Studentenexkursion 2016
Dipl.-Ing. Martin Kern, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITM, in Zusammenbarbeit mit Studierenden des ITM
Vom 17.05.2016 bis zum 19.05.2016 fand die diesjährige Studentenexkursion des Institutes für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) statt. 27 Studenten aus dem 4., 6. und 8. Semester reisten mit einem Team aus Betreuern des ITM zu verschiedenen Herstellern von Textilmaschinen und Anwendern von Technischen Textilien in Deutschland.
Am 17.05.2016 um 7:00 Uhr morgens startete die Exkursion am Institutsgebäude des ITM an der Hohen Straße 6 in Dresden. Die Reise führte als Rundreise von Dresden aus zunächst nach Landshut zum dortigen BMW Werk. Am nächsten Tag ging die Reise weiter zur Firma Stäubli nach Bayreuth. Daran anschließend wurde der Textilbereich der Hochschule Hof in Münchberg besucht. Am abschließenden Tag wurden in Chemnitz die Firmen Oerlikon Barmag und Karl Mayer MALIMO besucht. Zu allen Zielen fuhren uns unsere stets gut gelaunten Busfahrer. Der überwiegende Teil der Studenten gewann auf dieser Exkursion erste Eindrücke von deutschen Textilmaschinenbauunternehmen sowie von den hinter der Textiltechnik stehenden Anwenderindustrie.
BMW AG Werk Landshut
Auf der durch das ITM organisierten Exkursion wurde am ersten Tag das BMW Werk in Landshut besucht.
Nach einer kurzen Firmenpräsentation im Besucherzentrum, begann unser Firmenrundgang in der Leichtmetallgießerei. Hier spielen vor allem die Themen Arbeitsschutz und Energieeffizienz eine übergeordnete Rolle.
Um das Handling der heißen Gussteile für den Werker so ergonomisch und einfach wie möglich zu gestalten, werden in der Gießerei sogenannte Manipulatoren verwendet, mit deren Hilfe die an sich sehr schweren gegossenen Fahrzeugteile leicht transportierbar werden. Somit kann sich der Werker auf das reine Handling konzentrieren. Der Prozess wird schneller, stabiler, ermüdungsärmer und schonender für den Arbeiter. Für die rund 25 % fremd geschmolzene Metalle wird auf hocheffiziente Transportbehälter geachtet, mit denen die transportierten flüssigen Metalle nur 10 °C auf ihrer 200 km langen Reise zum Werk verlieren. Die so hergestellten sicherheitsrelevanten Bauteile werden anschließend zur Qualitätskontrolle mit Röntgenstrahlen durchleuchtet um eventuelle Fehlstellen ausschließen zu können. Zur Erhöhung der Energieeffizienz des Werkes wird die Abwärme der einzelnen Fertigungszweige, zum Beispiel der Gießerei, genutzt, um das gesamte Unternehmen zu heizen und zu kühlen. Zwei Blockheizkraftwerke übernehmen die prozessbedingte Energieversorgung - Heizungen werden dann im Winter durch Abwärme gespeist.
Ein Highlight für uns Textilmaschinenbauer war eindeutig das "Carbonwerk" auf dem Unternehmenskomplex. Eigens für die Herstellung des reinen Elektroautos BMW i3 initiierte die BMW Group als Anteilseigner der SGL Group 2010 das Projekt "SGL Automotive Carbon Fibres" zur Herstellung leichterer Personenkraftwagen. Das Joint Venture stellt die Carbon-Rovings aus Polyacrylnitril - ein Abfallprodukt der Ölindustrie - in den USA her. Die Flächengebilde, hauptsächlich Gelegestrukturen, entstehen dann bei der Firma SGL Deutschland. Ein großer Forschungsbedarf bei der Großserienanwendung von Verbundwerkstoffen besteht noch beim Recycling der Abfallprodukte im Carbonteil-Herstellungsprozess. Erste Lösungsansätze wurden im BMW Werk Landshut bereits in der Wiederverwendung der Konfektionsabfälle als Füllmaterial oder Mensatabletts gefunden. Für die Herstellung seiner Verbundwerkstoffe verwendet BMW hochmoderne RTM-Pressen. Um die Preforms zu verarbeiten werden Wasserstrahlschneidanlagen, Ultraschallprüfmaschinen und Thermopressen genutzt.
Abschließend erfolgte die Besichtigung der Fertigungshalle für das BMW-Exterieur. Super flexible und rasend schnelle Verfahrenslösungen realisieren dabei eine sehr hohe Prozessflexibilität. Die Karosserieteile werden teilweise in nur kleinen Stückzahlen produziert, da sich die Priorität der benötigten Teile rasch ändern kann. So sind bis zu 90 t schwere Spritzgussformen innerhalb von zehn Minuten mit Schwerlastkränen ausgewechselt und Front- und Heckschürzen sowie Kotflügel und andere Kunststoffteile des Autos im Eiltempo hergestellt. Mit der Führung durch das Werk Landshut hat die Firma BMW den Studenten und Betreuern einen sehr guten Einblick in die Möglichkeiten der Großserienherstellung von Verbundbauteilen sowie deren Assemblierung zu komplexen Systemen gegeben.
Stäubli Bayreuth GmbH
Am zweiten Tag unserer Exkursion führte unser Weg zur Firma Stäubli nach Bayreuth. Der Standort weist zwar eine mittelständische Struktur auf, ist aber Teil eines internationalen Konzerns und zeigt dies durch die Vielzahl an innovativen Produkten.
Diese Produkte aus den unterschiedlichen Bereichen der Firma Stäubli in Bayreuth (Connectors, Textile und Robotics) wurden den Exkursionsteilnehmern im Rahmen des Programms von fachkundigen Mitarbeitern aus den jeweiligen Bereichen vorgestellt.
Zum Programm zählte zunächst ein sehr freundlicher Empfang. Im Konferenzraum, in entspannter Atmosphäre bei Kaffee und Keksen, wurde den Studenten mit einer Präsentation der Firma, des Standortes, des Produktportfolios und den Innovationen eine erste Übersicht gegeben. Vor der Führung wurden alle Besucher in die firmeneigene Kantine zum Mittagessen eingeladen. Während der Führung wurden die Studenten von den Verantwortlichen der jeweiligen Abteilung geleitet. Der Kontakt mit hochqualifizierten Mitarbeitern, die die Produkte und Entwicklungen genauestens kennen, ermöglichte einen sehr interessanten Austausch, sowie die Möglichkeit jederzeit offene Fragen zu klären.
Die Sparte „Connectors“ entwickelt hochwertige Kupplungssysteme. Dazu zählen Schnellkupplungen für Flüssigkeiten und Gase, sowie Monokupplungen, welche die Übertragung eines Mediums ermöglichen, als auch als modular aufbaubare Multikupplungen, die mehrere Verbindungen, z. B. auch mit Strom- und Lichtwellenübertragung, kombinieren. Diese sind sowohl standardisiert, als auch individuell angepasst erhältlich und realisieren hohe Dichtheit, Kupplungssicherheit, Stabilität und schnelle Handhabung in kompakter Bauform. Für diese Vorteile bewegen sich Stäubli-Kupplungssysteme in der oberen Preisklasse und sind nur in sich kompatibel. Sie werden unter anderem in der Fahrzeugtechnik, bei Werkzeugmaschinen, in der chemischen Industrie, in der Luft- und Raumfahrt oder auch beim Militär verwendet und wurden uns in diversen Ausführungen für Hydraulik-, Druckluft-, Atemluft-, Treibstoff-, oder Bremsflüssigkeitsanwendungen fachkundig demonstriert und erklärt. Desweiteren gehören zu dieser Produktsparte noch Schnellspann- und Werkzeugwechselsysteme, unter anderem für die eigenen Roboter.
In der Sparte „Textile“ gehört das Unternehmen seit mehr als 100 Jahren zu den Marktführern und bringt Innovationen und technologische Lösungen in die Webereitechnik für die Produktion von erstklassigen Qualitätstextilien auf der ganzen Welt. Stäubli entwickelt und produziert Maschinen und Zubehör für die Schaft-, Jacquard- und Teppichweberei sowie Weberei-Vorbereitungssysteme und Lösungen für die automatische Prozesssteuerung von Textilmaschinen. Am Standort in Bayreuth werden Schwerschaftmaschinen sowie komplette Websysteme hergestellt. Auf diesen Websystemen werden u. a. Auslegeware, ein- und doppelseitige Flor- und Boucléteppiche, aber auch Kunstrasen und komplexe technische Gewebe für Leichtbauanwendungen produziert. Die Firma Stäubli bietet alle Systeme in einem Baukastensystem an, sodass Kundenwünsche für unterschiedliche Anforderungen individuell realisiert werden können. In der Textilmaschinenhalle gab es dann die Möglichkeit, sich eine komplette Teppichwebmaschine im Aufbaustadium anzuschauen, sodass den Studenten eine Vorstellung über die Größe und Komplexität einer solchen Maschine gegeben wurde.
Abschließend wurde die Sparte „Robotics“ des Unternehmens vorgestellt. Bei der Präsentation der breiten Produktpalette wurden neben den 4-Achsen-Robotern vor allem die 6-Achsen-Roboter gezeigt. Ihnen zugrunde liegt ein spezielles Stäubli-Getriebe, welches höchste Genauigkeit und Präzision erlaubt. Die Besonderheit liegt darin, dass die Zähne der ineinandergreifenden Zahnräder ständig andere Eingriffspartner haben. Dadurch werden Einlaufeffekte im Getriebe verhindert, was eine hohe Laufgenauigkeit ermöglicht. Aufgrund dieser hohen Genauigkeit werden Stäubli-Roboter am Ende der Produktionsstrecke zur Überprüfung der Arbeiten unzähliger anderer Roboter an einem Karosserieteil eingesetzt. Auch Arbeiten im Reinraum sind mit Stäubli-Robotern möglich. Überdruck im Innenraum macht sie wiederum CFK geeignet, was vor allem für textile Anwendungen sehr wichtig ist.
Hochschule Hof Bereich Textil
Anschließend an den Besuch der Firma Stäubli wurde ein spontaner Halt in Münchberg an der Hochschule Hof Fachbereich Textil gemacht. Dort empfang uns mit Frau Roxana Miksch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule Hof, die am ITM durch ein von Ihr bearbeitetes Belegthema sehr gut bekannt ist. Frau Miksch führte uns durch die Bereiche Vliesherstellung, Gewebeherstellung und Maschenwarenherstellung. So erhielten die Textilstudenten die Möglichkeit einige am ITM nicht vorhandene Maschinentypen zu besichtigen. Im Bereich der Gewebeherstellung wurde es so möglich die Schusseintragsverfahren mittels Projektil und Luftdüse näher zu erklären und damit einen weiteren Lerneffekt bei den Exkursionsteilnehmern zu erreichen. Durch das sehr vielfältig ausgestattete Technikum wurde es auch möglich maschinenbauliche Lösungen an unterschiedlichen Textilmaschinen untereinander zu vergleichen um die Dynamik der Prozesse zu gewährleisten.
Oerlikon Barmag
Am Morgen des letzten Tages unserer Exkursion begrüßte uns Herr David Eckart bei der Firma Oerlikon Barmag. Nach Erhalt der obligatorischen Sicherheitshinweise stellte uns Herr Eckart die Firmengeschichte, Aktuelles und Zukünftiges vor. Oerlikon als Firma ist ein sehr vielfältiger Mischkonzern, welcher sich selber als Weltmarktführer im Bereich Texturiermaschinen und Spinnanlagen für Chemiefasern bezeichnet. Oerlikon Barmag, zu dem die Chemnitzer Niederlassung des 1906 gegründeten Schweizer Technologiekonzerns gehört, nutzt seine Erfahrung im Bereich Textiltechnik, um unter anderem Polymersysteme, Bändchen- und Monofilanlagen zu entwickeln. Als Teil des Oerlikon Barmag-Technikums verfügt die Chemnitzer Zweigniederlassung über modernste Extruder- und Messtechnik.
Besonders herausragende Bedeutung haben hierbei die von Oerlikon entwickelten Extruder, welche unter anderem bei der Herstellung von Kunstrasen Verwendung finden. Damit der künstliche Rasen optimale Eigenschaften für die jeweilige Verwendung aufweist, forscht Oerlikon mit verschiedenen Grashalmquerschnitten und Materialien für ihre Monofilanlagen. Unterschieden wird zwischen Zierrasen und Nutzrasen. Im Falle des Zierrasens liegt ein besonders realistisches und ästhetisches Ergebnis im Fokus der Arbeit. Dabei wird mit der Struktur und der Faserausrichtung ein möglichst natürliches Bild erzeugt. Beim Nutzrasen (z. B. für Fußball) kommt es wiederum darauf an, dass die Rolleigenschaften von Bällen in alle Richtungen gleich gut sind und bei einem Sturz der Rasen nicht zu Verletzungen führt. Ebenso wird versucht mit verschiedenen Faserformen und Aufbauarten ein möglichst authentisches Trittgefühl zu erreichen. Oerlikon kann allerdings auch jederzeit durch spezielle Faserauswahl, Querschnittsformen und Material gezielt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden eingehen. Neben den Monofilanlagen ist Oerlikon auch bei der Fertigung von vollautomatischen Wicklern ein führendes Unternehmen. Nach dem erfolgreichen Erobern dieser Nische werden im Chemnitzer Standort Wickler für Spezialgarne und andere spezielle Anwendungen produziert. Besonders die Geschwindigkeit und Präzision der automatischen Spulenwechselfunktion interessierte uns hier. Unsere Ansprechpartner im Produktionsbereich führten uns gerne neue Maschinen vor und erklärten Prinzipen und Besonderheiten dieser.
Neben der Führung durch den Produktionsbereich zeigte Herr Eckart uns auch die beiden aufgebauten Extruderanlagen. Obwohl auf beiden Anlagen zu diesem Zeitpunkt umgerüstet wurde, erklärte Herr Eckart detailliert Aufbau und Funktionsweise der einzelnen Komponenten und ging offen auf unsere Fragen ein. Es wurden uns auch technische Details, Prozessabläufe und Werkzeuge erklärt. Besonders interessant waren hier zudem Berichte über Arbeitstage, Projekte und Dienstreisen, die einen Eindruck des späteren Arbeitslebens vermittelten. Auch ein Besuch im Prüflabor wurde uns ermöglicht. Dort erhielten wir Einsicht in Prüfverfahren und Methoden. Ebenso zeigte eine Führung durch die Werkhalle viele interessante Themenbereiche auf. Da hier wirklich jede Maschine angeschaltet und vorgeführt wurde, lies dieser Teil Maschinenbauerherzen wohl am höchsten schlagen.
KARL MAYER Technische Textilien GmbH
Der letzte Standort, der während der Studentenexkursion 2016 angefahren wurde, war die Firma KARL MAYER Technische Textilien GmbH in Chemnitz. KARL MAYER wurde 1937 als mechanische Werkstatt gegründet und 10 Jahre später beginnt man mit dem Bau der ersten Kettenwirkmaschine. 1992 übernahm KARL MAYER die Firma MALIMO Maschinenbau GmbH aus Chemnitz. 2015 entstand aus dem Zusammenschluss der Firmen KARL MAYER MALIMO und KARL MAYER LIBA die Firma KARL MAYER Technische Textilien GmbH. Sie ist der Hauptsitz des Geschäftsbereiches Technische Textilien bei KARL MAYER. Aktuell sind an den beiden Standorten Chemnitz und Naila 280 Mitarbeiter in den Bereichen Forschung & Entwicklung, Verkauf, Service, Montage und Controlling beschäftigt.
Von diesem Unternehmen werden Textilmaschinen für die Verarbeitung von Hochleistungsmaterialien wie beispielweise Polyester-, Glas- und Kohlenstofffasern und die Produktion technischer Textilien hergestellt. Diese finden in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung. Zu nennen sind hier beispielsweise der Bereich Windkraft, die Automobilindustrie, der Bereich Geotextilien oder Anwendungen im Gebiet der Beschichtungsträger für Werbebanner und Planenstoffe. Ebenso werden Maschinen für die Herstellung leichter Gewirke für die Bekleidungsindustrie oder den Einsatz im Bauwesen als Putzgitter und Verstärkungsstrukturen entwickelt und produziert.
Während der Besichtigung wurden die Schusswirkmaschine WEFTTRONIC® II RS und die Compositemaschinen BIAXTRONIC® CO und MALITRONIC® vorgeführt und erläutert. Hierbei konnte sich ein Überblick über die unterschiedlichen Maschinenkonzepte und Speziallösungen für kundenindividuelle Produkte gemacht werden.
Abschließend möchten wir uns bei allen Firmen und der Hochschule Hof für die Möglichkeit der Durchführung dieser Exkursion und bei unseren Sponsoren, der Walter-Reiners-Stiftung des VDMA, der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden, dem ITM und dem Freundes- und Förderkreis des ITM der TU Dresden e. V. für die finanzielle Unterstützung der Exkursion bedanken. Darüber hinaus danken alle teilgenommenen Studenten dem ITM für die Organisation und freundliche Betreuung während der gesamten Exkursion.
Ein besonderer Dank gilt recht herzlich Frau Miksch und der Hochschule Hof für die gegebene spontane Möglichkeit einer Besichtigung des Standortes und die sehr freundliche und kompetente Führung durch die Hallen.