Zwischen Pergament und Cloud Computing
60 Jahre Universitätsarchiv: Was auf der Jubiläumstagung zu Vergangenheit und Zukunft diskutiert wurde
»Feiert man eigentlich einen 60. Geburtstag?« Die rhetorische Frage von Prorektor Prof. Karl Lenz leitete am 29. November die Tagung »Potenziale, Kooperationen und Grenzen der Universitätsarchive« in Dresden ein. Anlass war der 60. Geburtstag des Archivs der TU Dresden, der auch ein wenig mit dem buchstäblich ins Wasser gefallenen 50. Jubiläum versöhnte. »Vor zehn Jahren hatte das Archiv mit der Elbeflut zu kämpfen. Nach Feiern war damals keinem zumute«, so Dr. Matthias Lienert, Direktor des Universitätsarchivs. Er freute sich, dass so viele Kollegen seiner Einladung nach Dresden gefolgt waren und begrüßte im Festsaal des Rektorats auch besonders weit gereiste Archivare aus Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik, deren Teilnahme durch die GFF gefördert und damit ermöglicht wurde.
Ein 60. Geburtstag muss gefeiert werden, fuhr Prof. Karl Lenz in seinem Grußwort fort, denn er zeigt, wie erfolgreich die eigene Arbeit ist. In einem geschichtlichen Überblick ließ Dr. Matthias Lienert diese Arbeit Revue passieren. Von den Anfängen 1952 über die frühen Publikationen anlässlich Universitätsjubiläen bis hin zur turbulenten Wende-Zeit, in der verschiedene Archive im Universitätsarchiv aufgingen und es so zu einem der derzeit größten Uniarchive Deutschlands werden ließen. Rege Ausstellungs- und Publikationstätigkeiten kamen und kommen dazu und nötigen Kollegen Respekt ab. »Herr Prorektor, Sie können stolz auf die Arbeit sein, die im Dresdner Universitätsarchiv geleistet wird«, merkte Stephan Luther, Leiter des Archivs der TU Chemnitz, an. Er hielt einen Vortrag zum Thema »Jubiläen – Fluch und Segen für das Universitätsarchiv«. Ein Jubiläum fördere zwar die Bekanntheit des Archivs, bringe jedoch auch Mehrbelastungen abseits der Kernaufgaben des Archivs mit sich. Fast mitfühlend wies er darauf hin, dass er für die Universitätsarchivtagung bereits im Mai eine Einladung erhalten habe, die Organisation hinter den Kulissen also über ein halbes Jahr andauerte.
Neben dem Blick in die Vergangenheit bot die Podiumsdiskussion »Zwischen Pergament und Cloud Computing – Zur Zukunft der Universitätsarchive« den Blick nach vorn. Kann man die jüngere Vergangenheit überhaupt archivieren? Wird ein Archiv zukünftig gar gänzlich überflüssig? In die feierliche Stimmung mischte sich ein pessimistischer Unterton. Gab es früher ein Einzeldokument, geht die Tendenz inzwischen hin zum digitalen »Puzzlespiel«. Wurden früher Briefwechsel aufgehoben, sind E-Mail oder SMS-Nachrichten kaum mehr archivierbar. Vieles geht zwangsläufig verloren. Die Verantwortung der Archivare liegt daher zukünftig immer stärker auch darin, aus der Vielzahl der »flüchtigen« digitalen Informationen rechtzeitig Erhaltenswertes zu erkennen und zu sichern. Für eine Langzeitarchivierung über mehrere Hundert Jahre braucht es wiederum eigene Bibliotheken, die die nötigen Ablesegeräte besitzen. »Wenn ich archivierte Daten auf Diskette erhalte, kann ich damit nichts mehr anfangen«, gibt Dr. Matthias Lienert zu. Doch nicht nur die Zukunft der Archivierung sorgte für Diskussionsstoff. »Archive sind der traditionelle Kern der Universität«, fasste Dr. Jens Blecher, Direktor des Leipziger Universitätsarchivs, zusammen. Tradition bedeutet in dem Fall auch Papier – Unmengen Papier allein in Dresden. Rund 5000 laufende Meter Akten stapeln sich in den Lagern des Universitätsarchivs. Bei der digitalen Aufbereitung dieses Schriftguts und Bildbestandes auch für die Öffentlichkeit steckt das 60-jährige Archiv fast noch in den Kinderschuhen. Mit der Digitalisierung des Briefnachlasses von Cornelius Gurlitt und der Teildigitalisierung des Nachlasses von Gustav Zeuner sind in der Vergangenheit erste Schritte in die »elektronische Zukunft« erfolgt. Wo es hingehen kann, zeigte die Leipziger Präsentation. Rund eine Million Datensätze zu rund 700 000 Einzelobjekten des Leipziger Universitätsarchivs sind online verfügbar und über eine Suche auffindbar. In Dresden wird sich zeigen, wie rüstig ein Archiv mit 60 Jahren sein kann.
Steffi Eckold