Elfenbein als mobiler Bilddatenträger von der Spätantike bis in das Spätmittelalter
Lehrkraft | Prof. Dr. Stefan Trinks |
Termin | Mo., 6. DS |
Ort | ABS/E04 |
Beginn | 17.10.2022 |
Einschreibung | OPAL |
Module | Bachelor EM 2 / AM Master PhF-KG-MA-TMH-B PhF-KG-MA-TMH-V PhF-KG-MA-PW-B PhF-KG-MA-PW-V MA LA MAKU-KG-VT1 LA / Staatsexamen PHF-SEGY-KU-KG3 Sonstiges stud. gen.; Bürger-U.; Sen.-Ak. |
Inhalt der Lehrveranstaltung
Aus der Zeit des fünften bis achten Jahrhunderts existieren nur sehr wenige gemalte Bilder, dafür allerdings Tausende von Elfenbeintafeln, die jedoch seit Adolph Goldschmidts Forschungen von vor hundert Jahren keine besondere Beachtung mehr seitens der Kunstgeschichte erfahren haben. Die Vorlesung will daher Elfenbeinreliefs, die durchgängig mit Rahmen versehen und wie ein Imago aufgefasst waren, als wesentliche Bilder dieser „dunklen“ Jahrhunderte neu zu beleuchten. Insbesondere die wiederverwendeten oder umgeformten spätrömischen Konsulardiptychen vermitteln als leicht transportable „Bilddatenträger“ erstaunlich viel Wissen von der Antike in das sogenannte Mittelalter und sorgen für eine Kontinuität der Kunstproduktion. Fragen nach den Modalitäten transkulturellen Austauschs schließen sich an bei einem Luxusmaterial, das nur aus Afrika und Indien bezogen werden konnte und im Fall versiegender Quellen durch andere Stoffe ersetzt werden musste. Die stark haptisch-körperliche Präsenz des organischen Materials beförderte Darstellungen wie Kreuzigungen und Marienikonographien, der berühmte „S-Schwung“ monumentaler gotischer Madonnen etwa ist der charakteristischen Biegung des Stoßzahnendes zu verdanken, aus dem kleine elfenbeinerne Darstellungen der Muttergottes geschnitzt wurden. Zugespitzt lässt sich sagen, dass die mittelalterliche Kunst ohne die Elfenbeinbilder eine andere gewesen wäre. Die Vorlesung versucht daher einen alternativen Blick auf den Lauf der Geschichte der Kunst zu entfalten, die durch die sinngebende Form des Materials Elfenbein und die jeweiligen Theorien dahinter mehrfach in andere Bahnen gelenkt wurde.
Literatur
- Gaborit-Chopin Danielle, Elfenbeinkunst im Mittelalter, Berlin 1978
- Goldschmidt Adolph, Die Elfenbeinskulpturen. aus der Zeit der karolingischen und sächsischen Kaiser (Denkmäler der deutschen Kunst II, 4. Elfenbeinskulpturen, Bd. 1), Berlin 1914
- Goldschmidt Adolph, Die Elfenbeinskulpturen aus romanischer Zeit. XI.–XIII. Jahrhundert (Denkmäler deutscher Kunst II, 4. Elfenbeinskulpturen, Bd. 4), Berlin 1926
- Kahsnitz Rainer, Die Elfenbeinskulpturen der Adagruppe. Hundert Jahre nach Adolph Goldschmidt, Versuch einer Bilanz der Forschung zu den Elfenbeinen Goldschmidt I, 1-39, Berlin 2010
- Ders., Goldschmidt Addenda: Nachträge zu den Bänden I-IV des Elfenbeincorpus von Adolph Goldschmidt, Berlin 1914-1926, Berlin 2022
- Williamson Paul, Medieval Ivory Carvings. Early Christian to Romanesque, London 2010