Karten, Texte) zuordnen. Weitere Aufgaben sind das Modifizieren eines 3D-Quaders zu einem Relief und das Abgrenzen von Landschaftsformen im 3D-Relief. Die Gruppenarbeit führt zu gegenseitigen Argumente- und Wissensaustausch.
- Die Spiele haben im 3D-Klassenzimmer und im Gelände gut funktioniert, die Studierenden konnten ihr Wissen schneller vertiefen. Das 3D-Klassenzimmer ermöglicht das niederschwellige Kennenlernen der Morphologie und ist barrierefrei, kann Geländegänge aber nicht ersetzen. Der Aufbau der Mixed-Reality-Umgebung ist relativ aufwändig, kann aber anschließend vielfältig genutzt werden.
Quiz mit Mentimeter in der Lehre
Django Adam von der Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List" gab den Workshop-Teilnehmenden einen praktischen Einblick seiner Erfahrungen in das Nutzen von Mentimeter als Quiz-Tool zur Studierendenaktivierung.
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Django Adam: Partizipation, Wiederholung und Spaß – Quiz mit Mentimeter in der Lehre
Die wichtigsten Aussagen:
- Mentimeter eignet sich für Live-Umfragen in Vorlesungen, um die Studierenden zum Mitdenken und Mitmachen zu aktivieren. Die sonst passiv konsumierenden Studierenden werden in seiner Lehrveranstaltung animiert, sich aktiv mit dem Lehrstoff aktiv auseinander zu setzen.
- Die Studierenden werden nach jedem Kapitel aufgefordert, selbst Quizfragen zum Lehrstoff zu entwerfen. Diese Fragen werden durch die Lehrkraft kuratiert und sortiert und bei der nächsten Lehrveranstaltung verwendet. Die Antworten werden erörtert und diskutiert. Die Studierenden stimmen anschließend über die besten Fragen ab.
- Es baut sich allmählich ein Quiz über die Lehrveranstaltungsreihe auf, das teilweise auch für die Prüfung genutzt wird.
- Durch das eigenständige Entwickeln der Fragen werden die Studierenden in ihrem Engagement gestärkt, das Verständnis gefördert und der Lehrstoff direkt in und nach den Lehrveranstaltungen wiederholt. Weitere Wiederholungen des Stoffes erfolgen durch das Nutzen des Quiz zur Prüfungsvorbereitung.
- Eine quasi-anonyme Bestenliste ohne Klarnamen soll die Studierenden zusätzlich motivieren.
Digitale Hilfsmittel für effektives Lernen in Großgruppen
Die Vortragsreihe endete mit Isabell Lippert von der Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Business Engineering. Sie referierte über ihre Planung der Lehrveranstaltung Wirtschaftsinformatik mit interaktiven Gamification-Elementen und den teilweise negativen Erfahrungen in deren Einsatz.
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Isabell Lippert: Digitale Hilfsmittel für effektives Lernen in Großgruppen
Die wichtigsten Aussagen:
- Das Modul "Einführung in die Wirtschaftsinformatik", das durch viele Erstsemester verschiedener und breit gestreuter Studiengänge besucht wird, sollte mit Gamification-Elemente angereichert werden. Von 300 eingeschriebenen Teilnehmenden erscheinen zur Präsenz-Vorlesung regelmäßig etwa die Hälfte, Präsenzübungen werden mit etwa 50 Personen durchgeführt und eine Online-Übungsreihe besuchen etwa 20 Personen.
- Zum Einsatz kommen u. a. Schätzfragen ("Wie viele Pakete verschickt Amazon am Tag?") und weitere Quizfragen mit dem Werkzeug Slido. Freiwillige Gruppen-Hausaufgaben ("Stelle einen Gaming-PC zusammen") sollen zur Auseinandersetzung mit dem Stoffgebiet und zu Teamarbeit animieren.
- Kleine Geschenke (Schoko-Weihnachtsmänner, Werbeartikel und Büromaterial) werden als Preise für eine erfolgreiche Teilnahme ausgelobt.
- Das Quiz erfreut sich einer hohen Beteiligung und vermittelt den Studierenden einen Eindruck, wie Klausuraufgaben gestaltet sein könnten. Die freiwillige Hausaufgabe wird von einigen Personen absolviert.
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Häufig und mit einigen Gamification-Elementen wurden auch sehr negative Erfahrungen gemacht: die Freitexte der Wordcloud wurden teilweise mit anstößigen Begriffen missbraucht, einige Tools wurden zum Spaß ausgenutzt, die Gruppendynamik kann in Richtung der "Klassenclowns" kippen.
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Der Anspruch der Studierenden ist teilweise sehr hoch, die Beteiligung in den Lehrveranstaltungen ist aber frustrierend gering. Studierende wünschen sich vermehrt "Shorts", die nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne erfordern.