Exkursion nach Berlin zum Besuch der Ausstellung "Pasolini Roma" (29.11.2014)
Im Wintersemester 2014/15 wählte das Italien-Zentrum der TU Dresden "Rom" als übergreifendes Thema seiner Veranstaltungen. Zur selben Zeit fand im Martin-Gropius-Bau in Berlin eine große Ausstellung mit dem Titel "Pasolini Roma" statt, die sich mit dem italienischen Schriftsteller und Filmemacher Pier Paolo Pasolini (1922-1975) und seiner sehr eigenen Beziehung zu Rom beschäftigte. Ein glückliches Zusammentreffen, das Anlass war, eine Exkursion nach Berlin für Studierende des Instituts für Romanistik zu organisieren.
Pasolini war einer der wichtigsten italienischen Intellektuellen der Nachkriegszeit, ständig auf der Suche nach neuen Wegen und Herausforderungen – gesellschaftlich, sprachlich, kulturell, politisch. Er begann als Lyriker in seiner heimatlichen friaulischen Sprache, Mitte der fünfziger Jahre veröffentlichte er dann Romane, in denen er die römische Mundart verwendete und das Leben von jungen Strichern in der italienischen Hauptstadt portraitierte. In diesen Jahren kam er in Rom in Kontakt mit den Kreisen der dortigen Filmemacher und schrieb Drehbücher für einige der bekanntesten Regisseure jener Zeit, bis er selbst Anfang der sechziger Jahre als Regisseur tätig wurde. Ohne der Filmtechniken mächtig zu sein, erfand Pasolini eine eigene filmische Sprache, die einerseits einer unmittelbaren Wiedergabe der Realität verpflichtet war, sich andererseits aber von Meisterwerken der bildenden Kunst inspirieren ließ. Rom und seine heruntergekommenen Vorstadtviertel wurden zentrale Handlungsorte der ersten Filme Pasolinis: "Accattone" ("Accattone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß", 1961) und "Mamma Roma" (1962). Die Filme der Folgezeit reichten von weiteren gesellschaftskritischen Produktionen wie "Uccellacci uccellini" (1966), "Teorema" (1968) und "Porcile" (1969) bis zu Literaturverfilmungen (s. die sogenannte "Trilogie des Lebens" mit "Decameron", 1971, "I racconti di Canterbury", dt. " Pasolinis tolldreiste Geschichten", 1972, und "Il fiore delle mille e una notte", dt. "Erotische Geschichten aus 1001 Nacht", 1974). Pasolinis letzter, wiederum schillernder Film sollte "Salò o le 120 giornate di Sodoma" ("Salò oder Die 120 Tage von Sodom", 1975) sein, der postum in die Kinos kam und zum wiederholten Mal für Proteste, Polemiken und Prozesse sorgte.
Von grundlegender Bedeutung ist selbstverständlich die umfangreiche publizistische Produktion Pasolinis, die insbesondere die italienische Gesellschaft der sechziger und siebziger Jahre sehr kritisch ins Auge fasste: Pasolini lieferte Kritik an der Verbürgerlichung der Gesellschaft, die das Verschwinden von ursprünglichen Volkskulturen und archaischen Lebenswelten zur Folge hatte, schließlich insbesondere an der Verbreitung eines leeren Konformismus, ein weiterer Effekte der beklagten Gesellschaftstransformation.
Pasolini wurde am 2. November 1975 unter nie vollständig geklärten Umständen ermordet.
Die Ausstellung "Pasolini Roma" war in sechs Sektionen aufgeteilt: Der Einstieg erfolgte mit der Ankunft Pasolinis in Rom im Jahre 1950, wohin der jungen Intellektuellen aus Casarsa (Friaul) sich vor sexueller und politischer Intoleranz zu flüchten hoffte, bis zum seinem gewaltsamen Tod am 2. November 1975 in der Nähe von Ostia. Schwerpunkte der Präsentationen der Ausstellungen waren Leben und Werk von Pasolini in Rom, insbesondere aber die Wechselwirkung der sukzessive von Pasolini erkundeten Stadtkultur und seinen römischen Texten oder Filmen. Die immer konzentriertere Fokussierung auf das prekäre Leben in den „borgate“, den römischen Vorstadt-Slums, auf die Alltagskultur der Marginalisierten und Ausgestoßenen, der Stricher und Kleinkriminellen, der „einfacheren Leute“ am Rand der Großstadt, mündete in neuartige Inszenierungen mit ganz eigener Ästhetik, die wiederum über die breite, meist skandalumwobene zeitgenössische Rezeption der Werke Pasolinis das Bild der Stadt Rom neu prägen konnten.
Weitere Stationen dieser äußerst informativen und gelungenen Ausstellung waren Barcelona, Rom und Paris.
Die eintägige Exkursion zur Ausstellungsbesichtigung, die am 29. November 2014 stattfand und an der elf Studierende der Italianistik teilnahmen, wurde von der Italienischlektorin Simona Bellini organisiert und begleitet. Die anteilige Finanzierung von Bahnfahrt und Eintrittskarten erfolgte durch Mittel des Instituts für Romanistik, des Italienzentrums und der Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dresden.
Ausstellungskataloge
Ballò, Jordi (Hrsg.), Pasolini Roma, Milano : Skira, 2014.
Ballò, Jordi (Hrsg.), Pasolini Roma (Übers.: Annette Kopetzki), München ; London ; New York, NY : Prestel, 2014.
Links
- http://www.pasoliniroma.com/#!/de/index
- http://www.pasoliniroma.com/#!/it/index
- http://www.berlinerfestspiele.de/de/aktuell/festivals/gropiusbau/programm_mgb/veranstaltungsdetail_mgb_ausstellungen_88022.php
- http://www.palazzoesposizioni.it/categorie/mostra-pasolini-roma
Autorin: Simona Bellini