10.07.2023
Warum und wie Fachleute für Ökosystemleistungen ausgebildet werden
Dagmar Möbius
Seit dem Wintersemester 2017 gibt es am Internationalen Hochschulinstitut (IHI) Zittau den englischsprachigen Master-Studiengang „Ecosystem Services“. Professorin Irene Ring hat den bundesweit einzigartigen Studiengang aufgebaut. Pro Semester kommen dafür zwischen 15 und 20 Studierende aus aller Welt nach Zittau. Tendenz steigend.
Was die Natur für uns leistet
Der globale Wandel beschäftigt die Welt. Die biologische Vielfalt ist bedroht und der Zustand von Ökosystemen verschlechtert sich. Was kann dagegen getan werden? Sogenannte Ökosystemleistungen (ÖSL) tragen dazu bei, wichtige Entscheidungen für Artenvielfalt und Nachhaltigkeitsstrategien in der Wissenschaft, in der Politik und in der Gesellschaft zu treffen. National, europäisch und international.
Ecosystem Services
„Der Studiengang verbindet alles, was mich in meinem Leben beschäftigt hat“, fasst Professorin Irene Ring einleitend zusammen. Die Diplom-Geoökologin und promovierte Volkswirtin hat die Professur für Ökosystemare Dienstleistungen seit 2016 inne und baute mit ihrem kleinen Team den internationalen Master-Studiengang „Ecosystem Services“ auf. Derzeit drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besetzen 1,5 Vollzeitstellen. Hinzu kommen Beschäftigte für Drittmittel-Projekte. Durch die Kooperationspartner der Fakultät Umweltwissenschaften der TU Dresden, des Senckenberg-Museums für Naturkunde in Görlitz und des Leibniz-Instituts für Ökologische Raumentwicklung in Dresden profitieren Studierende am IHI von hochkarätiger interdisziplinärer Expertise.
Bundesweit einzigartiger Studiengang
Zwar gibt es an anderen nationalen und internationalen Hochschulen ähnliche Modelle, die sich mit Biodiversität, Ökosystemleistungen und Nachhaltigkeit befassen, aber ein identisches Studium andernorts in Deutschland ist Prof. Irene Ring nicht bekannt. Wer sich für den viersemestrigen Master-Studiengang „Ecosystem Services“ bewirbt, hat einen einschlägigen Bachelor und mitunter sogar schon Berufserfahrungen gesammelt. „Die Eingangsvoraussetzungen sind vergleichsweise offen“, sagt sie. So kann der grundständige Studienabschluss in Biologie, Geographie, Forstwissenschaft, aber auch in Wirtschafts- oder Sozialwissenschaften absolviert worden sein, sofern bei letzteren eine fachnahe Schwerpunktsetzung erfolgte. „Für den konsekutiven und forschungsorientierten Master-Studiengang setzen wir Vorkenntnisse zu Naturschutz- und Umweltthemen voraus. Wer sich damit noch nie im Studium beschäftigt hat, ist zu weit weg“, so die Erfahrung der Professorin.
Interdisziplinarität zwischen Ökologie und Ökonomie
Sie legt Wert auf ein bestimmtes wissenschaftliches Niveau in den natur- und sozialwissenschaftlichen Fächern: „Die Studierenden lernen z.B. empirische Sozialforschung von der Pike auf, damit auch Studierende mit naturwissenschaftlichem Hintergrund wissen, wie ein guter Fragebogen konzipiert und Stakeholder-Interviews ausgewertet werden.“ Neben der Interdisziplinarität zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wird auch transdisziplinäres Arbeiten in Projekten erlernt und eingeübt. „Das brauchen sie im späteren Berufsleben, unabhängig davon, wo sie tätig werden“, davon ist Professorin Irene Ring überzeugt. „Sie sollen in der Lage sein, auf Stakeholder zuzugehen und sich in verschiedenen Gebieten wie z.B. in Ökologie und Ökonomie auskennen.“ Die Studierenden des internationalen Master-Studiengangs kommen nicht nur aus aller Welt, sie bringen auch sehr unterschiedliche Vorerfahrungen mit. „Wir beobachten in jedem Semester, dass sie sich in Arbeitsgruppen gegenseitig helfen, was sie noch lernen müssen. So helfen Studierende der Biologie denen aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bei den ökologischen Fächern und die in der Ökonomie umgekehrt denen aus den Naturwissenschaften bei den ökonomischen und soziologischen Inhalten.“ Der Studiengang startet in Zittau, die zahlreichen Wahlvertiefungen des Studiengangs, z.B. in Umweltsozialwissenschaften, Ökologie und Sammlungen, Biotechnologie, Forstwissenschaften, oder Raumentwicklung und Naturressourcenmanagement, können in der zweiten Studienhälfte in Zittau, Görlitz, Dresden oder Tharandt absolviert werden.
Mögliche Werdegänge
Inzwischen sind die ersten drei Alumni-Jahrgänge des Studiengangs in ihre Berufspraxis gestartet. „Viele promovieren an renommierten Einrichtungen in Europa oder ihren Heimatländern, einige engagieren sich im Beratungsbereich“, berichtet Professorin Irene Ring. Ein klassisches Alumni-Event fand noch nicht statt. „Dafür ist der Studiengang zu jung“, begründet sie. Einige Werdegänge verfolgt sie über soziale Netzwerke. Nicht wenige der Studierenden fanden Stellen durch das drei- oder sechswöchige Pflichtpraktikum, ein Auslandssemester oder einen Praxispartner, bei dem die Masterarbeit geschrieben wurde. Einige Beispiele: Eine Kolumbianerin ist nach ihrem Praktikum mit anschließender Masterarbeit am UNESCO-Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung und Umweltbildung der Universidad del País Vasco jetzt Doktorandin in einem Programm zu Biodiversität und Ökosystemmanagement an der gleichnamigen Universität des Baskenlandes in Spanien. Ein Absolvent aus Ghana, der ein ERASMUS-Semester an der Umweltfakultät der Jan-Evangelista-Purkyně-Universität in Ústí nad Labem verbracht hat, promoviert jetzt an dieser tschechischen Universität. Ein chinesischer Absolvent arbeitet bei einer Industrie-Bank in China zu Green Finance und eine deutsche Absolventin hat ihre Masterarbeit am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung geschrieben und war so gut, dass sie dort als Doktorandin übernommen wurde. Alumni aus Malaysia, Kolumbien, Costa Rica oder Indien arbeiten jetzt zu Biodiversitäts-, Klima- oder Nachhaltigkeitsthemen bei Beratungsunternehmen und Stiftungen oder in einem Fall auch als Forschungsassistentin bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz.
Kontakt:
TU Dresden
Internationales Hochschulinstitut (IHI) Zittau
Professur für Ökosystemare Dienstleistungen
Prof. Dr. Irene Ring
Tel.: +49 3583 612-4167