"Das Klo wird zum Geräteschuppen"
60 Jahre Universitätsarchiv - was die Unterlagen über die Ferienobjekte der Hochschule für Verkehrswesen »Friedrich List« Dresden (HfV) erzählen
Im Aktenbestand des Universitätsarchivs gibt es zahlreiche Unterlagen, die das Ferienwesen der Hochschule für Verkehrswesen »Friedrich List« Dresden (HfV) zum Inhalt haben. Darin werden vor allem infrastrukturelle Gegebenheiten und organisatorische Dinge des Ferienwesens an der HfV behandelt. Um neue Ferienobjekte ausfindig zu machen, waren im Mai 1969 zwei Mitarbeiter auf einer 1600-km-Rundreise durch die Nordbezirke der DDR. Man kontaktierte dort Gewerkschaftseinrichtungen sowie die Räte der Kreise und Gemeinden, um Informationen über mögliche Ferienobjekte zu erhalten. Am Ferienort sollte möglichst der Anschluss an einen Wirtschaftsbetrieb bestehen, um den Aufwand für die laufende Unterhaltung gering zu halten. Objekte an den Binnenseen waren ebenso interessant wie Angebote, die in den Tageszeitungen annonciert waren. Allerdings galt, dass der Bezirk Rostock für den Bau von Bungalows grundsätzlich gesperrt war. Ebenso der Bezirk Schwerin. Stattdessen wurden Urlaubergroßprojekte zentral geplant (z.B. in Schwarz bei Mirow), an denen sich die Betriebe und Einrichtungen finanziell und mit Bauleistungen zu beteiligen hatten. Im Bezirk Neubrandenburg war es noch möglich, Bungalows separat zu errichten, was zur weiteren Erschließung der Seen als Urlaubsorte beitragen sollte. Durch dieses Engagement gelang es immerhin, zirka 50 Prozent des Bedarfs an Urlaubsplätzen zu befriedigen, und die meisten werden gern an unbeschwerte Ferientage in einem der bisher bekannten 36 Urlaubsorte, die in der HfV angeboten wurden, zurückdenken. Vor allem die Objekte in Bärenfels/Osterzgebirge, Binz auf Rügen, Warthe am Templiner See und Wustrow an der Ostsee waren begehrte und langjährige Urlaubsziele der Hochschulangehörigen. Was sich in der Erinnerung als herrlich idyllisch und romantisch verklärt darstellt, lässt einen bei Lektüre der Akten manchmal schaudern. Trotzdem, es gab preisgünstige Erholung für hunderte Familien und die aus heutiger Sicht mitunter inakzeptablen Zustände waren nicht schlimmer als anderswo, denn schließlich wusste man sich zu helfen.
Schauen wir nun mit etwas Augenzwinkern, was sich in Binz und Bärenfels einst zugetragen hat ...
Unverheiratete Paare mussten noch 1967 ein besonderes Formular ausfüllen, in welchem sie erklären, dass sie freiwillig in einem gemeinsamen Zimmer/Zelt ihre Urlaubstage verbringen und gleichzeitig eine Ausnahmeregelung für einen gemeinsamen Urlaubsplatz erbitten. Zur Vorbereitung der Feriensaison wurde alljährlich ein »Handwerkertrupp« zusammengestellt, der die Wohnwagen aus dem Winterquartier in Dresden wieder an die Ferienstandorte brachte und notwendige Reparaturen ausführte. Über die »Wohnhalle « im Ferienobjekt Binz wird im Juli 1965 berichtet, dass zum Teil das Inventar knapp ist und Teller sowie Besteck nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Man beauftragte die Urlauber, solche Fehlbestände festzustellen und an die Abteilung Wirtschafts- und Sozialeinrichtungen der HfV zu melden. Diese kümmerte sich dann um Ersatz. Der nächsten Urlauberbelegung sollten dann die neu beschafften »Ersatzteile« mitgegeben werden. Ferner wird die Mückenplage infolge fehlender Kanalisation beklagt. Abwässer landen vor der Tür und Mäuse würden ihr Unwesen treiben, was an Zerstörung von Matratzen und Bettwäsche zu erkennen wäre. Der Sicherheitsinspektor der HfV sieht noch im August 1965 nach dem Rechten und kümmert sich um Verbesserungen: Ein Fliegenfenster, einen Vorhang zwischen Schlafstätte und Aufenthaltsraum, das Anbringen von Kleiderhaken in der Halle und die Anschaffung einer elektrischen Kaffeemühle für den gesamten Campingplatz. In Binz gab es nur ein Trockenklosett aber mehrere Wasserentnahmestellen und drei Strandkörbe für die Urlauber. Die sanitären Verhältnisse sollten sich ab Saison 1967 verbessern. »Unser jetziges Klo soll künftig als Geräteschuppen dienen«, schlägt der Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialeinrichtungen im Oktober 1966 vor. Auf Empfehlung des medizinischen Dienstes der Deutschen Reichsbahn wird ab Dezember 1966 ein Sanitärgebäude errichtet, in welchem es WC und Duschen und sogar einen Frauenruheraum geben soll. Fertig war es erst im Sommer 1968. Aus den oben erwähnten Mäusen sind inzwischen Ratten geworden. Eine Entseuchung sollte außerhalb der Saison vorgenommen werden, ist aber bis Mai 1968 noch nicht passiert. Der 1966 geplante Bau einer Trafostation nimmt im Februar 1968 zwar konkrete Züge an, kommt aber auch in diesem Jahr noch nicht zur Ausführung. So ist die Stromversorgung für das HfV-Gelände nur mit 16 A abgesichert. Die neue WC-Anlage ist wegen defekter Ventile doch noch nicht benutzbar. Sechs Luftmatratzen und ein Radio sind verschwunden und noch weit bis in die 70er Jahre hinein wird immer wieder der Verlust von Einrichtungsgegenständen, wie Decken und Kissen, beklagt. Um sich gegen das benachbarte FDJ-Zeltlager besser abgrenzen zu können, wird dem ersten HfV-Urlauber der Saison ausreichend Kordelschnur mitgegeben, die dann an bereits gesetzten Pfählen aufzuspannen ist. Ähnlich wird mit den Schlüsseln für die Wohnhalle verfahren.
Nach damaligem Verständnis gehörte der Hochschule selbst nur das »Haus am Walde« in Bärenfels, Ernst-Thälmann-Straße 6. In Wahrheit war es ab 1956 langfristig angemietet. Beinahe hätte es die HfV 1966 kaufen können, doch es kam nur zur Verlängerung des Mietvertrages um weitere zehn Jahre und so blieb es bis 1990. Auch alle anderen Objekte waren gepachtet oder im Rahmen des sogenannten Urlauberaustauschs mit Partnereinrichtungen für die HfV nutzbar. Ungeachtet der Eigentumsverhältnisse war die Hochschule ständig in der Pflicht, Investitionen an den Feriendomizilen vorzunehmen. So soll 1966 in Bärenfels der Kohlebunker zum Aufenthaltsraum umgebaut und ein neuer errichtet werden. Nach unsäglichem Hin und Her wird schließlich im Sommer 1969 ohne Baugenehmigung ein provisorischer Kohleschuppen von Studenten der FR Verkehrsbauwesen errichtet. Nach Abstimmung mit dem Rat des Kreises Dippoldiswalde wegen Baukapazität konnte der Schornsteinneubau zügig realisiert werden. Für 1970 plante man die Anschaffung »großer Liegen«, wobei jedoch manche »kleine Liege« aus Platzgründen nicht austauschbar war. Die Verbindungstür zwischen Speise- und Klubraum soll eine Portiere bekommen, damit das Fernsehschauen nicht beeinträchtigt wird. Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Hochfrequenztechnik erklärten sich bereit, das oft defekte Fernsehgerät zu überprüfen. Die Anschaffung einer speziellen Fernsehleuchte wird in Erwägung gezogen, aber vorher wird stattdessen eine Stehleuchte erprobt, die sich in dieser Eigenschaft bewährt hat und bleibt. Für einige Zimmer werden Tischleuchten beschafft, aber nur für die, wo ein »günstiger Anschluss« vorhanden ist. Das für Bärenfels bestimmte neue »Kühlmöbel« wird 1969 prompt geliefert, jedoch versehentlich an die Mensa in Dresden. All dies managte zur Unterstützung des Verwaltungsdirektors ab Oktober 1966 eine AG »Ferienplatzkapazität «, welche 1970 den Bedarf an Kleider- und Handtuchhaken in Bärenfels ermitteln ließ und außerdem ein Bauprojekt für das Ferienheim anschieben will.
Allerdings stand keine Baukapazität zur Verfügung, woran auch Verhandlungen mit dem Eigentümer nichts ändern konnten. Das Heizungsprojekt soll um ein Warmwasserprojekt erweitert, der Küchentrakt mittels einer Tür vom Gästetrakt getrennt und im Toilettenraum des 2. OG ein Handwaschbecken installiert werden. Das Knarren der Dielen will man beseitigen und noch vor Beginn der Wintersaison sollen zwei Warmwasserboiler in Dienst gehen. Geschafft hat es nur einer, aber der Balkon im 2. OG hat die gewünschten neuen Lattenroste bekommen.
In Bärenfels gab es eine Urlauberbibliothek, die von der Hochschulbibliothek betreut wurde und 1969 werden neue Spiele und Kinderbücher angeschafft. Über den ersten Heimleiter in Bärenfels beschwerten sich die Urlauber wegen seiner Initiativlosigkeit und Unfreundlichkeit. Mit seinem Nachfolger sind alle zufrieden. Dankbar werden das Selbstbedienungs-Salatbuffet und ein zusätzliches Frühstücksangebot (Butter, Wurst, Käse, Eier) gegen Extrabezahlung angenommen. Kinder unter sechs Jahren erhalten nun auch den vollen Nachtisch inklusive. Als Bonus gewährleistet der Heimleiter sogar an seinen freien Tagen den Wein- und Spirituosenausschank. Für hochschulfremde Personen stand das »Haus am Walde« ebenfalls offen, aber sie hatten den höheren Betrag von 3,50 M pro Person und Nacht zu zahlen. Die Aufbettung kostete 1,50 M pro Person und Nacht. Außerdem wurde ein Aufschlag für Heizung (1,00 M vom 01.09. bis 31.05.) und Bettwäsche (3,00 M ganzjährig pro Bett) erhoben. Kinder waren erst ab einem Alter von zwei Jahren erwünscht, es sei denn, »die Eltern kommen für Schäden und Verunreinigungen auf, die durch ein jüngeres Kind entstehen«. Außerdem musste es »ruhig und sauber« sein. Wer länger als eine Belegungsdauer in Bärenfels bleiben wollte, hatte sich in der zusätzlichen Zeit selbst zu verpflegen und durfte keine Dienstleistungen des Heimpersonals in Anspruch nehmen.
Angela Buchwald