Aug 10, 2021
Neue Publikation: Charakteristika der Nachrichtennutzung in sozialen Medien
Auf Facebook folgt man einer Tageszeitung, auf Instagram thematisiert eine Influencerin die Waldbrände in Südeuropa, auf TikTok guckt man den neuesten Clip der Tagesschau: Soziale Medien spielen eine zunehmend zentrale Rolle für die Informations- und Nachrichtennutzung und sind aus dem Alltag vieler Nutzer:innen nicht mehr wegzudenken. Ein Großteil der Forschung zu diesem Thema konzentriert sich dabei auf spezifische Social-Media-Plattformen – in den zurückliegenden Jahren insbesondere auf Facebook und Twitter. Doch was passiert, wenn in einigen Jahren kein Hahn mehr danach kräht? Wie kann man weitgehend plattformunabhängig Aussagen über die Nachrichtennutzung in sozialen Medien treffen und etwas über deren Besonderheiten, Bedingungen und Effekte lernen?
In einem neuen Aufsatz, der kürzlich in der Fachzeitschrift Communication Theory erschienen ist, gibt Anna Sophie Kümpel in Form des „PINGS Framework“ eine Antwort auf diese Fragen. Obwohl alle sozialen Medien unterschiedlich sind und sich ständig verändern, lassen sich fünf übergeordnete Merkmale ableiten, die die Social-Media-Nachrichtennutzung kennzeichnen und mutmaßlich auch dann bestehen bleiben, wenn einzelne Plattformen an Bedeutung verlieren.
PINGS steht für Personalisierung, Inzidentalität, Non-Exklusivität, Granularität und Sozialität: So ist die Nachrichtenerfahrung in sozialen Medien hochgradig individualisiert – einerseits durch die aktive Gestaltung der Informationsumgebung durch die Nutzer:innen, andererseits durch die plattformspezifischen Algorithmen, die die Ausspielung von (Nachrichten-)Inhalten bestimmen (Personalisierung). Ein weiteres Kennzeichen ist die Inzidentalität: Die Nachrichtennutzung auf sozialen Medien ist insgesamt als „beiläufig“ einzustufen – einerseits, weil nur die wenigsten Personen soziale Medien mit einem konkreten Informationsziel nutzen, andererseits, weil kaum Kontrolle darüber besteht, ob man während einer Nutzungsepisode tatsächlich (auch) auf Nachrichten stößt. Geht es um die Wahrnehmung und Verarbeitung von Nachrichteninhalten, muss zudem die Non-Exklusivität der Nachrichtenerfahrung bedacht werden: So sind Nachrichten auf sozialen Medien nur ein (kleiner) Teil der Informationsumgebung und konkurrieren beständig mit Memes, Fotos von Freund:innen oder Veranstaltungstipps um die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen. Doch selbst wenn ein Post es schafft, das Interesse zu wecken, stellt sich die Frage, ob die Rezeption einzelner und weitgehend dekontextualisierter ‚Nachrichtenhappen‘ (Granularisierung) in der Lage ist, Nutzer:innen umfassend zu informieren. Schließlich erfordert die Untersuchung sozialer Medien – darauf verweist bereits der Name – einen Blick auf die Rolle sozialer Kontextinformationen: Sowohl aggregierte Empfehlungen wie die Zahl der Likes als auch persönliche Empfehlungen von eigenen Kontakten beeinflussen nicht nur, welche Nutzer:innen mit (welchen) Nachrichten konfrontiert werden, sondern stellen auch ein zusätzliches Selektions- oder Gütekriterium dar (Sozialität).
Neben einer ausführlichen Charakterisierung der genannten Merkmale geht Anna Sophie Kümpel in dem Beitrag auch darauf ein, wie sich PINGS in empirischen Studien untersuchen lässt. Zudem erläutert sie, wie die einzelnen Bestandteile des Frameworks zusammenwirken und welche Rückschlüsse über die Bedingungen und Effekte der Nachrichtennutzung man durch ihren je individuellen ‚Mix‘ auf Social-Media-Plattformen ziehen kann.
Wer keinen Zugang zum Journal hat, kann sich hier den Preprint des Papers herunterladen.