27.03.2024
Jeder Kurs ist anders
Dagmar Möbius
Nur neun Prozent der Bewerbungen aus aller Welt für die Angebote des Centre for International Postgraduate Studies of Environmental Management (CIPSEM) können berücksichtigt werden. Was die Zentrale Einrichtung der Fakultät Umweltwissenschaften der TUD so besonders macht.
Seit 1977 findet an der TU Dresden ein postgraduales Fortbildungsprogramm für im Umweltbereich tätige Fach- und Führungskräfte aus Entwicklungs- und Schwellenländern statt. Einst initiiert von den Vereinten Nationen, wird es vom Centre for International Postgraduate Studies of Environmental Management (CIPSEM) organisiert und umgesetzt. Zum Ursprung des Programms lesen Sie bitte auch den Artikel Rückblick.
Alle Kurse sind unterschiedlich
Pro Jahr finden vier Kurse statt, davon ein halbjähriger Kurs. Aktuell und noch bis Mitte Juli 2024 läuft der 47. Sechsmonatskurs (EM47). Die Geoökologin Dr. Anna Görner fungiert seit 2014 als geschäftsführende Leiterin des CIPSEM und sagt: „Jeder Kurs ist anders, keine zwei Kurse sind gleich.“ Dies hängt auch mit der Zusammensetzung der Gruppen aus unterschiedlichen Persönlichkeiten, unterschiedlichen Herkunftsländern und mit verschiedenen Erfahrungshintergründen zusammen. Vergleichbare Angebote in Deutschland sind nicht bekannt. „Einzigartig sind sowohl das Format als kompakter Weiterbildungskurs im Bereich (ökologische) Nachhaltigkeit, die Art der Umsetzung, und eine Förderung, basierend auf Fähigkeiten, Erfahrung und Motivation, unabhängig von persönlicher finanzieller Situation“, fasst Anna Görner zusammen. Die Zahl der Bewerbungen übersteigt die Kapazität regelmäßig: nur neun Prozent können berücksichtigt werden.
Kein normales Weiterbildungsprogramm
„Es ist etwas anderes als ein normales Weiterbildungsprogramm und auch nicht vergleichbar mit einem Master-Programm“, ergänzt Professorin Uta Berger. Die Wissenschaftlerin hat unter anderem zu Ökologie von Mangrovenwäldern geforscht, aber auch zu Landnutzung und Naturschutz von Sumatra Tigern, Fragmentierung des Regenwaldes und Auswirkungen auf die Lebenssituation von Orang Utans, Projekte zur ökologischen Wirkung invasiver Arten auf Flora und Fauna tropischer Inseln oder Aussterberisiken von Walhaien betreut. Im Jahr 2007 stieg sie als Dozentin bei CIPSEM zur Mangrovenökologie und computer-gestützte Simulationsmodelle für das Umweltmanagement ein. Seit 2013 ist sie die wissenschaftliche Leiterin. Zudem lehrt sie an der Professur für Forstliche Biometrie und Systemanalyse der TUD. Im Jahr 2022 wurde sie für ihren Einsatz für CIPSEM mit der Ehrennadel der TUD ausgezeichnet.
Dr. André Lindner ist seit 2011 in die Lehre der CIPSEM-Kurse eingebunden, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Tropische Forstwirtschaft. Sieben Jahre hat er die meisten CIPSEM- Lehrveranstaltungen koordiniert. Seit 2020 ist er Bereichsdezernent und Referent Internationales des Bereichs Bau und Umwelt der TU Dresden und in dieser Funktion als Botschafter für CIPSEM bei vielen inneruniversitären und internationalen Veranstaltungen bis hin zu offiziellen Side-Events bei großen UN-Konferenzen (wie UN Water 2023 oder UN SDG-Summit 2023) unterwegs. Er sagt: „Die Themen zu nachhaltiger Entwicklung an der TUD haben sich über Jahrzehnte entwickelt.“
Themen sind oft Neuland
Mindestens ein Jahr vor einem neuen Kursjahr wird begonnen, die thematischen Schwerpunkte der Kurse zusammenzustellen. Erfahrungen von Dozierenden fließen ein, auch Ideen und Anregungen von Teilnehmenden. „Wir fragen uns auch, was wir uns zutrauen“, berichtet Anna Görner. „Oft betreten wir inhaltliches Neuland.“ Die Themen werden mit dem Bundesumweltamt und dem Bundesumweltministerium abgestimmt. „Im Curriculum-Komitee arbeiten Professor:innen, die in ihren Forschungsfeldern führend sind“, sagt André Lindner. Das gestalte die Planungsarbeit dynamisch und ermöglicht neue und aktuelle Themen. Stark nachgefragt werden Themenfelder rund um das Management von Wasserressourcen, Biodiversität und Renaturierung, genau wie Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Alle Kursinhalte werden kontinuierlich weiterentwickelt, stärker auf das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele und der Agenda 2030 ausgerichtet sowie auf naturbasierte Lösungen fokussiert. Im aktuell laufenden EM47 werden beispielsweise nicht nur gezielt Führungskompetenzen gestärkt, sondern auch genderspezifische Perspektiven auf Umweltherausforderungen und die Klimakrise sowie Empowerment von lokalen Gemeinschaften einbezogen.
Ganzheitlicher Ansatz: Austausch hat viel Platz
„Es gibt tolle Unterstützende an der TUD“, lobt Uta Berger. Diese Wertschätzung der Universität und langfristige Verträge hält sie für unabdingbar. „Die Förderung des UNEP/UNESCO/BMUV-Weiterbildungsprogramms durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz ist außergewöhnlich“, hebt Anna Görner hervor. Wobei die TU Dresden auch einen erheblichen Eigenanteil leistet. In dem aktuellen 47. Halbjahreskurs sind rund 90 Lehrkräfte eingebunden, wovon mehr als ein Drittel Dozierende der TU Dresden sind. „Viele Dozierende bleiben gern längerfristig dabei, manchmal auch noch im Ruhestand“, erzählt Anna Görner, „es ist ein ganz anderer Umgang miteinander, alle bringen konkrete Herausforderungen mit, und Austausch hat viel Platz.“
Für die Stipendiatinnen und Stipendiaten gelten einige Besonderheiten: Sie erhalten keine Studierendenausweise und sind damit für die zeitlich begrenzten Kurszeiten weder Studierende im traditionellen Sinne, noch Gastwissenschaftler:innen. Das impliziert manche logistische Herausforderung, z.B. wenn es um die Nutzung der Infrastruktur der TUD oder die Nutzung des Verkehrsverbundes bei den Fahrten zu den verschiedenen Lehr- und Forschungsstandorten geht.
CIPSEM vermittelt den Teilnehmenden nicht nur wichtige berufliche Fähigkeiten, sondern erkennt auch die Bedeutung der Förderung persönlicher Beziehungen und einer ganzheitlichen Entwicklung an. Es schafft eine kollaborative und unterstützende Lernumgebung, in der auch wichtige persönliche Beziehungen aufgebaut werden können. Privat planen die Teilnehmenden viele gemeinsame Unternehmungen. So feierten sie im Februar 2024 das chinesische und vietnamesische Neujahrsfest.
Kontakt:
TU Dresden
Fakultät Umweltwissenschaften
Centre for International Postgraduate Studies of Environmental Management (CIPSEM)
Anna Görner, Kursdirektorin