Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet mit polnischen Hochschulen
Fünf Jahre nach dem unerfreulichen Zwischenfall in Dresden (siehe Teil I) nahmen Vertreter der TH Wroclaw wieder direkte Verbindungen mit den fachlichen Partnern an der TU Dresden auf.
An dieser Stelle muss besonders dem Leiter des Lehrstuhls „Zabezpieczen i Automatyki“ (Schutz und Automatisierung) an der TH Wroclaw, Herrn Prof. Jan Trojak gedacht werden, der sich jahrelang unermüdlich für die
Verbindungen Dresden – Wroclaw eingesetzt hat, und dem es viele Fachkollegen aus der DDR, für die sonst keine entsprechende Möglichkeit bestand, zu verdanken hatten, auf internationalen Fachtagungen mit Fachkollegen aus den kapitalistischen Ländern in wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch zu treten.
Zu einer Tagung anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Lehrstuhls „abezpieczen i Automatyki“ ergingen von Prof. Trojak auch Einladungen an Fachkollegen in der DDR. Neben international anerkannten Fachleuten aus der Sowjetunion (SU), aus Polen und Großbritannien durften dort u.a. Dr. Pundt und der Verfasser aus Dresden Fachvorträge halten.
Konferenzsprachen waren Englisch, Russisch, Deutsch und Polnisch. Durch den Leiter der Konferenz, Prof. Trojak, erfolgte nach jedem Vortrag eine kurze Zusammenfassung in den jeweils drei anderen zugelassenen Sprachen – eine Leistung, die für den Tagungsleiter sprach, dem bei dieser ersten Fachtagung noch keine Simultanübersetzer zur Verfügung standen.
Die zweite Fachtagung fand im Juni 1972 in Verbindung mit einem weiteren Lehrstuhl statt und hatte neben der Relaisschutztechnik noch das Problem der Erdungen in elektrischen Anlagen und Netzen zum Thema. Neben einer vergrößerten Delegation aus der DDR traten hier Fachleute aus der SU, aus Polen, Großbritannien, Österreich, der CSSR und der Schweiz auf. Mit Prof. Trojak gehörten hier die Professoren Teresiak und Wolkowinski von der TH Wroclaw zu den Organisatoren. Wiederum konnten außer dem fachlichen Austausch, wenn auch offiziell eingeschränkt, persönliche Kontakte geknüpft werden. Die dritte internationale Fachtagung fand in Wroclaw im Juni 1977 unter dem Thema „Security of Power System Operation“ (Betriebszuverlässigkeit in Elektroenergiesystemen) statt. Auch hier traten neben mehreren Fachkollegen aus der DDR Vortragende aus der SU, aus Polen, der CSSR, der Schweiz, Indien und aus den Balkanländern auf.
Danach fanden aufgrund von Verbindungen zwischen der TH Wroclaw und der TH in Gliwice sowie der TU Dresden internationale Fachtagungen auf dem Gebiet des Schutzes und der Automatisierung von Elektroenergiesystemen in den 80er Jahren auch in Gliwice statt, an welchen wiederum Fachkollegen aus Dresden zu Wort kamen. Hier gehört Prof. Winkler zu den aktiven Organisatoren. Seit die Delegationen aus der DDR größer wurden, mussten die entsprechenden Fachkollegen „höheren Orts“ bestätigt werden (der Autor war als Reisekader für das sozialistische Wirtschaftsgebiet (SW) zugelassen). Es wurde jeweils ein Delegationsleiter festgelegt. Dieser fühlte sich z.B. einmal verpflichtet, gegen das „D“ auf dem Erkennungs-Anstecker der DDR-Fachkollegen zu protestieren. Die polnischen Kollegen änderten dies über Nacht in „DDR“ – zum jeweiligen Namen – um. Enge persönliche Kontakte zu den Kollegen aus dem NSW (nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) waren untersagt. Nun fand ich 1972 in den Tagungsunterlagen neben einer Einladung des Rektors für alle ausländischen Teilnehmer auch eine Einladung in die Privatwohnung von Prof. Trojak als einziger Kollege aus der DDR: Ich nahm Rücksprache mit dem Delegationsleiter, den ich schon lange und gut kannte. Seine Antwort: „Ich habe auch eine private Einladung zu meinem Fachprofessor erhalten und werde dieser folgen; also, hole einen Blumenstrauß für Frau Trojak und mache dich auf den Weg!“. Als ich zu gegebener Zeit aus dem Hotel „Panorama“ trat, warteten bereits ein Professor aus Wien und ein Spezialist von BBC aus der Schweiz auf ein Taxi. Sie boten mir an, mich mit zu Prof. Trojak zu nehmen. Mein Angebot auf Kostenbeteiligung wurde abgelehnt mit dem Hinweis: „Das zahlt entweder Brown oder Boveri“. Bei den Trojaks wurde es ein vergnüglicher Abend mit Fachkollegen aus der SU, aus Österreich, der CSSR, der Schweiz und Großbritannien, wodurch auch die Bekanntschaften für später gefördert wurden.
Eine enge Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet zwischen der TU Dresden und den Technischen Hochschulen Niederschlesiens entstand auch in der gegenseitigen Betreuung von Doktorarbeiten. Da auf dem entsprechenden Fachgebiet des Autors in der DDR kein Professor lehrte, übernahm Prof. Trojak auf Wunsch meines Doktorvaters, Prof. Koettnitz, TU Dresden, ein Gutachten zu meiner Doktorarbeit. Der Autor übernahm später ein Gutachten zu einer entsprechenden Arbeit einer Polin, die bei Prof. Brendler an der TU Dresden ein Zusatzstudium aufgenommen hatte. Für die gute Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet erhielten neben dem Autor noch weitere Fachkollegen aus der DDR eine Ehrenmedaille der TH Wroclaw. Gute und freundschaftliche Verbindungen haben sich bis heute erhalten.