05.12.2018
Zum Tod von Prof. Jürgen Schieferdecker: Die TU Dresden würdigt ihn als Ausnahmepersönlichkeit der Dresdner Kunst- und Wissenschaftslandschaft
Jürgen Schieferdecker (23. November 1937 in Meerane bis 3. Dezember 2018) studierte Architektur unter anderem bei Karl-Heinz Adler und Georg Nerlich an der Technischen Hochschule Dresden; ab 1993 lehrte er als außerplanmäßiger Professor für Bildnerische Lehre an der Fakultät Architektur. Sein Engagement und seine Leidenschaft galten ab 1975 auch seiner Tätigkeit im Künstlerischen Beirat an der Dresdener Universität.Zeit seines Lebens verstand er sich darüber hinaus in allererster Linie als Künstler: Seine Zeichnungen, Gemälde und dreidimensionalen Objekte sind im Kunstbesitz der TU Dresden, aber auch im Kunstfonds, der Galerie Neue Meister oder der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sowie in weiteren namhaften Museen vertreten. Der Kunstbesitz der TU Dresden verzeichnet alleine über 60 Werke. Vor dem Willers-Bau installierte er 1984 eine installative Plastik aus verschiedenen farbig gefassten Materialien: die „Ulbrichtsche Kugel“ oder auch als „Die Heimkehr des Elefanten Celebes für Max Ernst“ bekannt, deren Kleinfassung von 1987 sich in der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befindet. Sich auf das frühe Gemälde „Celebes oder Der Elefant von Celebes“ (1921) von Max Ernst beziehend, erweiterte Schieferdecker das kunsthistorische Zitat und überführt es mittels des von Friedrich Richard Ulbricht um 1900 an der TH Dresden entwickelten Kugelphotometer in die Dreidimensionalität. Die sogenannte Ulbricht-Kugel ist ein Bauelement der technischen Optik und wird als Lichtquelle eingesetzt, um diffuse Strahlung aus gerichteter Strahlung zu erreichen oder um die Strahlung stark divergenter Quellen zu sammeln.
Als Künstler in und auch von dem Kunstbegriff der DDR geprägt, setzte er sich doch intensiv mit Praxen des Widerstands und internationalen Vorbildern wie den Surrealisten um Max Ernst, Pablo Picasso, Joseph Beuys und kunsthistorischen Traditionslinien bis zu Caspar David Friedrich und Rembrandt auseinander. Immer wieder finden sich in seinen Werken ironisch-subversive Verweise auf Obrigkeit und verordnete Ideologien, in denen er formalistische Vorgaben gekonnt unterlief und diese mit den Mitteln der Bildenden Kunst hinterfragte und auch bloßstellte.
Neben dieser intensiven Tätigkeit als Künstler setzte sich Jürgen Schieferdecker ab 1975 in der Nachfolge von Werner Scheffel im Künstlerischen Beirat der TU Dresden für den Kunstbesitz und gestalterische Aufgaben ein – so entwarf er das TU Logo. Auf ihn gehen darüber hinaus wichtige Erwerbungen und Auftragswerke zurück wie unter anderem der „Mast mit zwei Faltungszonen“ (1984) von Hermann Glöckner, der bis heute das Erscheinungsbild der Universität an der Ecke Fritz-Förster-Platz und Bergstraße markant prägt und die Vorreiterrolle der Hochschule in Punkto baugebundener und mobiler Kunst nach 1945 untermauerte. Neben sozialistisch-realistischen Werken wurden wichtige Arbeiten nonkonform arbeitender Künstlerinnen und Künstler erworben. Schieferdecker ist es zu verdanken, dass der ab 1951 systematisch angelegte universitäre Kunstbesitz, der zentrale Positionen der Dresdner Malerschule um u.a. Theodor Rosenhauer, Ernst Hassebrauk, Curt Querner, Hans und Lea Grundig miteinschließt, in den 1970er, 80er und 90er Jahren erweitert und qualifiziert werden konnte.
Im Sommer 2018 wurde ihm für sein Lebenswerk der Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden verliehen.