Selbstverständnis
Inhaltsverzeichnis
Warum eigentlich John Dewey?
John Dewey wurde 1859 in Vermont (USA) geboren und setzte sich Zeit seines Lebens für die Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche ein. Deweys Denken war von der zentralen Überzeugung getragen, dass Demokratie nicht funktioniert, wenn sie lediglich als Staats- und Regierungsform und nicht als Lebensform verstanden wird. Für ihn ist die Demokratie eine verbindende Praxis menschlicher Gemeinschaft, die aktiv gelebt und gepflegt werden muss. Zentraler Ausgangspunkt einer nachhaltigen Demokratisierung sind in Deweys Denken Bildungsprozesse. In seinem Werk "Demokratie und Erziehung" (1916) macht Dewey deutlich, auf welche Weise Erziehung und Demokratie miteinander verwoben sein müssen, wenn eine Gesellschaft nicht "lediglich ihren Fortbestand", sondern einen Wandel zum Besseren erstrebt. Er betont dabei die Vielschichtigkeit demokratischer Bildungspraxis, in der es keineswegs nur um die Vermittlung spezifischer Inhalte, sondern um eine auch performative, aufrichtige, demokratische Praxis geht.
Demokratieverständnis
Das Grundverständnis der John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie gründet sich auf einem weiten Demokratiebegriff ihres Namensgebers und ist von der zentralen Überzeugung getragen, dass Demokratie nicht funktioniert, wenn sie lediglich als Staats- und Regierungsform und nicht als Lebensform verstanden wird und dass Bildungsprozesse in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung haben. Mit Dewey geht die Forschungsstelle davon aus, dass Demokratie aktiv erfahren werden muss, um die Lebenswelten aller Subjekte zu erreichen. Diese tätige Erfahrung müsse so durchgängig und so intensiv wie möglich in der Familie, in der Schule und in der großen Gemeinschaft gemacht werden.
Verständnis von Zielgruppe und Wirkungsfeld
Anstelle der eingeführten Fachbezeichnung Didaktik der politischen Bildung hat die John-Dewey-Forschungsstelle die Bezeichnung Didaktik der Demokratie gesetzt. Während politische Bildung in akademischen Debatten häufig schulbezogen diskutiert und gedacht wird, soll damit der Wirkungsraum der didaktischen Überlegungen sichtbar erweitert werden. Die Arbeit der Forschungsstelle wird stark auf außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung in Sachsen gerichtet sein. Gleichzeitig soll mit dieser begrifflichen Akzentuierung allerdings nicht angedeutet werden, dass politische Bildung nicht ebenfalls als Arbeit an der Demokratie verstanden werden soll und sich eine scharfe begriffliche Differenz zwischen einerseits politischer und andererseits demokratischer Bildung ergeben könnte (vgl. Autorengruppe Fachdidaktik 2015). Politische Bildung findet – wie bereits Dewey betont hat – im Alltag der Menschen statt und darf nicht auf intendierte Vermittlungsprozesse von Politik reduziert werden.
Politikverständnis
Das Politische wird in konkreten Lebenssituationen, an spezifischen Problemen und in realen Konflikten erfahren. Die politischen Selbstbildungen der Menschen können und müssen aus diesem Grund als Prozesse der Politisierung und der Subjektivierung von Menschen gelesen werden, in denen Interessen, Werte, Anerkennung und Ressourcen gesellschaftlich verhandelt werden. Politische und damit demokratische Bildung – als politisches Selbst- und Weltverstehen – findet in Form von Positionierungen innerhalb dieser gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse statt. Politik ist dabei kein rein rationaler Akt, sondern ist verbunden mit emotionalen Komponenten. Empathie, Engagement und Begeisterung, aber auch Verärgerung, Wut und Enttäuschung sind Bestandteile des Politischen und werden auch sinnlich und körperlich verarbeitet (vgl. Besand 2019). Deshalb kann politische Bildung auch nicht ausschließlich auf die kognitiv politische Analyse- und Urteilsfähigkeit abzielen. Sie muss in die Milieus eingebettet sein, in denen Politik erlebt und erfahren, Konflikte ausgehandelt und Krisen durchgestanden werden. Diesem Selbstverständnis trägt die Arbeit an der John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie Rechnung.
Didaktisches Aufgabenverständnis
Als politische Bildungsangebote werden in diesem Sinne nicht nur Angebote zur Vermittlung politischen Wissens verstanden, sondern vor allem all jene pädagogischen und didaktischen Prozesse, die darauf gerichtet sind Menschen bei der Entwicklung selbstbestimmter politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit auf der Grundlage der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu unterstützen. Wesentliche Ziele politischer Bildung sind die Förderung der Motivation zur Mitgestaltung politischen Lebens, die Förderung der Fähigkeit zur politischen Selbstpositionierung, politischer Urteilsfähigkeit, Ambiguitätstoleranz und Geschichtsbewusstsein und die Aneignung von Werkzeugen zu Partizipation, Teilhabe und Deliberation unterschiedlicher Meinungen. Politische Bildung ist ein von Subjekten – und damit den Adressat:innen – getragener Prozess der Bildung von Mündigkeit, der sich an demokratischen Grundwerten wie Menschenwürde, Gerechtigkeit, Gleichheit, Frieden, Solidarität, Emanzipation und Freiheit orientiert. Politische Bildung fördert die Kraft, die politische Wirklichkeit im Hinblick auf die Durchsetzung demokratischer Prinzipien kritisch und reflektiert zu beurteilen. Sie entwickelt die Fähigkeiten zur politischen Partizipation und zur Gestaltung von Demokratisierungsprozessen. Im Unterschied zu anderen – vor allem historisch bekannten – Formen politischer Erziehung (Staatsbürgerkunde) ist politische Bildung damit weder affirmativ noch neutral.
Innovationsverständnis
Die John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie versteht sich als Innovationszentrum im Feld der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. Sie hat den Auftrag alleine oder mit anderen gemeinsam neue didaktische Formate, Methoden und Materialien zu entwickeln und diese an das Handlungsfeld heranzutragen. Diese Innovationen sollen geeignet sein neue Zielgruppen für Angebote der politischen Bildung zu erschließen und mit anderen ins Gespräch zu bringen. Eine besondere Stärke der John-Dewey-Forschungsstelle liegt dabei insbesondere in der (Neu-)Entwicklung niedrigschwelliger, sprachentlastender und dezentraler Strategien, Konzepte und Methoden. Die Forschungsstelle stellt neu entwickelte Ideen und Konzepte grundsätzlich schnell und transparent den Aktiven im Feld der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung zur Verfügung, damit diese aufgegriffen, erprobt oder weiterentwickelt werden können. Sie versteht sich als Inkubator und unterstützt sowie ermutigt Dritte bei der Fortentwicklung von Ideen und ihrer konkreten Umsetzung.
Beratungsverständnis
Beratung kann im Verständnis der John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie verschiedene Zugänge nutzen, wobei der Anlass immer ist, dass Akteur:innen im Feld der politischen Bildung in Sachsen Bedarf an didaktischer Beratung anmelden. Einerseits kann es um eine grundsätzliche Beratung zu Zielen und strategischer Ausrichtung sowie zur Wahl von Konzepten und Methoden gehen. In diesem Fall steht die John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie mit Expert:innenwissen gespeist aus akademischen Erkenntnissen und langjähriger Konzeptionsarbeit in unterschiedlichen Kontexten zur Verfügung. Sie unterstützt die Entwicklung spezifischer Herangehensweise der betreffenden Akteur:innen in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess und bindet dabei laufend Forschungsergebnisse und Entwicklungen aus dem Labor-Bereich ein, soweit die Beratungsnehmer:innen sich im Prozess dazu entscheiden. Auf diese Weise implementiert sie Innovation im Feld. Andererseits gilt konsequent ein akteur:innenzentriertes Beratungsverständnis. Dementsprechend kann die Beratung auch deutlich zurückgenommener im Sinne einer Prozessmoderation erfolgen, in der nur verhandelt wird, was die Beratungsnehmer:innen aus sich selbst heraus als relevant empfinden und bedenken wollen. In diesem Fall tritt die John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie nicht als akademische Expertise, sondern als Moderation auf, die Gruppen, Institutionen und Initiativen unterstützt, das eigene Verständnis zu schärfen und Strategien abzuwägen. In einem Beratungsprozess können die möglichen Herangehensweisen jederzeit der Situation angepasst werden.
Forschungs-/Wissenschaftsverständis
Die John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie forscht im Kern zu der Frage, wie außerschulische politische Jugend- und Erwachsenenbildung angesichts gegenwärtiger gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen gelingen kann. Sie positioniert sich damit im Feld anwendungsbezogener Bildungsforschung. Bildungsforschung steht grundsätzlich vor der Herausforderung, dass sich die mannigfaltigen Einflussfaktoren, die auf Bildungsprozesse wirken, nur schwer kontrollieren lassen. Hochstandardisierte Forschungsverfahren kommen unter diesen Bedingungen an ihre Grenzen. Die Forschungsstelle setzt aus diesem Grund sehr bewusst auf partizipative Verfahren, in denen die Bildungsakteur:innen ganz bewusst an den Forschungsprozessen, die auf sie gerichtet sind, beteiligt werden. Neben partizipativer Forschung werden Interaktionsanalysen, Mappingverfahren, ethnographische Forschung und verschiedene Elemente ingenieurwissenschaftlicher Forschung (Desing Based Research) in der Forschungsstelle zur Anwendung kommen. Die John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie setzt damit auf niedrigschwellige Zugänge ins Forschungsfeld sowie auf pragmatische, auf Praxis- und Anwendungsvollzüge gerichtete Forschungsverfahren. Sie beteiligt Praxispartner:innen nicht nur in konkreten Forschungsverfahren, sondern hat gleichzeitig auch den Anspruch, Forschungsergebnisse niedrigschwellig und verständlich zu kommunizieren. In diesem Sinne hat sich die Forschungsstelle vorgenommen nicht nur Forschungsvollzüge, sondern auch die Herausforderungen, die sich im Rahmen der anschließenden Wissenschaftskommunikation ergeben, ernst zu nehmen und neue und ansprechende Formate für dieses Feld zu entwickeln.