Sommersemester 2010
1. Andrea Hammer
(alle Orte der Abschlussperformances)
Titel: Kopflastig, 15 Minuten
Handlungsbeschreibung: Meine Performance findet an verschiedenen Orten, bei und während der Aufführung aller Abschlussperformances statt. Äußerlich festlich zurechtgemacht begebe ich mich zu Beginn mit der Gruppe zum West-Ufer des Teichs. Dort trete ich aus der Gruppe heraus und warte kurz ab. Ich blicke über den Teich Richtung Amphitheater, auf das ich dann entschlossen, aber ruhig am Teich vorbei zugehe. Aus dem Theater rolle ich ein mit 10 Pflastersteinen gefülltes, teils rostiges, teils blaulackiertes Blechfass (Tonne). Beim Rollen entsteht ein Höllenlärm (hohles Kratzen, dumpfes Reiben, Gemisch aus Schaben und Poltern). Jede kleinste Tonnenbewegung ist unüberhörbar. Gleich zu Beginn verliere ich 4 der Pflastersteine unbemerkt, die restlichen 6 sammle ich sofort immer wieder ein. Ich rolle die Tonne auf der Wiese vor mir her und beende den Kreis um den Teich wieder in der Gruppe. Alle weiteren Wege lege ich lautstark fassrollend mit der Gruppe zurück, sowohl durch Außen- als auch Innenräume. Manchmal bieten sich bei den Treppen ungefragt Helfer an, deren Hilfe ich nutze. Während der Performance-Zeiten der anderen dient mir das Fass (sowie auch weiteren Gruppenteilnehmern) als Ruhe-und Beobachtungssitzplatz. Beim „Mitrollen“ mit der Gruppe konzentriere ich mein Handeln darauf, im Rahmen der möglichen Bewegungsmuster das Gruppentempo zu halten, alle Orte zu erreichen und keine weiteren Steine aus dem Fass zu verlieren. Nach 3 Stunden komme ich an meine physische Grenze und erwäge den Abbruch der Performance, setze sie aber nach der Abendbrotpause fort. Zum Schluss des Abends führe ich die Gruppe zu ihrem ersten Beobachtungsplatz am Teich, rolle mein Fass allein um den Teich zu seinem Ausgangspunkt zurück, sodass sich der Kreis schließt.
Hintergrund: Im Hintergrund meiner Performance steht die Frage nach dem Wechsel von belasteten und unbelasteten Leben. Es geht weniger um kurzzeitige als mehr um langfristige Belastung, die durch die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung für unterschiedliche Lebensbereiche entstehen kann. Verantwortung zu übernehmen ist für mich ein wünschenswerter Zug, der mir wie auch anderen Menschen Sicherheit bringt und auch Vorteile hat (bewusste Lebensgestaltung, Entscheidungsgewalt). Verantwortung zu tragen wird dann zur Last, wenn die Verantwortungsbereiche zu umfangreich oder zu komplex für das eigene Vermögen sind. Aber Verantwortung abzugeben ist ebenso schwer, ist oft auch nicht möglich (Verantwortung für Kinder/ Familie). So wird diese Belastung ständig in Kauf genommen, unterbrochen von kurzen Zeiten, in denen der Kopf frei wird für Neues. Diese Spannungssituation möchte ich (1.) optisch und akustisch sichtbar/hörbar machen. Dabei soll mein Wille zu dieser „Mehrarbeit“ deutlich werden, der mich am gemeinsamen Tun einschränkt, aber nicht ganz ausbremst. Zeiten der Last wechseln sich mit Zeiten des Privilegs ab. Ich möchte (2.) diese Situation für mich und die Gruppe erfahrbar machen. Ist es nur mein Weg oder inwieweit tragen die anderen mit an der Last? Was halte ich aus? Ist es eine Sache Kopfes oder mehr des Herzens, die mich die Belastung ertragen lässt?
2. Katharina Egerer (im Freien zwischen Hauseingang, See und Hoftor)
Titel: Verselbständigt, 45 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich stehe im Türrahmen des Wohnhauses, rechts von mir befindet sich mein Nachttisch. Ich trete aus der Tür heraus und gehe zum Nachttisch, öffne die Tür dessen und hole die schmutzige Wäsche der gesamten vergangenen Woche heraus. Ich beginne mich anzukleiden, ziehe jedes Kleidungsstück Schicht für Schicht einzeln an bis keines mehr übrig ist. Ich gehe zum gegenüberliegenden See, steige die Stufen zu ihm hinab und falle ins Wasser. Ich schwimme und tauche nach einer Reisetasche, hole sie an die Wasseroberfläche und lege sie auf die Mauer am Ufer. Ich steige mit den wassergetränken Kleidungsstücken ebenso über die Mauer heraus, verweile aufgrund der Anstrengung durch die Schwere der Sachen einen Augenblick. Ich beginne meine Bekleidung nacheinander auszuziehen, wringe jedes Teil über einem bereitstehenden Einweckglas aus. Die Gläser verschließe ich anschließend, das ausgezogene Kleidungsstück lege ich jeweils ordentlich zusammen und neben die Reisetasche. Ich habe alle zuvor angezogenen Kleidungsstücke abgelegt; packe anschließend alle Gläser in die Reisetasche und verschließe diese. Ich nehme sie, gehe zum Auto und fahre aus dem Hoftor in Richtung Dresden. Der zusammengelegte Kleiderstapel bleibt zurück.
Hintergrund: Momentan verändert sich viel in meinem Leben; der Unterschied zu sonst: ich agiere selbst, selbstbewusst sozusagen. Veränderungen empfinde ich dabei als einen dialektischen Prozess, man nimmt etwas Neues in sein Leben auf und lässt gleichzeitig etwas zurück. Das Zurückgelassene hat seinen Wert als dieses, mit dem neuen muss etwas geschehen. Letzteres ist noch offen. Was mache ich mit Gläsern gefüllt mit Wasser aus dem Teich? Ich weiß es noch nicht, Tee kochen vielleicht.
3. Claudia Kosanke (im Garten, am Teich)
Titel: Fischflug, 100 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich stehe vor einem großen Busch auf der Wiese und gebe ein Zeichen, dass das Publikum warten soll. Dann gehe ich hinter den Busch, ziehe meinen Rock und mein T-Shirt aus und komme in weißem Trägerhemd und weißer Leggins wieder vor zum Publikum. Rechts neben mir liegt eine weiße (2 m ausgerollte) Papierrolle auf dem Rasen an einer Sandsteinskulptur. Links neben mir steht ein Zinkeimer mit kleinen Steinen und weiteren weißen Papierrollen darin. Nach einem Blick ins Publikum gehe ich in die Hocke, fange langsam und bedächtig an, die Papierrolle in Wellen weiter auszurollen. Aller 1, 2 m nehme ich Steine aus dem Eimer und lege sie auf die Papierbahn, auf dem Rasen. Insgesamt rolle ich 150 m Papier aus und gehe dabei um den kleinen Teich mit dem Eimer herum.Dann gehe ich an den Anfang zur Sandsteinskulptur zurück, nehme mir ein Glas mit rotbrauner Farbe und einen Pinsel an einem langen Stiel. Nun bemale ich im Stehen die Papierbahn mit Linien, Schwüngen und Krickeln. Nachdem die gesamte Papierbahn mit der rotbraunen Farbe bemalt ist, ist die Aktion beendet und ich gehe weg.
Hintergrund: Wenn ein Kind geboren wird, ist es noch „unschuldig“ wie ein weißes Blatt Papier. Es wächst heran und wird von den Eltern auf den eigenen Weg gebracht, den es irgendwann allein geht. Der Lebensweg des Heranwachsenden bekommt Spuren durch Menschen, Begegnungen, Erlebnisse. Dieser Lebensweg verläuft nicht geradlinig, er muss sich an äußere Bedingungen anpassen. Niemand lebt für sich allein auf der Welt, ein kleines Kind nicht und ein Erwachsener auch nicht.
4. Corinna Stähnke (Brauerei)
Titel: o.T., 10 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich bin in schwarz gekleidet_ langärmlig_ offene Haare_ barfuss_ nur das von oben einfallende Licht erhellt spärlich den leeren Raum_ ich stehe im Mittelpunkt des Raumes_ den Kopf zum Gang gerichtet_ mein Blick ruht in den Augen des Publikums_ die Zeit verstreicht_ fast unmerklich beginne ich mit den Fingernägeln meiner rechten Hand den Handrücken der linken Hand zu kratzen_ es ist ein leichtes tonlosen Kratzen_ kremple den linken Ärmel hoch und kratze weiter_ in dieser Weise arbeite ich mich den ganzen Arm bis zu den Schultern hoch_ der Blick bleibt starr in Richtung Publikum_ gleiches Vorgehen am rechten Arm_ Stopp an den Schultern aufgrund der Kleidung_ Entledigen der Oberbekleidung_ fortschreitendes Kratzen an den Beinen in gleicher Art und Weise_ Kleidung stellt eine Blockade dar_ Entledigen der gesamten Kleidung_ Intensität und Geschwindigkeit des Kratzens am gesamten Körper nimmt hörbar zu_ Blindes Kratzen_ deutliche Spuren auf der Haut_ Kratzen wird weniger und langsamer_ Hände neben dem Körper_ Augenlider öffnen sich_ KONTAKT_ Ausatmen_ Aushalten_ ich drehe mich mit dem Rücken zum Publikum_ Ausatmen_ fasse mit meinen Händen unter meine Haare und ziehe sie nach oben_ Auf meinem Hals wird sichtbar_ I am
Hintergrund: Der Versuch_ das in der Woche gefundene Thema KONTAKT zu transformieren und abstrahieren_ das was bleibt_ SEIN
5. Juliane Damm (Dachboden/Scheune)
Titel: Zu Zweit, 5 Minuten
Handlungsbeschreibung: Der gewählte Ort ist ein Dachboden einer alten Scheune. Der Boden ist aus Holz und das Licht strahlt durch die vergitterten Fenster in den Raum. Es trifft direkt auf die von mir getragenen Spitzenschuhe. Ich sitze mit gesenktem Blick, an den Armen gefesselt an einem Rollstuhl, vor einem der glaslosen Fenster. Ein starkes Seil bindet mich an den Stuhl und ich schaffe es im gesamten Verlauf nicht, mich von diesem zu lösen. Gekleidet in Trainingsanzug und dem typischen Symbol der Tänzerin (Spitzenschuhe) beginne ich mich, in Form des klassischen Tanzes, zu der Musik von Carmen (Habanera, von Georges Bizet gesungen) zu bewegen. Ich tanze eng mit meinem Stuhl verbunden.
Hintergrund: Innerer Kampf, körperliche und seelische Belastung, Loslösung und Hingabe, fehlendes Durchsetzungsvermögen, gefesselt sein, Druck und Belastung standhalten können.
6. Franziska Hübner (Wiese/Scheune)
Titel: 50 cm, 12 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich bin in ein Erdloch bis zu den Knien eingegraben. Um mich herum befinden sich verschiedene Gegenstände in einem Kreis (ein Glas Wasser – ein selbst gebauter Kompass, ein Blatt Papier und Stift – eine Zeitung, eine Uhr – rostige Nägel). Ich beginne, die Gegenstände einem nach dem anderen erreichen zu wollen. Ich strecke und werfe mich zu den Gegenständen, kann sie aber nicht erreichen. Dabei bin ich immer hin und her gerissen zwischen den beiden sich gegenüberliegenden Gegenständen. Immer intensiver und rücksichtsloser versuche ich, die Gegenstände zu erreichen und mich aus dem Loch zu befreien. Nichts davon gelingt. Als jemand aus dem Publikum mir das Wasserglas in Reichweite stellt, ergreife ich es erfreut und will trinken. Doch noch davor kommt mir wieder der entgegen gesetzte Gegenstand (Kompass) in den Sinn. Ich schmeiße das Glas von mir und versuche noch angestrengter den Kompass zu erreichen, bis ich schließlich heftig atmend und kraftlos auf dem Boden liegen bleibe.
Hintergrund: Ausgangspunkt war mein Gefühl, dass ich zwischen gewissen Gegenpolen stehe, die mein Leben bestimmen. Dabei tendiere ich manchmal zu dem einem oder anderem, weiß aber, dass ich mich nie radikal für eine Seite werde entscheiden können und damit die andere Seite für mich ausschließen müsste. Das Hin- und Hergerissen- Sein zwischen den Polen führt bei mir zu einer Lähmung. Wenn ich weder in die eine, noch in die andere Richtung gehen kann (ohne jeweils die andere für mich auszuschließen), bleibe ich in der Mitte gefangen und kann mich nicht rühren. Immer will ich mir den Weg in die entgegen gesetzte Richtung offen halten, denn auch sie hat ihre Berechtigung.
7. Susanne Schmidt (Brauerei/Pizzaofen)
Titel: dunkel, 15 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich befinde mich in einem nur sehr karg beleuchteten Raum. Im Hintergrund befindet sich ein dunkler Kamin und im Vordergrund steht eine Glasschüssel mit schwarzer Farbe bereit. Ich empfange das Publikum mit einer abgewandten Haltung. Nach einiger Zeit wende ich mich dem Publikum zu. Ich beobachte jeden Zusehenden mit großer Aufmerksamkeit. Danach nehme ich eine Schere und schneide ein Loch in meine schwarze Kleidung. Ich agiere mit Blicken immer wieder mit dem Publikum, um sie auf mein Handeln aufmerksam zu machen. Anschließend zeige ich den Zuschauern meine entblößte Stelle. Nach weniger Zeit greife ich mit bloßen Händen in die Farbschüssel und bedecke die freigelegte Stelle durch hektische Bewegungen mit schwarzer Farbe. Diesen Vorgang wiederhole ich einige Mal, wobei die Größe der Löcher in der Kleidung variieren. Zum Abschluss dieser Handlungssequenz schneide ich ein großes Stück Stoff aus meiner Kleidung, welches den Bauch und eine Brust offen legt. Ich lasse das Publikum einen Moment lang schauen. Ich bedecke anschließend die Stellen wieder mit schwarzer Farbe, einschließlich des Gesichtes und des Dekolletes. Ich ziehe mich nach diesem Vorgang in das dunkle Loch, in den Kamin, zurück. Ich warte ab und lasse das Bild auf die Zuschauer wirken. Anschließend werfe ich den Zuschauern gläserne Murmeln aus dem Loch entgegen.
Hintergrund: Ich habe mich mit dem Thema „Verlust“ auseinandergesetzt. Verlieren kann der Mensch nur etwas, was er zuvor besessen hat. D.h. es muss erst ein Gewinn oder Besitz vorhanden sein, sodass ein Verlust stattfindet. Der Begriff „Verlust“ ist negativ, aber auch positiv konnotiert. Das Verlieren eines persönlich geschätzten Wertes, egal ob materiell oder ideell, führt zu einer schmerzlichen Erfahrung für den Menschen. Gleichzeitig kann dieser Verlust auch eine Entbindung von Pflichten sein oder ein Loslösen von Verantwortung, und kann damit zu einer Erleichterung führen. Vor allem der zwischenmenschliche Umgang ist von Verlust gekennzeichnet. Vielen Menschen fällt es sehr schwer sich zu öffnen und wahre Gefühle zu zeigen. Sich zu verschließen ist ein Schutzmechanismus der Menschen, um Enttäuschungen, Vertrauensmissbräuchen und Ehrlichkeiten zu entgehen. Obwohl ein aufrichtiges Begegnen für beide Parteien ein großer Gewinn sein kann, ziehen sich viele Menschen in die Oberflächlichkeit zurück und verbergen somit ihre eigene Persönlichkeit. Der Verlust bedeutet hier das Verleugnen des eigenen Wesens vor dem Selbst und der Welt, sowie der verpassten Chance Menschlichkeit zu beweisen. Gerade von der heutigen Gesellschaft wird dieses Rückzugs- und Abwehrverhalten geschürt. Ein ständiger Konkurrenzdruck und das Streben nach einem konventionellen Idealbild der eigenen Person weist den Menschen in seine Schranken. Für Gefühle und Ehrlichkeit ist hier wenig Platz; und ist auch nicht erwünscht!
8. Katarina Kastl (Brauerei)
Titel: Abbauen, 10 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich warte in einem Nebenraum bis sich das Publikum vor dem vorbereiteten Raum versammelt. Dort befindet sich in der Mitte des Raumes ein weißes ausgebreitetes Tuch (ca. 60 x 70 cm) auf dem Fußboden. Rechts und links davon sind jeweils 9 Backsteine in einer Reihe parallel zur Wand angeordnet. Stille. Ich durchschreite mit einem Spiegel (50 x 50 cm) von hinten die Reihen des Publikums, stelle mich vor den Zuschauern auf und hebe den Spiegel parallel zu meinem Gesicht. Darin sehe ich im Vordergrund mich und im Hintergrund das Publikum. Mit dem Spiegel laufe ich bis zu dem Tuch und platziere ihn dort in der Mitte. Ich schaue hinein. Dann beginne ich auf mein noch eben sichtbares Gesicht Schritt für Schritt einen Turm aus Backsteinen zu bauen. Dieser Turm hat 9 Ebenen. Ich steige auf die Steine und kauere mich auf dem „Haufen“ zusammen. Schließlich erhebe ich mich und stehe aufrecht. Ich betrachte das Publikum. Nun beginne ich Schritt für Schritt je einen Stein des Turmes abzubauen. Bis ich mit beiden Beinen wieder den Grund- den Spiegel, erreicht habe. Ich halte inne, schaue noch einmal in den Spiegel und verlasse dann den Raum.
Hintergrund: Abbauen: Unsicherheit, Ängste, Selbstzweifel, Selbstnegation, Selbstbeschränkung.
9. Katharina Kieselbach (Brauerei)
Titel: Damensitz, 90 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich bin entkleidet und sitze rittlings auf einem roten Metallstuhl, der in der Mitte des Raumes auf einer unebene Metallplatte steht. Ca. 4 Meter über mir hängt eine Taschenlampe, die einen milchigen Lichtkegel auf den Boden wirft und mich erhellt. Ich drücke mich mit den Füßen vorsichtig vom Boden ab und versuche auf den zwei Stuhlbeinen zu balancieren, die einen die sich unter dem vorderen Teil des Stuhls befinden. Es funktioniert nicht, daher probiere ich es noch mal und nochmal. Diese Handlung wiederhole ich während meiner ganzen Performance. Egal ob ich ganz vom Stuhl falle, oder nur aus dem Gleichgewicht gerate. Wenn der Stuhl wieder zurück auf dem Boden auftrifft, ertönt ein grollendes, schepperndes Geräusch, da sich die Metallplatte unter dem Stuhl verbiegt. Noch befinden sich keine Betrachter im Raum. Nach kurzer Zeit betreten die Zuschauer die Brauerei und nehmen zunächst nur das Geräusch wahr. Sie gehen dann einen dunklen Gang entlang, an dessen Ende sich der Raum befindet, in dem ich balanciere. Durch die spärliche Beleuchtung sehen sie zunächst nichts, oder nur kaum etwas. Die Augen müssen sich erst an das Licht gewöhnen. Je dichter sie kommen um so deutlicher wird das sich ihnen darstellende Bild. Sie bleiben mit etwas Abstand stehen und sehen mir bei meiner Handlung zu. Nach einiger Zeit verlassen sie den Raum wieder. Ich bleibe allein zurück und mache so lange weiter, bis für mich der Punkt erreicht ist, an dem ich aufhören kann. Ich gehe nicht bis zur völligen Erschöpfung, sondern höre da auf, wenn die Handlung ihren Sinn verliert und keine weitere Verbesserung, sondern eher einer Verschlechterung zu erkennen ist.
Hintergrund: Während der unterschiedlichen kleineren Übungen und Performances habe ich gemerkt, dass mich das Thema Balance sehr interessiert. Wie halte ich Balance, was passiert mit meinem Körper während ich versuche Balance zu halten und wie verändert sich mein Körpergefühl wenn ich eine Übung immer und immer wiederhole. Wie gehe ich damit um, wenn ich scheitere und wie ist das Gefühl wenn ich es doch schaffen sollte. Ist es überhaupt möglich und inwiefern ist es sinnvoll eine Handlung immer und immer wieder zu wiederholen, wie in einer Endlosschleife. Ab wann ist der Punkt erreicht etwas endgültig, oder vorläufig aufzugeben? Was passiert mit mir, woran denke ich und wie konzentriere ich mich? All diese Frage kamen aus und wollten beantwortet werden.
10. Claudia Scharf (Wiese/Dach der Brauerei)
Titel: ENSEMBLE, 10 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich stehe nicht am vereinbarten Ort. Mit den Händen klatsche ich aus der Ferne, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf mich zu richten. Ich komme näher, gehe direkt ins Publikum und lege Jule, die nichts davon wusste, einen Teil meines T- Shirts in die Hand. Wir ziehen erst vorsichtig, dann immer stärker bis wir das Oberteil in zwei Teile reißen. Ich versuch eine Fetzen wieder anzuziehen, aber es hält nur teilweise. Ich verlasse das Publikum langsam und gehe auf das Dach der Brauerei. Dort sitze ich in einem Fenster und betrachte den zweiten Teil des T- Shirts, der sich noch im Publikum befindet. Ich greife nach ihm und Jule klettert die zum Fenster führende Leiter hoch, um mir das Teil zu übergeben. Ich betrachte die Teile, küsse sie und versuche sie wieder zusammen zu nähen. Die Fetzen sind sehr kaputt, sodass ich sehr lange nähen muss. Die Teile halten nun wieder zusammen und ich ziehe sie an, berühre das zusammengefügte T-Shirt und sehe seine Löcher an. Zum Ende sehe ich sehr lange ins Publikum bis ich das Fenster verlasse und gehe.
Hintergrund: Mein Freund ist Franzose und wird bis 2011 in Dresden sein Diplom machen. Ich hab Angst vor meinem Auslandssemester nächstes Wintersemester und vor allem auf die Zeit danach, wenn er mit seinem Studium fertig ist und eventuell zurück nach Frankreich geht. Auch wenn er in Deutschland bleibt, wird er sich nicht Dresden als Arbeitsort aussuchen, uns wird eine ewige Distanz begleiten... zumindest solange ich mein Studium nicht beendet habe. Ich hoff einfach, dass wir auch nach gewissen Trennungen immer wieder zueinander finden.
11. Linda Straumer
(Wiese vor Mauer neben der Hofeinfahrt)
Titel: handlungsanweisung#manual, 30 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich stehe außerhalb des Bildes, das Publikum hat sich vor der Mauer im Halbkreis aufgestellt. Ich trete vor die Mauer, stelle mich in die Mitte der kleinen Wiesenfläche. Ich bleibe kurz stehen und blicke geradeaus, dann knie ich mich hin, hebe eine runde Grasnarbe auf und kippe sie zur linken Seite. Ich beginne nun mit den Händen ein Loch zu graben. Die Erde aus dem Loch häufe ich auf der rechten Seite auf. Ich grabe so lang, bis ein rundes und etwa 30 cm tiefes Loch entstanden ist. Ich ziehe nun meine Schuhe, Socken, T-Shirt, Hose und Unterwäsche aus und lege sie in das Erdloch. Nun schütte ich das Loch wieder mit Erde zu und setzte zuletzt die Grasnarbe darauf. Ich klopfe alles fest. Ich stehe auf und gehe ein paar Schritte in Richtung des Publikums. In geringem Abstand zum Publikum bleibe ich stehen. Ich stehe ca. 8 Minuten nackt da und schaue geradeaus. J zieht seine Schuhe und Socken aus und zieht mir Letztere an. K legt mir ihr T-Shirt um den Hals, C zieht ihre Hose aus und sie mir an, F zieht mir das T-Shirt richtig an, M bindet mir ihr Tuch um den Hals, K bindet mir ihre Jacke um, C zieht mir ihre Schuhe an. J kommt auf mich zu und umarmt mich. Ich nehme passiv an diesen Aktionen teil. Ich stehe nun noch eine Minute da, dann kommt M auf mich zu, nimmt meine Hand und geht mit mir aus dem Bild. An den nächsten Performances nehme ich mit der neuen Kleidung teil.
Hintergrund: Suchen, Finden, Altes hinter sich lassen, gespannt auf Neues sein, Beeinflussung, eigenes Potenzial, mit sich selbst Einig sein, Selbstkontrolle, Selbstregie.
12. Birgit Rössler (Im Gebäude, inmitten von Bauarbeiten)
Titel: WWW, 30 Minuten
Handlungsbeschreibung: Eine Baustelle im Haus. Mehrere alte Räume sind noch erkennbar und nacheinander aufgereiht. Sie sind jedoch schon keine abgeschlossenen Räume mehr. Eine freistehende Wand mit Durchbruch, wo schon einzelnen Ziegel fehlen, ohne Verbindung mit der Decke, die ist nicht mehr an dieser Stelle existent und gibt den Blick auf Dachstuhl und Dach frei. Insgesamt ergeben drei Wände eine Nische, vor welcher sich ein Schuttberg aus Staub etwa hüfthoch türmt. Die Umgebung selbst hat den staubigen Charme, der gewöhnlich für Baustellen ist. An den Wänden selber blättern mehrere Farbschichten ab und geben den Blick auf Vorangegangenes frei. Ansonsten befand sich an der Wand wohl früher ein Ofen, was die durchfettete Oberfläche der Farbe vermuten lässt. Alle Zuschauer nehmen Aufstellung, dass sie die Wand mit dem Schuttberg gut im Blick haben. Nachdem Ruhe eingekehrt ist, komme ich, gekleidet vollkommen in weiß, nett zurechtgemacht im T-Shirt mit Puffärmelchen und den weißen Riemchenballerinas. Das Haar ordentlich gekämmt, der Blick neutral nach vorn, an den Zuschauern vorübergehend, hole ich einen Eimer weiße Wandfarbe mit den für Malerarbeiten entsprechenden Utensilien. Der Eimer wird vor dem Publikum angestellt und vorsichtig geöffnet. Behutsam die Rolle eingetaucht und akkurat abgestrichen, wird der Schuttberg beschritten und die Rolle mit der Farbe behutsam an der Wand ausgerollt, ganz vorsichtig, sich nicht beschmutzend. Der Vorgang wird wiederholt und wiederholt, bis die Wand perfekt in frischem weiß strahlt. Dabei ist festzuhalten, dass es sehr viel Mühe bedarf nicht mit jeder Rollbewegung die alten porösen Farbschichten immer und immer wieder zu beschädigen und herunter zu reißen. Die Wand ist nun perfekt fertig gestrichen und der Farbeimer wird geschlossen. Bis auf die Schuhe, welche randvoll mit Schutt gefüllt sind, ist das Bild so weiß und rein, dass der Staub und die Baustelle vergessen scheinen. Ich nehme den leeren Eimer, welcher zu Anfang dem Transport der Malutensilien diente und steige auf den Staubberg. Mit meinen Händen befülle ich ihn mit dem Staub, dem Anschein nach aufräumend. Mit dem gefüllten Eimer dicht an der Wand stehend wende ich mich dem Publikum zu, halte eine Sekunde inne um den Eimer mit beiden Händen in die Höhe zu strecken und seinen gesamten Inhalt über mich zu ergießen. Den gesamten Raum durchzieht eine wundervolle gigantische Staubwolke, der die Zuschauer komplett einhüllt. Mit dem Eimer immer noch in der ausleerenden Überkopfposition haltend und mit festem Blick geradeaus, warte ich, dass alle Zuschauer gegangen sind.
Hintergrund: Immer nur Fragen und keine Antworten. Ständige Zweifel und das Streben und Suchen nach einer Lösung. Einer Lösung und keinem Kompromiss. Keine harmonische Diplomatie, es niemanden anderem recht machen, mit sich selbst im Reinen sein, zufrieden und glücklich. Keine für andere perfekte Welt bauen, nichts formal Ästhetisches schaffen, was von anderen bestaunt wird und jedoch nur innere Leere hinterlässt. Kurzer Auszug aus dem „Werkstattbuch“: ICH WILL: …was absurdes Fröhliches tun – was Verrücktes, mal keine Verantwortung für nix und niemand, kein Fels in der Brandung, der der Urkraft des Wassers trotzt, sondern der, der mit der Arschbombe ins Schwimmbecken springt, mal nicht nur höflich, lieb, nett, hilfsbereit und rücksichtsvoll, mal nicht formal-ästhetische „Edle Einfalt – Stille Größe“, was, was herausfordert.
13. Isabell Kronfeld (Scheune)
Titel: Sich treu bleiben, 15 Minuten
Handlungsbeschreibung: In der Scheune ist ein Draht gespannt. Das Publikum steht in einer Reihe parallel zum Draht. Es ist vollkommen dunkel. Ich komme in den Raum, stelle mich seitlich zum Publikum an die Wand und warte einige Sekunden. Dann gehe ich zur Mitte des Raumes, wo meine Materialien (Transparentpapier, Kohle, Draht zum Aufhängen) liegen und nehme das erste Transparentpapier und die Kohle. Danach gehe ich zum ersten Zuschauer, lege ihm das Transparentpapier auf das Gesicht und streiche langsam mit der Kohle darüber und hänge schließlich das Papier an den für das Publikum nicht sichtbaren Draht. Anschließend hole ich mir ein neues Blatt und gehe zum nächsten Zuschauer. Dies wiederhole ich solange, bis alle an der Reihe waren. Ich hole mir ein Feuerzeug aus der Mitte und stelle mich hinter die aufgehangene Gesichterreihe. Nach einigen Sekunden baeginne ich, nacheinander die Gesichter anzuzünden. Nachdem alles abgebrannt ist, gehe ich zur Asche des ersten Gesichtes, hebe sie mit beiden Händen auf und puste sie in die Richtung der dazugehörigen Person. Dies wiederhole ich mit allen Zuschauern. Abschließend verweile ich einige Sekunden seitlich zum Publikum gerichtet am anderen Ende des Raumes und verlasse ihn schließlich.
Hintergrund: Sich treu bleiben - sich anzupassen, in Situationen, in denen man nicht sich selbst sein möchte, kann oder darf. In denen man ein zweites Ich schafft, um anders zu sein und zu wirken. Die eigene Individualität zu verstecken, verschwommen darzustellen, bedeutet die eigenen Charaktereigenschaften und das Besondere, aufzugeben, um sich anzupassen, zu verstecken oder zu schützen. Das zweite Ich als ständiger Begleiter, den man zwar immer wieder ablegen möchte, von dem man sich trennen möchte, der jedoch an einem haften bleibt, weil er ein Teil der Persönlichkeit ist. Der Versuch, sich treu zu bleiben, wird immer wieder unternommen; scheitert oder gelingt.
14. Katrin Dorschner (Scheune)
Titel: 10, 10 Minuten
Handlungsbeschreibung: Dämmerlicht fällt in den Speicher. In der linken Hälfte des Raums steht ein kleiner Tisch mit Stuhl. Auf dem Tisch liegt eine weiße Tischdecke, auf der linken Seite steht eine kleine Kerze. Ich betrete langsam den Speicher, laufe zum Tisch und setze mich, die Zuschauer anblickend, auf den Stuhl. Eine mitgebrachte Schachtel Streichhölzer lege dicht vor mir auf den Tisch. Der Schachtel entnehme ich ein Streicholz und zünde es an. Nachdem es zur Hälfte zwischen meinen Fingern abgebrannt ist, nehme ich es in die andere Hand und lasse es ausbrennen. Das verbrannte Streichholz lege ich vor mir auf die Tischdecke. Ich nehme das nächste Streichholz aus der Schachtel, entzünde es, lasse es ausbrennen und lege auch dieses vor mir auf die Tischdecke. Nicht vollständig abgebrannte Hölzer lege ich beiseite. Den Vorgang wiederhole ich solange, bis das Wort HALT aus zehn vollständig abgebrannten Hölzern auf der Tischdecke geschrieben steht. Ich erhebe mich vom Stuhl und verlasse langsam den Raum.
15. Juliane Schramm (White Cube)
Titel: Conserve it!, 5 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich gehe in den white cube, einen gefüllten Wassereimer tragend und setze mich in die Mitte des hinteren Raumes. Ich knie mich vor den Wassereimer, neben mir liegt auf der rechten Seite ein kleines Packet Klebestreifen, auf der linken Seite steht ein leeres, zugeschraubtes Einwegglas. Nun beginne ich mir mit dem weißen Klebestreifen ein Kreuz auf den Mund zu kleben, ich schaue dabei in die hellen Scheinwerfer. Ich warte kurz und beuge mich zum Wassereimer vor und tauche meinen Oberkörper in den Eimer ein und warte solange bis ich keine Luft mehr bekomme. Ich erhebe meinen Kopf wieder aus dem Wasser und sitze still da, ich reiße das Klebeband vom Mund und tauche ein zweites Mal ein. Nun schreie ich frei und laut in das Wasser, erhebe mich wieder und sitze ruhig da. Ich nehme dann das Einwegglas und schöpfe Wasser aus dem Eimer und schließe dies mit dem Deckel ab. Ich konserviere die in das Wasser geschriene Wut. Ich stelle das Glas ab und stoße beim Aufstehen den Wassereimer um und versuche das austretende Wasser mit meinen Händen in kreisenden Bewegungen aufzufangen und wieder in den Wassereimer zurückzugeben, ich fange das Wasser auf den Handflächen auf und führe es zum Mund, nehme das Wasser in den Mund und spucke es zurück in den Eimer. Dann steh ich auf und gehe mit dem Eimer aus dem Raum. Dabei hinterlasse ich eine tropfende Spur, eine große Pfütze und ein Einwegglas mit konservierten Schreien.
Hintergrund: Ich beschäftige mich mit dem Thema der kontrollierten Wut, die mich seit einigen Jahren immer wieder konfrontiert. Ich erlebte in der Vergangenheit eine schwere Krankheit, die mich kontrollierte und ich nicht sie. Da versuchte ich innerlich gegen die Todesangst zu schreien, doch nichts änderte sich, lange Zeit. Heute begegnen mir diese Situationen immer und immer wieder und ich versuche zu schreien und alte Muster einzureißen, doch manchmal fehlt die Kraft es zu tun. Ich konserviere meine Wut darüber, denn auch wenn ich mich damit auseinandersetze, so ist die Vergangenheit ein Teil von mir, der nicht verschwindet wird. Ich kämpfe damit, doch ich weiß, dass ich, auch wenn ich diese Momente einreiße, ich einen Teil mit mir führe.
16. Carolin Jacob (Stall)
Titel: Das Beste, 15 Minuten
Handlungsbeschreibung:Die Besucher stehen zu Beginn vor einem hell beleuchteten Stehtisch im Stall, auf dem ein Brot in einem weißen Tuch liegt. Ich stelle mich an den Tisch und packe das Brot aus, wobei auch ein großes Brotmesser zu Tage kommt. Danach beginne ich Scheibenweise das Brot zu zerschneiden und danach zu würfeln. Die Arbeit wird zunehmend beschwerlicher und aus dem Schneiden wird langsam ein Hacken, sodass auch Brotstücke vom Tisch fallen. Immer mehr Wut und Zorn lege ich in die Arbeit. Irgendwann ist nur noch ein Haufen mit Brotkrumen übrig, den ich ordentlich zu einem Berg auftürme. Danach verlasse ich kurz die Szene, um eine Dose Sprühsahne zu holen. Vor dem Stehtisch mit dem Brothaufen schüttele ich die Dose, stelle sie kurz ab, um sie danach in meine Nasenlöcher zu sprühen, bis ich über und über mit Sahne bedeckt bin.Danach gehe ich und beende die Performance. Zurück bleiben das Brot und die Sprühsahne.
Hintergrund: Die Performance wirkte auf die Betrachter meist komisch. Humor war durchaus geplant bei Konzeption, jedoch nicht Hauptaspekt. Ich wollte bewusst Skurriles und Unvorhergesehenes mit meiner Persönlichkeit und einem eigenen Erlebnis verbinden. Ich neige dazu, Handlungen immer sehr korrekt auszuführen. Diesen Charakterzug wollte ich mit dem Brotschneiden darstellen und damit auch zeigen, wie störend diese Eigenschaft manchmal sein kann. Ich habe das Brot zerschnitten, bis mir die Hand weh tat. Manche Tätigkeiten führe ich im Alltag ziemlich penibel aus, ohne dass man von Außen groß Notiz davon nimmt oder diese Korrektheit wirklich wichtig wäre. Das Brotschneiden zeigt eine Alltagssituation, die immer zermürbender und sinnloser wird. Die Sahne soll der skurrile Umschwung in der Performance sein. Der Betrachter hat vielleicht erwartet, dass ich die Sahne auf den Brothaufen sprühe, als eine Art Sahnehäubchen. Die Tatsache, dass ich sie mir in die Nase gesprüht habe, hat aber auch einen persönlichen Hintergrund: Als Allergiker war ich immer schon auf Nasensprays angewiesen. Als Kind und Jugendliche habe ich sie "zu meinem Besten" bekommen, was am Ende zu einer Abhängigkeit führte. Für diese Sucht wurde ich oft belächelt. Die überschwellende Sahne steht dafür. Sahne ist eigentlich etwas Gutes und Besonderes. Mit dieser Entfremdung stelle ich auf skurrile Weise dar, dass Andere "das Beste" für einen wollen, jedoch das Gegenteil erreichen.
17. Hanna Geißert (Stall)
Titel: Quadrat-meter, 15 Minuten
Handlungsbeschreibung: Mein Anfangsbild ist clean: Der Raum ist hell und weitläufig, vor mir befindet sich eine Anordnung von ca. 12 Metallplatten, die gestapelt sind. Der Raum ist mit zwei Scheinwerfern ausgeleuchtet; das Publikum fügt sich mir gegenübergestellt als grafische Silhouette in mein Bild mit ein. Ich nehme mir die erste Metallplatte und ordne sie und eine weitere -im gleichen Abstand- nebeneinander auf dem Boden an. Schließlich hole ich eine dritte Platte vom Stapel und werfe sie willkürlich in den Raum auf die gegenüberliegende Seite, so dass der Klang den hallenden Raum erfüllt. Im gleichen Rhythmus ordne ich auch die weiteren Metallplatten an, bewege mich dabei abwechselnd von der rechten auf die linke Seite, während meine Bewegungen als Schatten an der Wand übertragen werden. Zwischendurch wird die Ruhe durch ein stählernes, schmetterndes Geräusch zerbrochen. Mit der Zeit lässt sich ein klar geordnetes Rechteck auf der rechten Seite und ein willkürlich geordnetes Bild auf der linken Seite erkennen. Nun soll die geschaffene (Un)Ordnung miteinander verbunden und strukturiert werden. Ich gehe nach vorne, nehme mir das schwarze Klebeband und beginne die Platten mit der Kontur eines Rechtecks zu überziehen. Das erste Rechteck unterliegt einer klaren Ordnung, während das zweite Bild chaotisch, zufällig im Raum entstanden ist und daher auch nicht in einem Raster aus Klebeband messbar ist. Ordnung und Chaos, Innen und außen.
Hintergrund: Während des Workshops entdeckte ich für mich in verschiedenen Übungen das Thema Balance, bzw. Innen und Außen. Ich stellte fest, dass ich das Bedürfnis hatte das Thema weiterzuverfolgen – das Leben als ständiger Prozess von Entscheidungen, die dazu beitragen ständig mit sich die Balance zu halten. Das Leben ist geprägt von Ordnung und Chaos zugleich, von Vernunft und Emotionen, die nicht unbedingt miteinander vereinbar sind. Im Prozess der Entscheidung entsteht das Gefühl einer inneren Zerrissenheit, einerseits logisch zu handeln, andererseits intuitiv zu agieren. Letztendlich kann man aber reich an Erfahrungen und mit der Akzeptanz über die eigene Persönlichkeit die Ungewissheit verlassen, um sich einer neuen Herausforderung zu stellen, der nächsten Entscheidung.
18. Christian Grimm (Amphitheater)
Titel: Steter Tropfen, 10 Minuten
Handlungsbeschreibung: Es ist bereits dunkel. Ich habe ein dunkelblaues T-Shirt und ein dunkelblaues Paar Jeans an, bin barfuß und sitze auf einer Fußbank in einer Ecke des Amphitheaters. Dort warte ich, bis sich das Publikum in einem Halbkreis um mich versammelt hat. Vor mir stehen ein leeres Trinkglas und eine Glaskanne, die mit Wasser gefüllt ist. Hinter mir befindet sich eine große Regentonne, die ebenfalls mit Wasser gefüllt ist. Die Szenerie ist mit zwei Taschenlampen, die ein grelles und kühles Licht geben, beleuchtet. Die eine ist über der Tonne befestigt, die andere befindet sich in einiger Entfernung vor mir auf dem Boden.Ich schenke mir ein Glas Wasser ein und trinke es sehr langsam nach und nach aus, das Glas immer wieder absetzend und das Publikum betrachtend. Nachdem ich das Glas geleert habe, stehe ich auf, nehme Glas und Kanne mit mir und gehe um die Hälfte der Tonne herum. Dort fokussiere ich das Publikum abermals und werfe das Trinkglas in die Tonne. Anschließend gieße ich das restliche Wasser, das sich noch in der Kanne befindet, in die Tonne und werfe die Kanne ebenfalls hinein. Danach umrunde ich die Tonne ganz, bis ich wieder an meinem Ausgangsort stehe. Ich ziehe die Fußbank an die Tonne heran, drehe dem Publikum den Rücken zu und bleibe vor der Tonne stehen. Dann ziehe ich mich aus und stelle mich auf die Fußbank. Nach einer Weile steige ich in die Tonne und setze mich in das kalte Wasser. Dort bleibe ich, bis das Publikum die Szenerie verlässt.
Hintergrund: Es geht in meiner Performance in erster Linie um die gegensätzlichen Eigenschaften, die das Element Wasser in sich vereint. Zum einen ist es lebensnotwendig und gebend, zum anderen aber auch zerstörerisch, grausam und nehmend. Ferner habe ich mich auch mit meinen eigenen Erfahrungen und Ängsten, das Thema Wasser betreffend, auseinandergesetzt.
19. Heidi Jodeit (Ruine)
Titel: The End, 16 Minuten
Handlungsbeschreibung: Ich stehe im Dunkeln auf der Ruine im mittleren der drei Fenster während das Publikum von unten meine Silhouette sehen kann, da im Hintergrund ein Schweinwerfer an die Mauer scheint. Ich nehme einen Strick und beginne ein Netz aus Quadraten zu spinnen. Der Strick ist in Petroleum getränkt. Zunächst spinne ich die horizontalen Ebenen und anschließend die vertikalen Ebenen. Dabei biegt sich das quadratische Muster und die Vierecke hängen durch, sind nicht mehr perfekt. Währenddessen läuft Musik. Das Netz ist gesponnen und ich betrachte es. Ich gehe aus dem Blick der Betrachter. Komme wieder und zünde das Netz an. Es brennt. Ich gehe erneut aus dem Blick des Betrachters.
Hintergrund: Ordnungssysteme, Wiederholungen und Quadrate faszinieren mich. Auch während des Performance Workshops hat sich dieses Thema wie ein roter Faden durch meine Entwicklung gezogen. Die Frage hat sich mir gestellt, ob ich an den Ordnungen festhalten soll. Woher kommt dieser Ordnungsdrang? Wie entkomme ich ihm? Muss ich mich meiner Angst stellen um sie zu überwinden?