11.05.2023
#66 Lebenslinien
In unserer heutigen Idee geht es um eine praktische Übung zur Reflexion der eigenen politischen Bildungsbiografie. Inspiriert ist sie von der Lebenslinien-Übung aus der systemischen Beratung. Für diese benötigen Sie weiter nix als genügend Freifläche auf dem Fußboden und verschiedene kleine Gegenstände - aber dazu später mehr.
In unserem „Logbuch politische Bildung“ befindet sich auf S. 140 eine kleine Reflexionsaufgabe, in der man entlang eines Weges wichtige Momente, Impulse oder Ereignisse der eigenen politischen Bildungsbiografie einzeichnen kann. Die zentrale Reflexionsfrage dazu lautet: Was wusste ich, wann über Politik? Während dieses Reflexionsangebot sich vor allem für das alleinige Nachdenken über die eigene Bildungsbiographie eignet, ist unsere heutige Idee insbesondere für den Einsatz in politisch bildnerischen Angeboten mit Gruppen geeignete.
Die Idee besteht dabei darin, die eigene politische Bildungsbiografie mit verschiedenen Gegenständen (wie z.B. bunten Steinen, Bildkarten, Wollfäden, Spielfiguren, Holzklötzen usw.) sichtbar und somit reflektierbar zu machen. Dafür macht es Sinn kleine Karten bereit zu halten, auf denen die letzten Jahrzehnte notiert sind. Mit diesen können Sie eine Art “Spielfeld” vorbereiten, innerhalb dessen die Teilnehmenden mit Hilfe der Gegenstände wichtige Stationen oder Ereignisse ihrer Bildungsbiographie markieren können.
Durch die Visualisierung entsteht nicht nur eine Struktur für die eigene Erzählung, sondern auch für prägende Kollektivereignisse. Diese können über zusätzliche Symbole oder Beschriftungen auf der Lebenslinie Platz finden. Gemeinsam Erlebtes kann so sichtbar werden, aber auch die unterschiedlichen individuelle Wege damit umzugehen. Menschen können sich so einmal anders kennenlernen. Dabei bleibt immer auch selbstbestimmt, was und wieviel jede Person erzählen möchte. Tendenziell ist eine solche Visualisierung auch für zukünftige Jahrzehnte erweiterbar, um mögliche Erwartungen, Wünsche oder auch Befürchtungen sichtbar zu machen.
Besonders politische Bildner:innen können auf diese Weise ihrer fachlichen Reflexion oder einem kollegialen Austausch einen anregenden Rahmen geben. Für sie wäre auch die Frage interessant, wie die eigene Biographie ihre politikdidaktische Arbeit beeinflusst und ggf. (unterbewußte) Einstellungen gegenüber bestimmten Formaten, inhaltlichen Zugängen oder Zielgruppen geprägt hat. Aber auch für ganze (Dorf-)Gemeinschaften kann diese Methode ein interessanter Ansatzpunkt sein, um miteinander in den Austausch zu kommen und gemeinsam die Verwobenheit von persönlichen Lebensereignissen mit kollektiven Ereignissen (wie zum Beispiel bei politischen Umbrüchen, Großschadensereignissen, wie Überflutungen, erfolgreiche Infrastrukturprojekte, die Wiederherstellung von Baudenkmälern oder große Feste) zu erarbeiten.