Wintersemester 2011/12
Sabine Uhlig „Cover“
(Dauer: 10 Minuten)
Handlungsbeschreibung
Ich habe rot geschminkte Lippen. Ich trage rote hohe Schuhe, bei denen meine Zehen eingequetscht werden. Ich bin zehn Zentimeter größer als sonst, meine Muskeln sind angespannt. In meiner Hand halte ich eine Zeitschrift mit dem Foto einer Prominenten auf dem Cover. Ich trete an die Zuschauer heran und lege ihnen meine Hand an die Stirn - wie in der Kirche beim Segenspenden. Ich rezitiere kurze Sätze aus der Zeitschrift und verwische mit einem Tuch meine Schminke und ziehe einen Schuh aus. Ich lege mich auf den Boden und ziehe mit Kreide meinen Körperumriss nach und ziehe den an- deren Schuh aus. Ich gehe.
Hintergrund
„Cover“ ist eine Auseinandersetzung mit dem medial vermittelten Bild der Frau. Die Fokussierung auf das Oberflächliche und die Vermittlung von seichten Inhalten versuche ich in der Performance kritisch zu beleuchten. Mein persönliches Resultat endet mit mir in der Opferrolle und der Option auszusteigen.
Lisa Klotzsche „Frühlingsrolle“
(Dauer: ca. 15 min)
Handlungsbeschreibung
Ich betrete den Spielraum, die Ladenmeile Prager Straße. Mein Oberkörper ist eingewickelt in ein langes Band aus weißer Tapete. Nach einem kurzen, vergeblichen Versuch, die einengende Hülle im Stehen von mir zu streifen, lege ich mich auf den Boden und beginne, mich langsam entlang der Fußgängerpassage zu rollen. Dabei rollt sich das weiße Tapetenband von meinem Körper. Die Innen- seite des äußerlich weißen Papierstreifens entpuppt sich als frisches Grün und hinterlässt eine far- benfrohe Linie zwischen den grauen Fronten der Einkaufshäuser. Meine Rollbewegung wird mit zunehmender Strecke gleichmäßiger und endet, sobald das gesamte Band (ca. 160 m) abgerollt ist. Ich richte mich auf, verlasse den Spielraum und die Zuschauer mit meinen Überresten.
Hintergrund
Die Frühlingssaison ist der Übergang vom Winter zum Sommer. In dieser Zeit findet man kaum noch einen freien Fahrradplatz auf dem Unicampus und auch in der Stadt häufen sich die Menschen, die nun immer öfter zu Fuß unterwegs sind, als auf Bus oder Bahn zurückzugreifen. Mein Rollen als Fortbewegungsart soll zwei Dinge vereinen: zum einen das Aufwachen aus dem Win- terschlaf, bei dem der warme Winterpelz abgelegt wird und eine Art seelischer Tapetenwechsel pas- siert, zum anderen möchte ich das Gehen der Passanten auf der Einkaufsmeile verfremden. Durch meine ungewöhnliche Tätigkeit im öffentlichen Raum hinterlasse ich eine Spur, die auf mich auf- merksam macht, auch nachdem ich bereits den „Spielraum“ verlassen habe. Eine Linie, der man fol- gen kann und an meinem Weg teilhaben, oder die genauso gut umgangen werden kann.
Nadine Müller „Die Haftung“ (Dauer: ca. 8 min)
Handlungsbeschreibung
Startbild: Sitzend in mit Wasser gefüllter Wanne Endbild: langsam Weggehen, Prager Straße entlang Nachdem ich aus der Wanne aufgestanden bin, trete ich heraus auf die foliierte Unterlage. Ich hebe den vor der Wanne stehenden Eimer an, halte ihn vor mich und überschütte mich schließlich mit dem darin befindlichen Wasser. Ich bleibe stehen und spüre wie das Wasser von mir tropft. Dann laufe ich zu dem nebenstehenden Eimer, der ein wenig Schlamm beinhaltet und geh mit dem Eimer zu einem nahe liegenden Mülleimer. Daraus entnehme ich einige Dinge und lege sie in den Eimer. Ich laufe mit dem Eimer zurück auf meine Unterlage und stelle mich in einen weiteren Eimer, der mit Erde gefüllt ist und schütte den Müll über meinen Kopf. Nach kurzer Zeit trete ich aus dem Eimer und gehe barfuß die Prager Straße entlang, weg vom Performance-Ort.
Hintergrund
Spuren sind Elemente, die jeder ein ganzes Leben lang sammelt. Wir kommen „rein“ auf die Welt, haben keine Erinnerungen, Gedanken oder jegliches an uns. Dann beginnt der Lauf des Lebens, das Sammeln von Erfahrungen, das Erinnern! Manches bleibt haften, können wir nicht vergessen und von uns wischen. Manches wird einfach wieder verdrängt, überschrieben, abgewaschen! Jeder ist von diesen Spuren geprägt. Das macht den Menschen aus, das macht mich aus. Die Unterlage, auf der die Performance stattfand, sind meine persönlichen Sammlungen. Fahrkarten, Lieblingsessen, Briefmar- ken, Fotos... – ein Bezug zu meinem Leben.
Peggy Sturm-Otto o.T.
(Dauerperformance, ca. 2-3 Std.)
Handlungsbeschreibung
Ein kleiner Raum im Keller des Blauen Hauses. Ausgestattet mit drei Paketen weißem Papier, durch- sichtigem Klebeband, scharfer Schere, gefülltem Wasserkübel und einer großen Plastikflasche mit pastellfarbenem, handseifigem Inhalt. Stille. Kein Publikum. Über eine Türschwelle betrete ich diesen präparierten Raum im Keller des Blauen Hauses. Das Licht ist eingeschaltet und überlässt den Raum sich selbst in seiner cleanen Atmosphäre. Ich sehe mir jede der vier Wände im Raum genau an. Ich knie mich zu Papier, Schere und Klebeband. Mittig im Raum platziert. Ich schneide einen Streifen Klebeband ab, nehme ein weißes Blatt Papier und klebe es so hoch an die 1. Wand, wie ich es auf Zehenspitzen mit ausgestreckten Armen schaffe. Dabei flüstere ich. Unter dem ersten Blatt befestige ich ein zweites. Unter dem zweiten direkt ein drittes. Immer wieder in der gleichen Art und Weise kniend in der Mitte des Raumes, einen Streifen Klebeband schneidend. Ein Blatt Papier nehmend und es an die Wand klebend. Flüs- ternd. Die 1. Wand. Die 2. Wand. Die 3. Und die 4. Rasend. Ruhend. Atmend. Schnaufend. Schwit- zend. Flüsternd. Publikum kommt. Geht. Kommt. Geht. Verweilt. Spricht. Ich verstehe nichts, flüste- re. Geht. Kommt. Verweilt. Alle vier mich umgebenden Wände sind weiß besetzt und beflüstert. Ich greife nach der Handseife und verteile sie auf Zehenspitzen dick am obersten Papierrand auf allen vier Wänden. Sie verteilt sich selbst im Raum. Ich zerre den Wasserkübel durch den Raum von Wand zu Wand und reinige jedes Blatt weißes Papier mit Wasser und Seife. Ich gehe.
Hintergrund
Intensives Auseinandersetzen. Zeit nehmen für das Bewusstsein von: Hier. Damals. Früher. Manch- mal. Immer. Morgen. Übermorgen. Gestern. Heute. Dort. Jetzt. Viel mehr als ein weißes Blatt Papier. Vielleicht eine Folie. Die pure Reinheit. Eine Wahrheit. Die Un- berührtheit. Die Ehrlichkeit. Eine Leerstelle. Vielleicht. Vielleicht. Vielleicht. Ein Abbild. Ein Platzhal- ter. Ein Medium. Ein Gedanke. Die Farbe. Ein Symbol. Ein Ausdruck. Ein Gedenken. Eine Erinnerung. Die Unendlichkeit. Die Stille. .
Anne Schönekess „Verarbeiten“
(Dauer: ca. 80 min)
Handlungsbeschreibung
Steriler Raum mit Leiter und Holzbrett, Livestream vom Laptop im Duschraum über Beamer in Gang des Kellers übertragen (begrenztes Sichtfeld für Zuschauer)
1. Vor Holzbrett knien, weißes Leinendeckchen auf Holzbrett legen
2. Päckchen aus Off nehmen, öffnen Fleisch auf Brett legen
3. großes Messer aus Off nehmen, Fleisch in feine Stücke schneiden
4. Fleisch in Laminier-Folie (A3) legen, einschweißen mit Laminiergerät (im Off)
5. sichtbar für Zuschauer: fünf Folien mit dem Tacker verbinden
6. Leiter besteigen, Folien – ersten Streifen mit Power-Strips anbringen (nur Ausschnitt des Vorgangs zu sehen)
7. Vorgänge wiederholen
8. beim letzten Laminieren blutiges Leinendeckchen zerteilen, eine Hälfte in Folie laminieren
9. Wiederholungen beendet, wenn vier Folien-Streifen angebracht sind
10. große Fleischstücke an Draht befestigen, neben Folien-Streifen hängen
11. zweite Hälfte des Leinendeckchens über Leitergriff hängen
12. Brett mit Rest des Einwickelpapiers und Fleischstückchen sowie Messer liegen lassen („blutiges Stillleben“)
Hintergrund
Was ist in der Hülle? Abstand zum Ursprung des Lebensmittels, Ausblendung des Lebewesens dahinter? Weniger Achtung vor dem einzelnen Tier? Massentierhaltung, unnötige Tiertransporte, Schlachtvieh, Effizienz, Wert von Leben? Darf Leben nach Effizienzmaßstäben eingeteilt werden? Art von Genuss? Alles muss schnell zuzubereiten sein, lange lagerfähig. Muss alles immer noch mehr beschleunigt werden?
Leitsätze für die Fleischerzeugung, Zerlegen, Schlachthof, Fleischmaserung, Fleischlagerung, Fleisch- reifung, Abhängen, Fleischsaft einschweißen, verpacken, konservieren, steril, Reinraum, Plastikmüll... Fleisch – Leben und Körper, Macht, zerfleischen, vom Fleisch fallen, Fleischeslust, Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach, geschundenes Fleisch, Fleisch in der Religion: Opferfleisch – Schlachttiere Göttern geweiht, religiöser Fleischverzicht (Hindus: Kalb, Rind / Juden, Moslems: Schwein), Tod und Vergänglichkeit vs. (Auf)Bewahrung, (Zer)Fleisch(en) in steriler Umgebung
„In dem Video, das uns gezeigt wird, sieht man, wie R. mit halb abgerissenem Bein, das notdürftig mit einem Schal zusammengehalten wird, hektisch in ein Fahrzeug geladen wird. Die erste Privatklinik, in die man ihn brachte, war an jenem Tag überfüllt. Er und sein 28-jähriger Neffe, dessen linker Arm nur noch an einigen Fleischfetzen hing, wurden in eine andere Klinik transportiert. Unterwegs wurde die Ambulanz an einer Straßensperre der Sicherheitskräfte angehalten. Die beiden Verwundeten wurden festgenommen, in ein gepanzertes Fahrzeug gesetzt und ins Militärkrankenhaus verbracht. Dort wurden ihnen die Augen verbunden, sie wurden ohne ärztliche Versorgung mit Handschellen an ihr Bett angeschlossen und acht Stunden lang gefoltert. »Sie haben mir mit Esstabletts auf den Kopf und den Körper geschlagen. Sie haben Stricke um mein verletztes Bein gebunden und in alle Richtungen daran gezogen. Sie haben mir noch viele andere Sachen angetan, aber ich erinnere mich nicht daran.« Die Männer, von denen sie gefoltert wurden, suchten nicht einmal Informationen, sie begnügten sich damit, ihre Opfer zu beleidigen. »Aha, du willst Freiheit, da hast du deine Freiheit!« Sein Neffe ist an den Schlägen gestorben. R. ist dann schließlich in die Chirurgie gekommen, um operiert zu werden. Danach wurde er ins Gefängnis gesteckt, ohne postoperative Versorgung: Sein Bein hat sich infiziert und wurde zwangsweise von einem Militärarzt amputiert. Man zeigt mir ein Foto von ihm bei seiner Freilassung: leichen- hafte, gelbe Haut...“
Jonathan Littell, Die Zeit: „Die breite Straße des Todes.“ Seite 2/4, 2012 über Folter in syrischen Krankenhäusern, URL: http://www.zeit.de/2012/09/Syrien-Littell/seite-2
Mediale VerarbeitungAbstand zum Geschehen, Distanz zum eigenen Empfinden / Ertragen Was wird vom Geschehen gezeigt? Was wird weggelassen? Wer entscheidet über das, was gesehen werden kann? Was passiert hinter den Kulissen? Wo kommt unser Wissen über die Dinge her? Reicht ein Mausklick für die Meinungsbildung?
Freya Umbach „GemEinsam“
(Dauer: ca. 20 min)
Handlungsbeschreibung
Meine Performance findet im Bunker des Blauen Hauses und auf dem Altmarkt bzw. dem Weg zwi- schen Altmarkt und Prager Straße statt.
Zunächst erst einmal zu dem Teil der Performance, der im öffentlichen Raum stattfindet: Vollkommen in schwarz gekleidet und mit langen Klebestreifen beklebt, mische ich mich in die Menge. Ich beginne damit, mich einfach neben Menschengruppen zu platzieren und Präsenz zu zeigen. Dann beginne ich, auf die Menschen zuzugehen und mich selbst, zwei oder mehr andere Menschen mit den Klebestreifen zusammenzukleben. Teilweise verfolge ich die Menschen kurz, warte auf sie, klebe von vorn oder von hinten. Ich laufe ihnen langsam hinterher, nehme die Bewegung auf und laufe mit ihnen oder renne ihnen hinterher. Ich warte ihre Reaktion ab.
Negative Reaktionen habe ich dabei belassen. Fragen habe ich beantwortet. Oft hat sich daraus ein längeres Gespräch entwickelt. Eine Gruppe junger Mädchen war ganz begeistert von dem Gedanken, mit ihren Freundinnen durch Klebeband verbunden zu werden. Folglich wollten dies dann alle Mitglieder der Gruppe. Diese Performance im öffentlichen Raum wurde die gesamte Zeit von Lisa Klotzsche gefilmt.
Nun zu der Performance im Bunker des Blauen Hauses:
Das Publikum befindet sich bereits im Raum. Zu sehen ist zu diesem Zeitpunkt in der von mir ausgewählten Nische ein Eimer mit Wasser und (weniger auffällig) Klebestreifen an der Wand. Vor dem Bühnenraum liegen einige Scheren. Ich betrete den Raum mit bzw. auf einem Faden. Dieser bestimmt meinen Weg. Ich klebe meinen Weg erst durch den Faden ab und folge ihm dann. Ich laufe in einem Kreis um das Publikum und grenze sie dabei ein. Bei der zweiten Runde wird der Kreis, in dem sie sich aufhalten noch kleiner. Ich lege den Faden ab. Nun greife ich eine neue Rolle mit der gleichen Art Faden auf. Mit dieser klebe und be- grenze ich meinen eigenen Raum. Ich spinne ein Netz um mich und grenze mich so deutlich vom Pub- likum ab. Die Fäden sind in drei verschiedenen Höhen angebracht. Dadurch befinden sich die Fäden, welche mich von der Masse trennen, in Aktionshöhe, d.h. in dem Bereich, in dem man am meisten agiert, also Hand- und Oberkörperhöhe. Ich setze mich vor den Eimer auf den Boden. Blicke einzelne Personen aus dem Publikum an. Dann greife ich nach den am Eimer befestigten Fäden. Langsam zie- he ich sie fest. Dann kippt der Eimer, das Wasser ergießt sich über den Erdboden. Meine Kleidung saugt sich damit voll. Es fließt langsam Richtung Publikum. Ich könnte durch die Begrenzung zu die- sem Zeitpunkt nicht aus meinem Bereich heraustreten. Das Wasser jedoch kann dies. Ich wische mit meinen Händen und Armen auf dem Boden, um das Wasser weiter voran zu treiben. Es fängt sich in einer Rille, die sich ebenfalls auf Höhe der Abgrenzung befindet. Kleiner Mengen des Wassers gelangen in den Raum des Publikums. Ich beginne das Wasser zu stoßen und zu spritzen. Einige Betrachter werden dabei getroffen. Ich stehe auf und blicke erneut einzelnen Menschen aus dem Publikum in die Augen. Dann nehme ich eine Schere und durchschneide einen Faden. Ich blicke wieder zurück ins Publikum, zerschneide den zweiten Faden, wieder ein Blick wieder ein Schnitt. Ich habe mich aus meinem selbst eingegrenz- ten Raum befreit und steige über die Grenze. Ich greife nach einer dritten Rolle, welche ebenfalls aus der gleichen Art Faden besteht. Dann beginne ich, den Faden am Fußgelenk eines Beobachters fest- zuknoten. Dies wiederhole ich bei jedem einzelnen aus dem Publikum und stelle mich letztendlich neben die zuletzt festgebundene Person und binde mich an sie. Währenddessen wird das Video der Performance im öffentlichen Raum von Lisa Klotzsche gestartet und an die Wand gegenüber des Spielraumes der gerade dargebotenen Performance gestrahlt.
Hintergrund
Wir balancieren auf einem schmalen Grad zwischen Abgrenzung, unpersönlichem Verhalten, Ignoranz und Gemeinschaft. Dieses Abgrenzen und wieder Herantasten möchte ich durch meine beiden Performances deutlich machen. Viele Menschen grenzen sich gerade in der Öffentlichkeit sehr von ihren Mitmenschen ab. Sie scheinen sogar Angst zu haben. Aus diesem Grund wollte ich sie mit der Performance im öffentlichen Raum konfrontieren, anregen oder öffnen. Viele Menschen haben sehr positiv auf mein Unterfangen reagiert und es ist zu zahlreichen interessanten Gesprächen gekommen. Einige sind durch das Klebeband enger zusammengerückt, haben sich umarmt oder sind Hand in Hand weiter gelaufen. Genau dies war meine Intention. Nämlich Kommunikation und eine Verbindung zwischen den Menschen herzustellen. Außerdem eine bewusstere Wahrnehmung der Menschen in unserer Umgebung. Das Thema habe ich in meiner Performance im Bunker des Blauen Hauses wieder aufgegriffen. Auch dort bin ich auf dem Pfad zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft balanciert. Ich habe die Gruppe zusammengeführt, mich abgegrenzt, langsam wieder herangetastet und schließlich alle miteinander verbunden. Die Scheren auf dem Boden gaben ihnen die Möglichkeit, sich selbst zu befreien. Doch die Reaktion war in beiden Performances das Interessante, denn auch im Blauen Haus beschlossen die Menschen den Faden an ihren Fußgelenken zu lassen und zu testen wie lange dies wohl funktio- niert.
Ines Röhrborn „because“
(Dauer: 8-10 min)
Handlungsbeschreibung
Ganz bewusst wählte ich die schmale düstere Nische mit großer verschlossener Tür im Bunker für meine Performance. Beleuchtet wird der Raum partiell mit einem Overhead-Projektor. Auf dem Boden im Raum verteilt stehen zwölf schwarze mit Wasser gefüllte Eimer, deren Grundriss mit weißer Kreide auf dem Boden markiert ist.
Ich betrete den Raum, gehe von Eimer zu Eimer, gieße Wasser um, durchquere den Raum, fülle Wasser von einem Eimer in einen anderen, wechsle wieder quer durch den Raum, fülle um, prüfe, fülle um...ich stelle die Eimer immer wieder in die Kreidemarkierungen am Boden zurück, damit die Ordnung gewahrt bleibt. Zwischen dem Umfüllen markiere ich Zählstriche mit Kreide an der Wand – drei sind es beim ersten Mal. Weiter geht mein Weg durch den Raum, ich bücke mich, schaue in den Eimer, fülle wieder Wasser um, prüfe und blicke hinein, gehe weiter und verteile Wasser in verschiedene Eimer- fülle um, schütte zurück. Dann stelle ich erneut den Eimer ab und markiere weitere Zählstriche an der Wand. Ich knie mich hin, fülle wieder Wasser um, verteile Wasser...gehe quer durch den Raum, einen Eimer in der Hand. Ich nehme ihn... hänge ihn an die Wand.... Wasser läuft heraus... ich stehe und beobachte. Dann trete ich zurück, bücke mich, nehme einen Stein, werfe ihn und der Spiegel, der sich auf dem Boden des Eimers befand, zerspringt, die Splitter verteilen sich vor dem Eimer und vor mir. Ich stehe starr dem zerborstenen Spiegel/ dem hängenden Eimer gegenüber, bevor ich den Raum verlasse.
Hintergrund
Wasser als lebensgebendes und lebensbringendes Elixier wird bewegt, umgefüllt, verteilt. Es wird eine alltägliche Handlung nachvollzogen und damit auf die vielen Aufgaben angespielt, die trotz größ- ter Mühen so gut wie nie erledigt werden können (Sisyphusarbeit). Alltägliches – Wichtiges – Un- wichtiges – alles ist und bleibt in Bewegung, wird gemessen, bewertet, verglichen und einfach getan. Wo bleibt das ICH dabei? Weitere Fragen tun sich auf, aber es ist, wie es ist, „because“.
Jana Börnert „Fehlleistung“
(Dauer: ca. 15 min)
Handlungsbeschreibung
Ort: Seminarraum Keller, Blaues Haus, ABS Der Raum wurde von mir vorbereitet mit den benötigten Materialien und Utensilien. Vor der Wand an der hinteren Schmalseite des Raumes lag ein ca. lebensgroßes Holzkreuz quer auf dem Boden. In den entstandenen Segmenten standen drei schwarze Papiertüten, ein weiße Porzellankanne und ein Holzklotz auf einer Zeitung. Davor war auf dem Boden ein schwarzes Tuch (1,50x1,50 m) ausgebreitet. Dieses Areal wurde mein Handlungsraum, das Publikum befand sich davor im vorderen Teil des Raumes.
Ich betrete den Raum, bekleidet mit schwarzer Hose, Shirt, Strümpfen und einer weißen Schürze und trage eine Bratpfanne in den Händen. Damit stelle ich mich in ein freies Segment des Kreuzes. Vor dem schwarzen Tuch stelle ich die Pfanne ab und nehme den Deckel ab. Eingezwängt in die Pfanne liegt eine nackte Babypuppe. Die Puppe nehme ich heraus auf meinen Arm. Ich hole die weiße Kanne und gieße Milch über das Gesicht der Puppe (ca. 1,5 l), bis die Kanne leer ist. Ich stelle die Kanne seitlich ab und lege die Puppe auf das Tuch. Nun nehme ich die schwarzen Tüten, in denen sich ca. 8 kg Mehl befinden, die ich nun über die Puppe siebe, bis sie ganz unter dem Mehl verschwunden ist. Die leeren Tüten stelle ich ordentlich an den Rand des Tuches zu den anderen Utensilien.
Ich binde mir die Schürze ab, hole unter dem Tuch einen Hammer hervor und Nägel aus der Hosentasche und nagle die Schürze damit auf das Holzkreuz. Das Kreuz lehne ich an die Wand. Ich halte kurz inne und trete dann so gegen das Kreuz, dass das Holz anbricht und das Kreuz umfällt. Unter dem Tuch hole ich eine Axt hervor, lege das Kreuz auf den Holzklotz und zerhacke es in kleine Teile. Der Raum hallt von den Schlägen wider.
Ich ziehe die Zeitung unter dem Hackklotz hervor, lese ein Schlagwort und lege eine Seite auf den Boden. Darauf stelle ich mich, zerreiße die nächste Seite, lese ein Schlagwort, lege das Papier auf den Boden, stelle mich darauf. Das führe ich so fort, bis das Papier (das immer kleiner wird) aufgebraucht ist und ich den Raum verlassen habe. Meine letzten Worte sind „fünfzig“ und „Prozent“.
Hintergrund
Ansatzpunkt war mein Erleben in der Rolle als Frau und Mutter, das Eingezwängtsein in die Anforderungen an traditionelle Leistungen einer Mutter und die Forderungen nach Emanzipation und Selbst- verwirklichung. Mir ging es um die Transformation von Lebenswelten, in denen ich lebe, mit denen ich mich auseinandersetze; mit meinen Ansprüchen an mich selbst und Ansprüchen anderer, aber auch den Möglichkeiten, die in mir stecken. Dabei fällt eine Wertung immer schwer, das Unterscheiden von Gut und Schlecht, Richtig und Falsch von Lebensentwürfen und – Einstellungen, Sinnvollem und Sinnlosem. Das wollte ich in der Beschränkung auf die „Farben“ schwarz und weiß ausdrücken, die nicht polarisierend eingesetzt sein sollten, sondern sich durchdringen, und in alltäglichen Handlungen, die ins Absurde führen. Auch die Kopplung von Alltäglichem und Rituellem sollte die Handlungen in eine andere Perspektive stellen.
Solveig Nehls « Alea iacta est » (Dauer: ca. 30 min.)
Handlungsbeschreibung:
Wir befinden uns in einem Keller. Eine Nische ist angestrahlt durch einen Polylux. Vorbereitet im Raum sind sechs weiße Boxen mit Punkten (Würfel-Augenzahlen 1-6), darüber gespannt sind mehrere Leinen. An den Leinen ist eine Bildkopie (ein Portrait) von mir geheftet. Ich komme in den Raum mit einem Schaumstoff-Würfel und einer Rolle Klebeband und schaue alle Zuschauer an. Vorne, an meinen Körper geheftet, klebt das Original-Portrait der Bildkopie. Ich gebe nun den Würfel einem Zuschauer und schaue ihn an. Er wirft den Würfel und ich gehe zu der Box, die die jeweilige Augenzahl des Würfels zeigt. In den Boxen befinden sich Originale und Kopien von persönlichen Sachen. Ich hole das Original und die Kopie (z. B. von meinem Personalausweis) aus der Box heraus, klebe das Original an mich und gebe dem, der gewürfelt hat, die Kopie mit einem Klebestreifen in die Hand. Es steht dem Betrachter frei, was er mit der Kopie macht. Er kann sie behalten, an sich kleben oder in das Netz über die Boxen kleben... etc. Das „Würfelspiel“ geht eine Weile. Ich klebe immer mehr Originale an mich und gebe die Kopien aus. Ich entscheide dann, wann das „Spiel“ beendet ist und ziehe die Jacke, die mit den Originalen bestückt ist, aus. Ich beginne, persönliche Sachen von mir von der Jacke zu nehmen und sie an mich (auf die Haut) zu kleben, sodass sie nicht mehr zu sehen sind. Am Ende kleben noch vereinzelte Sachen an der Jacke, die ich nun wieder anziehe, – über das Abgeklebte. Nun hole ich ein vorher präpa- riertes Feuerzeug aus der Tasche und deute an, dass ich die Zettel (Kopien), die nun auf der Leine hängen, verbrennen will. Das Feuerzeug klickt, erzeugt aber kein Feuer. Dann nehme ich nach einer Weile noch ein zweites Feuerzeug und klicke mit beiden Feuerzeugen unter den Zetteln. Ich resigniere, lasse die Feuerzeuge fallen und gehe aus dem Raum.
Hintergrund:
Konkret wollte ich mich mit den sozialen Netzwerken wie facebook und der Preisgabe von persönlichen Daten beschäftigen.