16.04.2025
Nachruf Privatdozent Dr.-Ing. habil. Helmut Löbl
Am 09. April 2025 verstarb PD Dr.-Ing. habil. Helmut Löbl im Alter von 81 Jahren in Dresden.
Im Jahre 1943 in Aussig geboren, verbrachte er seine Kindheit in der ersten Nachkriegszeit, geprägt von Hunger, Gewalt, Vertreibung aus seiner böhmischen Heimat, als Flüchtlingskind in Deutschland. Im Landkreis Prignitz/Brandenburg verlebte er seine Jugend in sehr einfachen Verhältnissen. Diese ersten zwanzig Jahre haben ihn als Menschen ganz wesentlich geprägt und unübersehbare charakterliche Spuren hinterlassen. Das zielstrebige und optimistisch nach vorn blicken, Leistung von anderen fordern, aber zuvor selbst Leistung erbringen, Strenge und Gerechtigkeit, Fleiß und Strebsamkeit, Arbeit und Geselligkeit waren Merkmale, die ihm sein ganzes Leben lang eigen waren.
1963 absolvierte Helmut Löbl eine Berufsausbildung als Elektromontageschlosser im Reichsbahn-Ausbesserungswerk (RAW) Dessau, bevor er ein Studium „Elektrische Bahnen und Anlagen“ an der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“ Dresden begann und 1968 erfolgreich abschloss. Es folgte ein Wechsel an die TU Dresden in den Wissenschaftsbereich Elektroenergietechnik der Sektion 11 Elektrotechnik. Im Jahr 1972 verteidigte er seine Dissertation gemeinsam mit Hans-Jürgen Stoye an der Fakultät für Energiewirtschaft. Diese hatte den Titel „Beitrag zur Optimierung elektrotechnischer Schalt- und Verteilungsanlagen hinsichtlich ihrer thermischen Dauerstrombeanspruchung“ (Gutachter: Prof. Schultheiß, Dr. Kindler, Dr. Zeisberg). Wissenschaftliche Schwerpunkte waren das Entstehen von Verlustwärme, die Prozesse des Wärmeübergangs und die Berechnung thermischer Vorgänge mit der Wärmenetzmethode.
Als Oberassistent konnte er vier Jahre lang Erfahrung in Lehre, Forschung und Führung junger Wissenschaftler sammeln. Strukturelle Veränderungen führten im Jahr 1977 zu einem Wechsel von Helmut Löbl an den Wissenschaftsbereich Hochspannungstechnik der Sektion Elektrotechnik in den Binderbau. Unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. sc. techn. Helmut Böhme, Professur Hochspannungsgeräte, konnte er seine exzellenten Kenntnisse in die Lehr- und Forschungsgebiete Erwärmung elektrotechnischer Betriebsmittel, elektrische Kontakte und Verbindungen und mechanisch-dynamisches Verhalten von Geräten und Anlagen einbringen. Zu den bemerkenswerten Meilensteinen zählten die wissenschaftlich-technische Begleitung des Baus des Pumpspeicherwerkes Markersbach/Erzgebirge. Dazu gehörten Erwärmungsberechnungen für die einhundert Meter lange, vertikale Generatorausleitung von der Kaverne in die Maschinenschaltanlage, die Integration von Kurzschlussringen in die Baukonstruktionen, sowie eine Reihe von Laboruntersuchungen zur Stromtragfähigkeit und Erwärmung der Schaltanlage. Ebenso waren das Konzept, die Planung, die Baubetreuung und die Inbetriebnahme des TUD-Hochstromlabors, sowie die ständige Erweiterung, Modernisierung und umfängliche wissenschaftliche Nutzung dieses Versuchsfeldes unvergessliche Verdienste des Wissenschaftlers, Ingenieurs und Lehrers Helmut Löbl.
Mit der Dissertation „B“ zum „doctor scientiae technicarum“ „Zur Dauerstrombelastbarkeit und Lebensdauer der Geräte der Elektroenergieübertragung“, verteidigt am 11.01.1985 (Gutachter: Prof. Dr.-Ing. habil. H. Böhme, Prof. Dr.-Ing. habil. J. Maksymiuk/PW Warszawa, Prof. Dr.-Ing. habil. G. Alexandrow/LPI Leningrad und Prof. Dipl.-Ing. F. Schultheiß/TUD), setzte Helmut Löbl einen weiteren Meilenstein seiner wissenschaftlichen Karriere. Zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten gehörten u.a. die Erweiterung der Wärmenetzmodelle auf gekapselte Schaltanlagen, Optimierungsberechnungen zur Erweiterung der übertragbaren Leistung mit der statistischen Versuchsplanung, die Wechselwirkungen zwischen Stromtragfähigkeit, Erwärmung der Strombahn und Isolierfähigkeit metallgekapselter Anlagen und das Langzeitverhalten elektrischer Verbindungen. Der Titel „Dr. sc. techn.“ wurde im Februar 1991 in den Titel „Dr.-Ing. habil.“ umgewidmet.
In der Folgezeit gelang es, am Institut für elektrische Energieversorgung und Hochspannungstechnik (IEEH) unter der Anleitung von Helmut Löbl komplexe Wärmenetze für ganze Kompaktstationen oder gekapselte Mittelspannungsschaltanlagen zu erstellen und diese experimentell zu validieren. Dadurch konnte eine Zertifizierung durch das VDE-Prüfinstitut in Offenbach erlangt werden. Auf diese Weise wurde das finanzielle Rückgrat der Professur durch Drittmittel aus der Industrie gestärkt.
Immer mehr rückten Fragen aus der industriellen Praxis zur Kontakt- und Verbindungstechnik für Hochstromanordnungen in den Fokus der wissenschaftlich-technischen Betrachtungen. Hier erwies sich Helmut Löbl als hervorragender Brückenbauer zwischen Industrie und anspruchsvoller Wissenschaft. Damit legte er den Grundstein dafür, dass sich diese Thematik heute zu einem international einmaligen Forschungsschwerpunkt am IEEH entwickeln konnte.
Helmut Löbl teilte sein Wissen und Können uneingeschränkt mit interessierten Studierenden und Promovierenden, mit Spezialisten aus der Industrie und Energiewirtschaft, mit Lehrgangsteilnehmern der Technischen Akademie Essen und in VdS-Lehrgängen zur physikalisch richtigen Infrarotthermografie in München und auf zahllosen nationalen und internationalen Tagungen und Konferenzen.
Mit gebührender Strenge und Disziplin hat er junge Wissenschaftler stets zum hochwertigen Publizieren neuer Erkenntnisse erzogen, ohne selbst je Anerkennung dafür erwartet zu haben. Für ihn war publizieren für die Wissenschaft unerlässlich, jedoch für die eigene Karriere nicht wichtig. Neben den Dienstaufgaben am Institut fand er im VDE Dresden e.V. und der Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (DKE) ein fachliches und kollegiales Zuhause.
Helmut Löbl war als geschäftsführender Oberassistent an der Professur Hochspannungs- und Hochstromtechnik und „Vater der Assistenten“ bis zu seinem altersbedingtem Ausscheiden Ende 2008 tätig. Er wird uns mit großer Dankbarkeit als Lehrer, Ingenieur, Wissenschaftler und herzensguter Mensch in allerbester Erinnerung bleiben.
Prof. Dr.-Ing. Steffen Großmann i.R., Professur Hochspannungs- und Hochstromtechnik
Prof. Dr.-Ing. Maria Kosse, Professur für Komponenten Intelligenter Energienetze
PD Dr.-Ing. habil. Stephan Schlegel, Professur für Komponenten Intelligenter Energienetze
Prof. Dr.-Ing. Peter Schegner, Institut für Elektrische Energieversorgung und Hochspannungstechnik IEEH, Institutsdirektor