Sep 03, 2021
Audiomitschnitt - Triff die Koryphäe unter der Konifere - Prof. Michael Kobel über Neutrinos
Am 18. Juli war Prof. Michael Kobel im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Triff die Koryphäe unter der Konifere" im Botanischen Garten zu Gast und sprach mit den Besucher:innen über Neutrinos, den Ursprung des Universums und die Geduld der Forschenden.
Für alle, die nicht dabei sein konnten, ist jetzt der Audiomitschnitt verfügbar.
Moderatorin, Lilith Diringer: Jetzt natürlich zu unserem Gast. Sie wurden gerade auch schon angekündigt: Professor Michael Kobel. Selbst habe ich erstmal ein Zitat gefunden von ihrerseits, und zwar: "Unsere Forschung ist ein Kulturgut, getrieben von der menschlichen Neugier, die wir alle innehaben. Und Kultur ist etwas, was nur lebt, wenn sie miteinander geteilt wird." Genau dafür sind wir heute da: Wir teilen Forschung, und dazu passt natürlich auch, dass sie Prorektor für Bildung der TU Dresden sind, also immer auch das Wissen, dass man forscht, auch weiterzugeben und didaktisch aufzubereiten. Wir sind super gespannt. Wir sehen hier auch schon vielversprechend ein Modell, auf das wir auch gleich noch mal zu sprechen kommen werden. Sie selbst sind Teilchenphysiker und forschen über die fundamentale Ebene der Elementarteilchen und nicht mehr teilbare Grundbausteine des Universums. Also super spannend schon mal, als ich mich da so ein bisschen eingelesen hab. Und deshalb möchte ich auch gar nicht mehr lange Sie vorstellen, sondern das könnten Sie gerne jetzt einmal selbst tun und einen kurzen Input geben. Was hat es denn mit Ihrer Forschung auf sich? Was tun Sie den lieben langen Tag?
Prof. Kobel: Herzlichen Dank auch an Christoph, für die Einführung. Ich bin sehr froh, hier sein zu dürfen, bisschen was über meine Forschung erzählen zu können. Ich selber bin seit 15 Jahren in Dresden, habe aber auch vorher schon Elementarteilchenforschung gemacht an verschiedenen Orten Europas. Das passiert mit großen Beschleunigern, wo wir die Teilchen, bekanntere wie Elektronen oder Protonen, auf sehr hohe Energien bringen. Das tun wir, um ganz nahe an die Entstehung des Universums ran zu kommen. Ganz am Anfang des Universums, vor 13,8 Milliarden Jahren, wie man jetzt weiß, ist Raum, das Universum, alle Elementarteilchen, alle Materie in einem großen - ja, ob es einen Knall war, ob es irgendjemand hören konnte, das weiß man nicht - Aber das, was man Big Bang nennt, hat vor 13,8 Milliarden Jahren stattgefunden. Dass ist ungefähr dreimal so alt wie unsere Sonne alt ist. Und wir versuchen, möglichst nah ran zu kommen, im Nachstellen von Dingen, die passiert sind, von Prozessen, die passiert sind. Und wir kommen jetzt schon sehr nahe ran, nämlich eine Billionstelsekunde nach dem Big Bang. Eine Billionstelsekunde ist, kann man sich nicht mehr vorstellen. Das Licht schafft es gerade drei Haaresbreiten weit in so einer Billionstelsekunde, also sehr, sehr nah. Und die Prozesse stellen wir gerade an dem sogenannten Large Hadron Collider nach in Genf. Und da haben zum Beispiel die Elementarteilchen, Elektronen, die wir kennen, erst ihre Masse bekommen durch einen Mechanismus, den man Higgs-Mechanismus nennt, aber über den heute ich nicht reden will. Ich will heute hauptsächlich über Neutrinos reden, weil die sehr viel zu tun haben mit dem, was dann passiert ist. Es ist dann, das Universum hat sich ausgedehnt, hat sich abgekühlt in den Bruchteilen von Sekunden danach. Es gab noch keine Kernbausteine, wie wir sie heute kennen. Es gab so eine Suppe aus Teilchen, die wir Quarks und Gluonen nennen, das sogenannte Quark-Gluon-Plasma, was man als weiteren Aggregatzustand - nach fest, flüssig, gasförmig kann die Materie auch diesen Aggregatzustand einnehmen. Und aus diesem Quark-Gluon-Plasma sind dann die Kerne entstanden. Die Kern-Bausteine erst mal, wie wir sie heute kennen, Protonen und Neutronen. Das passierte ungefähr nach einer Mikrosekunde. Darunter kann man sich schon ein bisschen was vorstellen, aber auch noch sehr kurz. Und dann hat es noch länger gebraucht, bis die sich zu den einfachen Kernen zusammenschließen konnten. Helium zum Beispiel war einer der ersten Kerne, die gebildet wurden, nach einigen Sekunden oder auch Minuten. Was aber auch währenddessen passiert ist - und da kommen das erste Mal vielleicht die Neutrinos ins Spiel - Wir wissen es noch nicht - Ist das eine Milliarde Mal mehr Materie da war, als wir heute im Universum haben. Es war nämlich nicht nur Materie vorhanden. Es war Antimaterie auch vorhanden. Und eigentlich sagen alle Gesetze der Physik: Es muss immer gleich viel Materie und Antimaterie entstehen. Antimaterie ist eigentlich dasselbe wie unsere bekannte Materie. Nur alle Ladungen sind umgedreht, sind entsprechend positiv oder negativ andersrum. Und wir könnten auch prinzipiell alle aus Antimaterie hergestellt sein. Dann würden wir im Anti-botanischen Garten sitzen und von nem Anti-Direktor begrüßt werden. Und das würde aber genauso aussehen, wie es jetzt aussieht. Wir würden es nicht merken, und es hätte sich eigentlich alles wieder vernichten müssen. Hat es aber nicht, weil ein Milliardstel Überschuss von Materie gegenüber Antimaterie ganz am Anfang entstanden ist. Und da könnten die Neutrinos mitgespielt haben, das wissen wir noch nicht. Und dann hat sich in den ersten Sekunden alles wieder in einer riesigen Vernichtungsschlacht vernichtet, und ein Milliardstel ist übriggeblieben. Und das ist das, was wir hier sehen. Sterne, Galaxien, Planeten, fast 3 Milliarden Jahre alte Gesteinsformationen, die hier auf diesem Planeten entstanden sind. Insofern passt dieser Ort wunderbar: 2,8, Milliarden Jahre alt. Und dann war es erst mal recht langweilig. Dann war unser Universum sehr undurchsichtig. Die Elektronen flogen noch rum, ungefähr ein Viertel war Helium. Dreiviertel war Wasserstoffkerne, und es musste erst für das Universum sehr kalt werden, nämlich 3000 Grad kalt. Ich habe vergessen zu sagen, wie heiß es war, als diese Billionstelsekunde: Da war es eine Billiarde Grad heiß. Das ist ungefähr so viele Male heißer als das Zentrum der Sonne, wie das Zentrum der Sonne von 0,1 Grad Kelvin am absoluten Nullpunkt weg ist. Also von da aus gesehen war die Sonne eiskalt, wenn es sie schon gegeben hätte. Und von diesen Billiarden Grad hat es sich dann nach 400.000 Jahren auf 3000 Grad abgekühlt. Das ist so die Temperatur von rot glühenden Eisen. Und dann konnten sich endlich Atome bilden, Atomhüllen - die Atomkerne haben die Elektronen eingefangen, und das Universum wurde auf einmal durchsichtig. Das war es vorher nicht. Und war sogar im sichtbaren Licht rot. Ist dann langsam abgekühlt, so ins Grün und Blau, und dann wurde es dunkel. Dann war es Infrarot, das hätten wir nicht mehr sehen können, wenn wir damals dagewesen wären. Und dann ist auch etwas ganz Seltsames passiert. Was, wo auch man gedacht hatte, dass die Neutrinos damit zu tun haben, dass sich diese Wasserstoff- und Heliumkerne so ein bisschen geklumpt haben, an bestimmten Orten angesammelt haben, dass sie Gaswolken gebildet haben. Und da wurden sie rein geholt durch dunkle Materie, von der wir nicht wissen, was es ist. Da dachte man erst, das seien die Neutrinos. Aber wir können diskutieren, warum sie es nicht sind oder nur ein kleiner Teil. Und dann sind die ersten Sterne entstanden. Dann sind Gasbälle entstanden, so wie unsere Sonne aus Wasserstoff und Helium. Und die waren im Zentrum so dicht, dass dann Kernfusion anfing. Und bei der Kernfusion, da sind jetzt wirklich die Neutrinos auch dabei, weil da wird Wasserstoff zu Helium gebrannt. Und da müssen sich Protonen in Neutronen umwandeln. Und das heißt, irgendwo müssen die positiven Ladungen weg in Form von Antielektronen und eben Neutrinos, die entstehen. Die Neutrinos sind die elektrisch neutralen Partner oder Geschwister der Elektronen. Ja, und das ist das, was wir heute hier haben. Die Sonne, scheint. Es ist jetzt die dritte Generation von Sternen. Also die Sonne ist nicht 13 Milliarden Jahre alt, die Sterne sind ungefähr hundert bis 200 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden. Die Sonne ist schon die dritte Generation. Auch alle Atome, aus denen wir - die schweren Elemente - aufgebaut sind, sind inzwischen schon in zwei Sterngenerationen gebacken worden und dann wieder ins Weltall geschleudert worden und dann hier irgendwann auf der Erde angekommen. Und jetzt sitzen wir hier und fragen uns, warum das alles so funktioniert #00:12:07-3#
Diringer: Super spannend, auf jeden Fall. Vielen Dank für die ist wirklich sehr, ja sehr prägnante Wrap-Up sozusagen. Eine Geschichte der Jahrmillionen. Vielleicht auch gerade da einhaken: Sie meinten jetzt schon häufiger das Ganze ist recht unvorstellbar. Und auch diese ganzen Sekündelchen. Und diese großen Mengen Grade, Minusgrade. Wie schaffen Sie es, sich da immer wieder was vorzustellen oder sich das zu versinnbildlichen innerhalb ihrer Forschung?
Prof. Kobel: Ich versuche, mir Vergleiche zu holen, dass man sich Entfernungen vergleicht, dass man sich, dass man sich - Alter ist schon sehr schwer zu fassen, weil wir können gar nicht in Millionen Milliarden von Jahren denken. Wir werden nur100 Jahre alt. Die Geschichtsschreibung hat vielleicht mit der Menschheit vor einigen 10.000 Jahren angefangen, aber alles andere ist schwierig. Aber diese Faktoren kann man sich immer mit - ich zumindest - mit Verhältnissen von Entfernungen vorstellen. Auch wenn ich mir die Größen von Atomen und Atomhülle vorstellen will, dann suche ich mir als Atomkern eine Erbse zum Beispiel und frag mich "Wie groß ist denn dann das ganze Atom? Und dann kommt so ungefähr ein Fußballfeld raus. Und dann kann ich mir vorstellen, wie winzig dieser Atomkern ist im Vergleich zum Ganzen Atom? Und entsprechend mache ich das mit den Temperaturen, dass ich mir Verhältnisse angucke, dass man, sich fragt wie viel heißer ist es denn als in der Sonne? Und die Sonne ist ja schon unvorstellbar heiß, und wenn es dann noch mal hundert Millionen Mal heißer ist als in der Sonne, dann ist es richtig heiß.
Diringer: Da sind wir ja mit, ich glaube, so angenehmen 26 Grad noch ganz gut im kühlen, aber auch sehr spannend. Also, ich glaube, alle werden jetzt am Essenstisch und im Fußballstadion an Quantenphysik denken. Auf jeden Fall sehr schöne, anschauliche Bilder. Und bevor wir zum anschaulichen Modell hier kommen, vielleicht noch eine kurze Überleitungsfrage, was Sie denn antreibt in ihrer Forschung? Das ist ja jetzt nicht so, dass wir jetzt im Alltag direkt Dinge daraus verwenden können oder dass Sie irgendetwas ja praktisch forschen, was wir dann direkt umsetzen, wie jetzt, wie auch immer der Corona-Impfstoff, deren sofort irgendwie da ist. Was treibt Sie denn da an? Und welche Anwendungsfelder gibt es denn konkret?
Kobel: Also mich selber treibt wirklich die Grundlagenforschung, die grundsätzlichen Fragen, an. Was finden die Gesetzmäßigkeiten, nach denen das funktioniert und auch das, was Einstein mal gefragt hat: Hätten, die auch anders aussehen können? Hätten die Naturgesetze anders sein können, ein anderes Universum rauskommen können? Oder ist das die einzige Art wie ein Universum entstehen kann. Davon sind wir noch weit entfernt. Dazu brauchen wir das, was man immer als diese mystische "Weltformel" an die Wand schreibt. Wir haben eine kleinere Weltformel, aber die beschreibt noch nicht bei weitem alles. Das treibt mich an, zu wissen, wie das entstanden ist und einfach, was Sie auch vorhin zitiert haben, diese Neugier, die man dann auch gerne mit anderen Menschen teilen will. Und es ist dann wie in anderen Forschungen auch: Es kommt irgendwann auch was Anwendbares raus, auch wenn man nicht... Es funktioniert, meistens auch viel besser. Also ich vergleiche es auch gern mit einem Feld das man düngen muss, bevor was wächst. Und Grundlagenforschung ist der Dünger für das Feld der Anwendung. Wenn wir den nicht haben, kann da nichts wachsen. Und wir wissen noch nicht, was wächst. Aber irgendwann wächst etwas. Und das war zum Beispiel mit der Antimaterie, die ja in den 90er-Jahren erst einmal völlig theoretisch postuliert wurde von Dirac. Keiner hat ihm geglaubt, aus purem mathematischen Gründen. Da hat er gesagt, da gibt es eine zweite mathematische Lösung, die muss doch auch in der Welt vorhanden sein. Und alle hatten gesagt: Das ist doch in Mathematik, das hat doch nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Und dann hat wirklich acht Jahre später Anderson das erste Antimaterie-Teilchen gefunden. Und dann hat es 50 Jahre gebraucht, bis die in der Anwendung war. Ist heute Alltag in der in der Medizin, heißt Positron-Emissions-Tomographie. Da verwendet man Dinge, die also... man nimmt in den Körper Positronen, also Antielektron-Strahle auf, die dann, wenn man sie so da anhängt, dass der Körper sie sehr gut verarbeiten kann, dahin transportiert werden, wo besonders viel Aktivität im Körper ist. Und dann kann man mit Teilchendetektoren sehen, wo sind die Stoffe hingewandert? Wo ist live gerade viel Aktivität. Organe untersuchen, insbesondere die Gehirnaktivität untersuchen. Man kann zugucken, wie das Gehirn gerade denkt, welche Gehirnregion aktiv ist, um auch Krankheiten im Gehirn zu heilen oder um eben zu gucken, wie überhaupt das Gehirn funktioniert. Da hat Dirac sicherlich nicht dran gedacht, als er vor fast hundert Jahren die Antimaterie postuliert hat.
Diringer: Also auf jeden Fall eine wichtige Relevanz, dann auch von der Grundlagenforschung. Ich würde erstmal noch sagen, wir gehen zu dem Modell über, und dann können wir die die Fragen mal sammeln, die sich bisher auch schon sicher aufgetan haben. Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir es schön anschaulich auch in unsere Mikrofone sprechen, für jetzt diejenigen, die nur die Audiospur dann bekommen. Aber ich glaube, das bekommen wir hin. Und ich bin schon ganz gespannt was ist hier mit diesen Pendeln, die ich jetzt einfach mal so benennen würde, auf sich hat?
Kobel: Ich muss dann ein bisschen beschreiben, was man sieht. Also ich habe hier ein Pendel, nicht nur eins, sondern drei Pendel aufgebaut und auf den Pendeln, das kann man von hinten vielleicht nicht sehen, steht ein ein griechischer Buchstabe "My", mit einem kleinen anderen Buchstaben, unten im Satzkript. hier steht ein "E". Was heißt, dass dieses Neutrino, der Partner oder die Partnerin, das Partner, was auch immer es für ein Geschlecht hat, des Elektrons ist. Und es gibt dann auch, das ist was, was wir noch nicht verstanden haben, gibt alle Elementarteilchen, aus denen die Materie aufgebaut, ist in dreifacher Ausfertigung, in drei sogenannten Generationen, die sich im Wesentlichen nur durch die Masse unterscheiden. Es gibt also ein schweres Elektron, das heißt "Myon". Da hat vielleicht der eine oder die andere von ihnen schon davon gehört. Die entstehen ständig, - jetzt auch - in der Erdatmosphäre und fliegen auch ständig durch uns hindurch und sind ein Teil der natürlichen Strahlenbelastung, denen die Menschen ausgesetzt sind, diese Myonen. Und dann gibt es noch schwerere, die aber so kurz leben, dass sie sofort wieder verschwinden, die "Tauonen". Und zu jedem dieser Elektron-Geschwister gibt es ein Partner-Neutrino. Und das lustige und das Merkwürdige an Elementarteilchen ist - Und das hat in dem Fall, was mit Masse und mit diesem berühmten Higgs-Mechanismus zu tun ist, dass die sich ineinander umwandeln können. Also das ist was, was eigentlich eine Revolution ist im Denken. Was die Alchemisten im Mittelalter geträumt haben, dass man aus Eisen Gold machen kann, also, dass sich Stoffe ineinander umwandeln lassen. Und das hatte ich ja schon bei der Kernfusion in Sternen erzählt, dass da Neutronen, wenn man Helium machen will, aus Protonen entstehen. Und jetzt können eben auch Neutrinos sich ineinander umwandeln. Das hat man erst in den letzten 20 Jahren gemerkt, und das ist nur deshalb möglich, weil sie eine Masse haben. Und man kann eben interessanterweise aus der Tatsache, wie schnell sie sich ineinander umwandeln, ausrechnen, wie groß die Massen oder die Massenunterschiede sind. Und das ist eine Antwort auf die Frage schon die ich am Anfang hatte. Diese mystische, dunkle Materie, die überall im Universum ist, hat genau die Eigenschaft, die Neutrinos haben. Und als ich studiert hab, waren Neutrinos der heiße Kandidat und alle dachten, das wird die dunkle Materie sein, wir müssen nur deren Masse messen. Und jetzt haben wir gemessen, dass die einige hundert Mal zu leicht sind. Dass die Neutrinos, also so was wie ein Prozent der Dunklen Materie ausmachen. Aber dass wir den Rest nicht verstanden haben. Also viele offene Fragen. Und wie man draufgekommen ist, ist, dass man auf der Erde, wenn die Neutrinos in der Kernfusion in der Sonne entstehen, entstehen nur diese hier blau markierten Neutrinos und man weiß ungefähr - man weiß ja, wie hell die Sonne ist. Dann können Astrophysiker ausrechnen, wie viel Kerne sich da im Zentrum pro Sekunde verschmelzen müssen. Das heißt auch, wie viel Neutrinos da pro Sekunde rauskommen müssen. Sind höllisch viele, also pro Daumennagel pro Sekunde durchdringen uns 60 Milliarden Neutrinos, die praktisch nicht wechselwirken. In unserem Lebensalter wechselwirken vielleicht drei Neutrinos in unserem Körper. Ich habe schon zwei hinter mir dieses Jahr - es wechselwirkt das dritte, also so alle 20 Jahre eins. Und wenn man genügend lange wartet - es kommen ja genügend viele an - und genügend große Detektoren aufstellt, dann kann man schon so ein paar am Tag messen, und das hat ein sehr geduldiger Mensch versucht, in einer unterirdischen - Ich weiß gar nicht, was es für eine Mine war in Kanada - und der hat so ungefähr 1 pro Tag erwartet und hatte aber dann nur eins, alle drei Tage
gemessen. Und der Grund ist - und das kann ich jetzt mal vorführen - das habe ich jetzt hier mit Federn dargestellt, es entsteht - und dieser Pendelausschlag das ist diese quantenmechanische Amplitude - wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, ein Neutrino zu finden? Es entsteht am Anfang das das blaue Neutrino in der Sonne. Aber nach einer Weile ist es weg. Nach einer Weile ist nur noch das grüne und das rote da. Und dieser Detektor, den dieser Physiker hatte, der war halt so aufgebaut, dass der nur das blaue messen konnte. Und wenn Sie jetzt die andere Hälfte halten - Ich hab’s es leider nicht anders als mit so einer Sichtblende - Wenn man wirklich nur auf das blaue sieht und guckt, wieviel kommen denn dann so pro Tag an, dann fehlen einfache welche und das liegt eben daran, dass das sich in die anderen umwandelt. Und dann konnte man ausrechnen, wie schnell sich das umgewandelt hat und wie schwer sie sind und konnten rausfinden, dass die nicht die dunkle Materie sind.
Diringer: Ganz kurz noch für die Audio Zuschauer noch mehr zum Modell. Wir sehen jetzt eben, dass das mittlere der Pendel schwingt und dadurch, dass sie mit den Federn mit dem Grünen und dem orangenen verbunden sind, eben hier auch mit in Schwingung geraten. Wir hatten jetzt gerade zwei Sichtblenden davorgehalten und haben eben nur das blaue gesehen. Und das wäre ja genau dann, dass der der Forscher, der Detektor sozusagen immer nur das blaue gemessen hat,
Kobel: Ja genau. Und das blaue ist eben - manchmal hat das einen Ausschlag, und wenn es einen Ausschlag hat, heißt es, man kann es messen. Aber manchmal hat es auch keinen Ausschlag und das heißt es hat sich in dem Moment in die beiden anderen umgewandelt. Und die fliegen dann komplett unmessbar durch den Detektor durch. Und drum misst man eben weniger als man ausgerechnet hat. Und dieser geduldige Mensch hat wirklich das 30 Jahre lang gemessen, jeden Tag oder alle drei Tage eins, bis er es genügend statistisch beweisen konnte. Auch das war eine Geschichte, erstmal haben viele gedacht na gut, dann haben sich die Sonnen-Theoretiker verrechnet. Aber es hat sich dann herausgestellt, es ist wirklich dieser Effekt. Und er hat dann den Nobelpreis dafür gekriegt.
Diringer: Da haben sich die 30 Jahre ja gelohnt. Sehr spannend auf jeden Fall, auch hier wieder. Und nachdem wir jetzt auch schon Einblicke in diese vielen einzelnen Teilchen hier auch schon schön bunt gezeigt und dargestellt bekommen haben, würde ich einmal in die Runde gucken und Sie auffordern: Welche Nachfragen gibt es? Welche Gedankengänge haben Sie auch? Das Mikrophon kommt gleich von da hinten an. Genau dann würde ich Sie bitten, erst mal kurz zu warten, bis das Mikro da ist. Sie schlängelt sich durch die Zuschauenden,
Gast: Wenn er nur das Blaue beobachtet hat. Und dann war es mal weg, dann war es mal wieder da. Warum hat er nicht das rote zusätzlich beobachtet und hat gesagt, wenn ich das blaue, das rote, - das grüne brauche ich nicht, denn das ganze System muss ja wahrscheinlich eine Einheit bilden, da ergibt sich das. Aber dann hätte ich wenigstens nicht solche Zeiten, wo ich nichts messe und ich weiß, was eigentlich los ist. Geht das prinzipiell nicht oder warum ist er gerade auf das Blaue gekommen?
Kobel: Eine sehr, sehr gute Frage, also sogar in zweifacher Hinsicht. In der Tat stimmt die Aussage, dass es genügt, zwei zu messen, weil es darf nichts verloren gehen, irgendeins muss da sein. Das ist genau das, was man machen kann. Aber sein Detektor konnte wirklich nur das blaue messen. Er hat einen riesigen Tank an ja so eine Art Reinigungsmittel gehabt, 300.000 Liter, in dem Chlor drin war. Und dieses Chlor, der Chloratomkern wurde durch das Neutrino umgewandelt in Argon, also in ein Edelgas und das passierte eben mit einem Atomkern alle drei Tage. Und es ist sowieso unvorstellbar, wie man in einem 380.000 Liter Tank findet, dass da ein Atomkern sich in Argon umgewandelt hat. Das ist eh schon einen Nobelpreis wert, dass es überhaupt funktioniert hat. Aber die zwei anderen, die können das nicht, weil die nicht - die Neutrinos, die aus der Sonne kommen, nicht die nötige Energie dazu haben, weil die müssen sich immer in ihr Partner-Teilchen umwandeln. Und dieses Elektron-Neutrino muss sich immer in ein Elektron umwandeln, wenn's im Chlor ein Proton in ein Neutron umwandelt. Und das Myon-Neutrino muss sich eben immer in ein Myon umwandeln. Nur ist dieses Myon jetzt 200 Mal schwerer als das Elektron. Das heißt, ich brauche 200 Mal höhere Energie. Und so viel Energie haben die Neutrinos nicht aus der Sonne. Das heißt mit dem Prozess ging es wirklich nur mit dem Elektron-Neutrino. Aber mit der Idee, die sie haben, hätten Sie, wenn es nicht schon jemand gemacht hätte, den 2ten Nobelpreis dann auch absahnen können. Es gab nämlich eine zweite Gruppe, die genau das gemacht hat, die gesagt hat: Ich konstruierenden anderen Detektor, der nicht nur das blaue, sondern auch das rote und das Grüne nachweisen kann. Nämlich einen großen Tank aus schwerem Wasser. Das ist also, wo ein Wasserstoff durch Deuterium - da ist einfach im Atomkern ein Neutron mit am Proton dran. Und die haben ich glaube fast das gesamte schwere Wasser der Welt zusammengeLIEHEN, wohlgemerkt nicht gekauft, das hätten sie gar nicht bezahlen können. Und haben dann, das kann man dann nämlich mit solchen anderen, die können das aufteilen in ein Proton und ein Neutron. Und dann hat man gemessen das wirklich hundert Prozent ankommen. Die Theorie der Sonne hat gestimmt. Es kommen genauso viele Neutrinos an, wie man ausgerechnet hab, nur eben zum Teil als Grüne und als rote. Und da gab es dann vor 15 Jahren den 2ten Nobelpreis,
Diringer: Also Fast-Nobelpreisträger hier im Publikum. Hier gab es auch noch eine Meldung.
Gast: Meine Frage reicht weiter zurück. Sie sprachen davon, dass Materie und Antimaterie sich vereinigt oder vernichtet hat. Wie ist die energetische Seite dieses Vorgangs?
Kobel: Da ist sehr viel Energie frei geworden am Ende, hauptsächlich in Form von Licht, also von Photonen und die fliegen noch heute durchs Weltall. Das ist das, was man die kosmische Hintergrundstrahlung nennt. Und das ist auch das Untersuchungsobjekt, aus dem man all das weiß, weil man eben mit Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung zurückgucken kann und auch gucken, wie intensiv kommt sie denn aus unterschiedlichen Richtungen. Da sieht man dann diese Dichte-Fluktuationen von 13,8 Milliarden Jahre alt, wo dann die Sterne entstanden sind und das ist - heute kommt natürlich alles Fernsehen digital aus der Steckdose - aber als man früher noch alle - noch analoge Fernsehapparate hatte, mit Antenne und so was und den Sender falsch eingestellt hat, sodass es rauschte, da ist wirklich zwei bis drei Prozent von diesem Rauschen ist die kosmische Hintergrundstrahlung, die man da wohl mit dem eigenen Fernsehapparat messen konnte. Und die ist einfach noch da und ein total spannendes Untersuchungsobjekt,
Diringer: Vielen Dank nochmal für die Frage. Und da gibt es auch schon die nächste. Eine Reihe weiter hinten.
Gast: Dankeschön. Ja, meine Frage wäre - also es ist bisher super spannend - aber mich würde interessieren: Zum einen wie schnell ist der Erkenntnisprozess momentan. Also, wie schnell findet man da neue Erkenntnisse? Flacht das jetzt irgendwie auch langsam ab die Kurve. Und was macht ihr vielleicht auch gerade in Dresden? Also wir haben ja keinen großen Elektronenbeschleuniger oder so. Plant ihr da eher die Forschungsvorhaben? Und vielleicht noch eine dritte Frage, naja, zweieinhalb. Wie schaffst du es jetzt, mit deinem neuen Amt als Prorektor Bildung ja auch irgendwie den Bezug zur Forschung zu halten, weil ich denke, dass das ja nicht mehr so viel Platz und im Alltag haben wird.
Kobel: Das stimmt, da hast du recht. Ich kann mal mit der letzten anfangen. Ich habe glücklicherweise wie alle Prorektoren und Prorektorinnen eine Professurvertretung, also in meinem Fall einen jungen Nachwuchswissenschaftler, der die Gruppe übernommen hat und die Forschung weiterführt, solange ich Prorektor bin. Ich die gehe wirklich - ich schaffe es nicht häufiger - einmal pro Monat in unsere Gruppen-Meetings, um aktuell zu bleiben. Ich bin auch noch dabei in dem Experiment, indem ich bin, auch in sogenannten Editorial Boards zu sein - da war ich jetzt auch gerade - von Veröffentlichungen, die geschrieben werden, um einfach zu sehen, was macht mein Experiment und stell da mehr oder weniger kluge Fragen zu der Forschung, die die anderen machen. Und dann lese ich natürlich die Doktorarbeiten, die da rauskommen. Da freue ich mich schon auf drei, die vielleicht alle noch dieses Jahr fertig werden. Und so versuche ich da dran zu bleiben.
Das zweite ähm - das erste war: Wie schnell ist der Fortschritt? Das zweite war: Was machen wir in Dresden? In der Tat macht einer meiner Kollegen also die Professur für Kernphysik, Kai Zuber, macht Neutrinophysik und zwar auch speziell für Prozesse, die in der Sonne stattfinden. Er hat gerade auch mit seiner Kollaboration einen Preis gekriegt dafür, dass er einen 2ten Prozess der Energiegewinnung in der Sonne, der nur ein Prozent oder sogar weniger zur Energiegewinnung beiträgt, nachgewiesen hat, den man schon lange vermutet hatte. Funktioniert fast so wie im Auto der Katalysator, dass man diese Fusion von Wasserstoff zu Helium nicht macht, indem diese Wasserstoff und Protonen sich alle gemeinsam treffen müssen, sondern dass sie angelagert werden, an andere Kerne, sich an diesen anderen Kernen ein Helium bildet. Und was dann als fertiges Helium abgestoßen wird. Das ist der Kohlenstoff-Stickstoff-Sauerstoff-Zyklus, den Weizsäcker schon postuliert hatte. Der ist jetzt das erste Mal nachgewiesen. Und er guckt auch nach, äh, ganz lustigen Effekten in doppeltem Beta-Zerfall, aber den will ich jetzt nicht erklären. Ansonsten forschen wir eben, wie auch erwähnt wurde, an großen Beschleunigern, die woanders stehen. Das heißt ich habe - gut als Doktorand habe ich da gewohnt, wo der Beschleuniger war, nämlich in Hamburg, am Desy und habe da meine Doktorarbeit gemacht und wirklich auch jeden Tag am Detektor rumgeschraubt und an der Elektronik. Jetzt ist es so, dass wir mit 3000 Leuten einen Detektor gebaut haben, der in Genf steht, am CERN, und den betreiben wir auch mit - mit den Unis sind wir, wir sind knapp 40 Länder, 170 Unis, glaube ich, die an diesem Detektor beteiligt sind und das zu 3000 gemeinsam auswerten. Äh, das heißt, man kann diese großen Maschinen nicht in in jedem Uni-Ort bauen. Da gibt's ein, zwei, maximal drei Plätze in der Welt, wo das stattfindet. Und das machen einige von meinen Kollegen auch mit unterschiedlichem Forschungshintergrund.
Und das erste: Wie schnell ist der Fortschritt? Es ist eben immer relativ. Also für uns gesehen... Von außerhalb ist der Fortschritt in der Neutrino-Forschung gerade unglaublich schnell, weil innerhalb von 20 Jahren unglaublich viele Erkenntnisse herausgekommen sind. Aber man denkt wirklich in Jahrzehnten dabei. Also, dass man nächstes Jahr irgendetwas weiß, das ist hoffnungslos. Man muss viel Geduld haben und auch das, was ich selber forsche: Wirklich sagen zu können, das ist so, wie es vorhergesagt ist, das wird auch noch 20 Jahre benötigen. Wir haben jetzt den Prozess, den ich gesucht habe, nach zehn Jahren Forschung das erste Mal eine Handvoll von solchen Ereignissen gesehen und können jetzt sagen: "Ja, ihn gibt es." Aber ob die vorhergesagte Häufigkeit stimmt, wissen wir noch nicht. Und auch die Experimente, die wir betreiben - die immer so kostspielig vorkommen - die werden über viele Jahre betrieben. Der Detektor, an dem ich arbeite, ist - die ersten Ideen waren glaube ich schon in den 80er-Jahren wirklich konkret entwickelt. In den 90er-Jahren gebaut, in den Nullerjahren. Und dann wird er jetzt zwei bis drei Jahrzehnte lang in Betrieb sein. Mindestens zwei Jahrzehnte in Betrieb sein, vielleicht noch länger. Also Generationen von Physikern und Physikerin können da arbeiten.
Diringer: Auch die Jahrmilliarden, in denen wir ja auch schon denken, wo Sie meinen, Sie versuchen, so nahe wie möglich dran zu sein, obwohl es so eine unvorstellbare Zeit ist. Da sind ja dann die zehn oder die 30 Jahre, bei denen wir vorhin ja schon dran waren, bis dann der Nobelpreis erreicht wurde, doch eine sehr kurze Zeit. Aber trotzdem wünscht man sich ja hier und da natürlich auch schnelle Forschungserkenntnisse
Kobel: Es ist sehr selten, dass es in diesem Feld wirklich schnell geht. Weil die Technologie ist auch eine, die man nicht kaufen kann. Sondern auch die Detektoren müssen eben entwickelt werden, speziell für unsere Anwendungen. Was aber dann auch wieder diese berühmten Spin-Offs hat, weil wir hochpräzise hochempfindliche Detektoren entwickeln, die dann auch wieder woanders eingesetzt werden können. Zum Beispiel auch bei Röntgenaufnahmen beim Arzt, sodass man vielleicht auch die Röntgen-Dosis, die man abkriegt, die Strahlungsdosis vermindern kann, wenn man die Strahlung mit empfindlicheren Detektoren messen kann. All das sind so Dinge, die dann wirklich in die Anwendung - ganz nebenher hat dann jemand eine Idee: "Ach, könnte man das nicht auch beim Röntgen einsetzen?" Und schon hat man wieder eine Anwendung.
Diringer: Hier auch noch mal die Frage in die Runde, ob sich da noch mal Nachfragen ergeben haben. Da ist direkt eine.
Gast: Ich hab eine Frage, und zwar bezogen auf die Detektoren. Man hat ja zum Beispiel ATLAS oder den CMS. Die suchen ja nach relativ allem, was sie finden können. Und ich frage mich, wie viel ist da noch? Also erwartet man jetzt noch neue Grundbausteine? Oder denkt man, das Modell ist jetzt so, wie es ist, erst mal relativ abgeschlossen?
Kobel: Das ist eine sehr gute Frage. Was man wusste, was da irgendetwas ist, ist, dass die, das hatte ich kurz erwähnt, diesen Higgs-Mechanismus, dass es einen Mechanismus gibt. Oder man sollte vielleicht Brout-Englert-Higgs-Mechanismus sagen, weil die Idee kam mindestens von dreien. Das Higgs-Teilchen wurde von Herrn Higgs vorhergesagt, dass da irgendwas sein muss, was die Masse der Teilchen, also zum Beispiel die Masse des Elektrons macht. Das wusste man, und man wusste, dass dieser Mechanismus bei Energien stattfindet, die man mit dem Atlas und CMS Experiment hatte oder geplant hatte. Das heißt, es war einer der wenigen Fälle, wo man wusste, man wird irgendetwas finden. Man wusste nicht, ob es dieses Brout-Engler-Higgs-Modell ist, das war das populärste, das war das einfachste. Man hat 50-Jahre lang gesucht, aber es hätte auch was ganz anderes sein können. Aber man wusste, es passiert bei dieser Energie. Und dann hat man in der Tat das Higgs-Boson gefunden. Und es war doch das, was Higgs und Kollegen sich ausgedacht hatten. Bei anderen Dingen ist man - also man weiß zum Beispiel, hatte ich vorhin erwähnt, es gibt dunkle Materie, und man weiß inzwischen auch, das müssen irgendwelche Teilchen sein. Das sind also keine Planeten, die da irgendwo rum schwirren. Es gibt noch ein paar, die postulieren jetzt "vielleicht sind es ganz am Anfang entstandene kleine oder nicht so kleine Schwarze Löcher, die irgendwo rumfliegen". Aber das ist alles sehr unwahrscheinlich. Es ist es sind aller Wahrscheinlichkeit nach Elementarteilchen, die die Eigenschaften von Neutrinos haben. Nur die Neutrinos sind es nicht, das weiß man jetzt. Und das muss man irgendwann finden, das muss ja irgendwie DA sein. Oder - ich nehme es ein bisschen zurück - wenn sie genau dieselbe sogenannte schwache Wechselwirkung machen wie die die Neutrinos, dann wird man sie auch finden. Wenn man Pech hat, macht diese dunkle Materie nur Gravitation als Wechselwirkung. Und dann wird es richtig schwer. Also dann wage ich zu sagen, dass man die auch in 500 Jahren noch nicht gefunden haben wird, weil dann einfach - auf Teilchen-Niveau ist Gravitation so schwach, dass man deren Effekte nicht messen kann. Da braucht man schon so eine Erde, wo man dann merkt hier ist was, was einen anzieht. Und das ist eine offene Frage.
Die andere offene Frage ist, warum da drei Pendel sind. Unsere Theorie sagt das nicht vorher. Unsere Theorie kann wunderbar beschreiben, wie die Wechselwirkungen dieser Teilchen miteinander sind. Welche Kräfte da wirken, welche Umwandlungen wie häufig stattfinden, das kann man alles auf Promille genau vorhersagen. Aber warum es gerade drei gibt und warum gerade die und warum die nicht noch einen dritten Partner und Geschwister haben? Keine Ahnung. Und es ist auch so - dieser Aufbau dieser Pendel habe ich ganz ähnlich wie die sozusagen miteinander wechselwirken, habe ich so aufgebaut, wie es in der Natur auch ist. Und man sieht, da ist eine gewisse Symmetrie dahinter, weil auch die Federn sind - also das ist spiegelsymmetrisch zum Beispiel, wie man sieht. Der Aufbau, diese Symmetrie ist auch unverstanden. Und natürlich, die große Frage: Wo ist die Antimaterie hin? Warum ist sie verschwunden? Machen Antineutrinos ein bisschen was anderes als Neutrinos? Das will man wissen. Also viele offene Fragen noch die ganz zum Anfang zurückweisen. Ob der LHC und dieses Atlas- und CMS-Experiment, die klären wird, das weiß man nicht. Man plant jetzt schon einen nächsten Beschleuniger. Man weiß zum Beispiel noch nicht, wie diese Higgs-Teilchen miteinander wechselwirken. Das ist das nächste, was vorhergesagt wird, aber man noch nicht messen kann. Man weiß wie ein Higgs-Teilchen mit einem Elektron und - nagut, mit dem Elektro noch nicht - aber zumindest mit den anderen, mit den Top-Quarks und den Myonen wechselwirkt. Das hat man alles gemessen. Und das stimmt alles. Aber wieso zwei Higgs-Teilchen miteinander wechselwirken, das würde man auch gerne messen. Und da könnten ganz fundamentale Sachen rauskommen. Da könnte vielleicht rauskommen, dass wir in gar keinem stabilen Universum leben, sondern dass dieses Universum nur gerade glücklicherweise im einen Energie-Minimum ist und sich vielleicht irgendwann in ein anderes Energie-Minimum begibt, mit einer Lebensdauer von zehn hoch hundert Jahren, die uns keine Sorgen machen muss. Aber auch das ist schon wieder spannend, wo man sich fragt, ja, ist sozusagen das Ende unseres Universums schon klar durch solche Sachen. Das sind Fragen, die uns alle bewegen: Wo geht es hin? Wo kam es her?
Diringer: Also für alle im Publikum noch viel Potenzial für Mitforscher und Mitforscherinnen, wie ich hier höre. Hier auch noch mal so ein bisschen von meiner Seite: Die Forschung ist ja das eine Thema, das andere: Prorektor Bildung. Didaktisch sind sie da ja auch sehr gut aufgestellt. Sie haben auch gleich ein Modell mitgebracht. Ich habe gehört, dass sie sogar noch ein größeres Modell gerne mit dabeihätten. So dass es da auch vieles gibt zum Anschaulichmachen. Können Sie vielleicht dazu auch noch ein paar Worte verlieren? Wie kann man solche tiefe Forschung, in der man jahrelang steckt, wirklich auch der Außenwelt kommunizieren, jetzt auch in Formaten wie diesen? Was haben Sie da so bisher miterleben können?
Kobel: Ja, ich habe da so vor 20 Jahren ungefähr angefangen, weil es mir, äh, sehr schade vorkam, dass von dieser Forschung so wenig in der Schule ankam, all die Theorien von diesen Wechselwirkungen, von den Neutrinos - zu verstehen, wie unsere Welt funktioniert. Das war Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts abgeschlossen. Das ist das, was wir das Standard-Modell der Teilchenphysik nennen, also weit mehr als ein Modell. Das ist die beste Theorie, die die Menschheit je hatte, über wie der Mikrokosmos funktioniert und - 73 war das fertig. Und ich hatte das Glück, einen Physik-Leistungskurs-Lehrer zu haben, der mir was von Quarks gesagt hat. Im Schulbuch stand da nix drin. Und heute noch ist da ganz wenig drin. Und wir sind 50 Jahre danach. Und das hat mich dann irgendwann so geärgert, dass ich gesagt habe, ich muss jetzt raus aus dem Campus in die Schulen. Wir müssen überlegen, was wir machen. Und wir haben dann mit Kollegen aus Großbritannien, Vereintem Königreich ein Format aufgestellt, was Masterclasses heißt und was es auch heute noch gibt. Und was wir hier in Dresden nicht nur national, sondern weltweit leiten, wo wir unsere Daten der Bevölkerung, insbesondere jungen Menschen in der Schule, zur Verfügung stellen und zwar so aufbereitet, dass sie eigene Messungen machen können. Das heißt sie erleben für einen Tag: Was heißt Wissenschaftler an so einem Experiment zu sein oder Wissenschaftlerin. Und sind dann auch unter Anleitung von unseren Masterstudierenden, von unseren Promovierenden. Also, da kommen junge Wissenschaftler:innen in die Schule und erklären mal, was sie machen. So als Rollenvorbild. Was macht man denn heute so als Physiker:in? Und das ist schon mal das erste, wo man in Verbindung kommt und denkt: Oh, wär vielleicht was für mich. Und selbst wenn man denkt: Ist nix für mich - kann man sagen: "Aber faszinierend ist es trotzdem." Und dann gibt es vielleicht auch mal - sitzt man, wenn man Politiker oder Politikerin geworden ist, im Forschungsausschuss im Bundestag und hört, ob diese Forschung vielleicht sinnvoll ist und ob die gefördert werden sollte. Und es haben einfach alle - wie Sie sagten: Für mich ist es ein Kulturgut, so wie ein Orchester oder wie eine Theater-Truppe. Ich bin absolut fasziniert von dem, was wir da finden. Aber, wenn eine Theatertruppe immer nur fasziniert vom Stück ist und vor leeren Publikum spielt - oder ein Orchester - das will man auch nicht. Man will diese Faszination raustragen, man will auftreten, und das heißt nicht, dass jeder jetzt ein Musikvirtuose sein muss, der da im Publikum sitzt. Und hier im Publikum muss nicht jeder ein Physiker, Physikerin oder Mathematiker:in sein, der jetzt die Bewegungsgleichung dieser Pendel ausrechnen kann. Aber man kann sagen: Okay ist interessant. Und das ist das, was mich antreibt. Und das mache ich eben seit 20 Jahren in nationalen und internationalen sogenannten Masterclasses.
Diringer: Auch hier wieder eine superwichtige Relevanz auch für alle. Also bleiben Sie aktuell und up-to-date und gucken Sie was es hier noch für Bildungsveranstaltungen auch gibt. Wir sind leider schon relativ am Ende von der Veranstaltung. Fragen sehe ich teilweise gibt es noch im Publikum. Würde ich auch sehr anraten, danach noch hier vorzukommen, sich das Modell auch noch einmal genauer anzuschauen und natürlich auch auf Sie dann nochmal zuzukommen. Sie sind ja auch noch ein paar Minütchen da und, ähm, ja, entschwinden nicht sofort. Den Botanischen Garten entsprechend würde ich gerne als letzte Frage auch noch mal an Sie stellen. Sie hatten den internationalen Rahmen gerade auch schon angesprochen. Wie sieht es denn - ich sage jetzt mal weltweit - in dem Forschungsbereich in der Zukunft aus? Was können wir da vielleicht noch erwarten? Wie sind so die Nationen aufgestellt? Wo sollten wir unseren Blick hinwenden, wenn wir weiter ja in im Blick bleiben wollen, wie es jetzt weitergeht?
Kobel: Ja, es gibt - von den Forscherinnen und Forschern sind wir wirklich weltweit auf allen Kontinenten aktiv. Das Atlas-Experiment, was hier im Publikum erwähnt wurde, was in Genf steht, hat Institute aus 38 Ländern, die mitarbeiten. Die Personen, die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kommen allerdings aus 92 Ländern, das heißt in 92 Ländern mindestens wird man ausgebildet, dass man auch an so einem Experiment arbeiten kann, auch wenn man im eigenen Land vielleicht keine Universität findet, die das macht, dann wechselt man als Doktorand irgendwohin, wo es ist. Und vielleicht tragen wir das ja dann auch in andere Länder. Die Gerätschaften sind in der Tat sehr konzentriert. Hamburg war ein großes Zentrum, geht jetzt mehr in Richtung Anwendungen der Teilchenbeschleuniger und weniger in die Teilchenbeschleuniger, also jedenfalls nicht mit Gerätschaften, die in Hamburg stehen. Die machen natürlich auch in Genf mit, und an anderen Orten der Welt. Die Japaner sind gerade in der Neutrino-Physik weltweit seit vielen Jahren sehr führend. Die Amerikaner haben im Fermi National Lab bei Chicago eine große Forschungseinrichtung, die sehr viel auch mit Antiprotonen geforscht haben, die jetzt dieses eigentlich alltägliche Myon erforschen, weil dessen magnetische Moment nicht so ganz stimmt, wie es vorhergesagt ist. Ist gerade durch die Presse gegangen. Arbeitet auch in Dresden ein Theorie-Kollege dran. Die Abweichung ist zwar nur ein Milliardstel, aber sie wird ernst genommen. Und das könnte so auch auf diese dunkle Materie hindeuten. Vielleicht findet man die indirekt im Magnetismus des Myons. Sehr spannend. Und das wird auch in die Richtung - würde es ja weitergehen. Ich kann fast vorhersagen - also glaube ich, vorhersagen zu können - was die nächste große Entdeckung sein wird, weil man da schon sehr weit ist. Vergleich wie verhalten sich Neutrinos und Antineutrinos. Verhalten die sich unterschiedlich oder verhalten die sich gleich? Und da wage ich zu sagen, dass vielleicht schon in fünf Jahren - aber spätestens am Ende der 20er-Jahre wird man das wissen. Und da bin ich schon sehr gespannt drauf, weil man da vielleicht ein Hinweis kriegt, ob auch dieses kosmologische Antimaterie-Ungleichgewicht mit den Neutrinos zusammenhängt, das ist sozusagen ein Gewinn, ein Experiment-Ergebnis, was kommt - ganz sicher im nächsten Jahrzehnt. Die anderen, die wird diskutiert, haben: Keine Ahnung. Wann man Dunkle Materie nachweisen wird? Vielleicht in fünf Jahren, vielleicht nie - je nachdem, was sie für Eigenschaften hat. Es ist das Wesen der Forschung, dass man nicht weiß, wann die Ergebnisse gekommen und dass man viel Geduld haben müssen.
Diringer: So haben wir trotzdem schon einen kleinen Blick in die Zukunft gewagt und die Glaskugel so ein bisschen für uns transparent dargestellt. Und entsprechend möchte ich mich auch bei Ihnen bedanken. Bei ihnen, liebes Publikum. Wir haben uns von eine Billiarde Grad heißen Erzählungen entlanggehangelt über die Erklärung eines gewissen Anteils des Rauschens im Radio - das war für mich auch neu, dass man da auch so ein bisschen sagen kann: "Ach ja, das kommt jetzt durch die Hintergrundstrahlung". Auch sehr interessant. Wir haben einen ganz neuen Aggregatzustand kennengelernt. Also zumindest auch für mich - und viele andere vielleicht auch - einer, der noch nicht so bekannt war. Der eben noch nicht in der Schule, im Chemieunterricht gelehrt wird. Und sitzen tatsächlich noch im Botanischen Garten, der vielleicht aber auch der Anti-Botanische Garten ist. Wer weiß?! Ganz, ganz herzlichen Dank für ihre Beiträge. Für ihr Experiment. Ich möchte sie nun noch einmal auffordern: Kommen sie gerne mit ihren Rückfragen hier noch mal nach vorne. Schauen Sie sich hier das Modell noch an. Ganz, ganz herzlichen Dank, dass Sie da waren. Und wir freuen uns natürlich auch, wenn sie bei der nächsten Veranstaltung sich wieder hier einfinden, um unter den Koniferen die Koryphäen kennenzulernen. Und entsprechend wünsche ich Ihnen noch einen schönen Sonntagnachmittag. Genießen Sie die Sonne und bis zum nächsten Mal
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Die nächste Veranstaltung mit der Bestäubungsökologin Dr. Katharina Stein findet am 15. August statt. Anmeldungen sind noch möglich.