openLAB
Inhaltsverzeichnis
Motivation
Ziel des Forschungsprojektes IDA-KI (Infrastrukturdatenauswertung mit künstlicher Intelligenz) ist die Entwicklung von Verfahren für eine automatisierte Aus- und Bewertung von Monitoringdaten. Die Validierung erfolgt anhand realer Messdaten, die an einer 45 m langen Forschungsbrücke (openLAB) erfasst werden. Zunächst wird der Referenzzustand der Brücke mit und ohne Gebrauchslasten über einen Zeitraum von einem Jahr gemessen. Anschließend werden gezielte Belastungsversuche bis in den starken Schädigungszustand durchgeführt und signifikante Schäden der Bausubstanz aktiv herbeigeführt. Parallel soll redundante Sensorik geschädigt bzw. manipuliert werden, sodass eine Realdatenbasis mit spezifischen Signalcharakteristika zu messtechnischen und strukturellen Anomalien geschaffen werden kann. Damit wird eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Auswerteverfahren (auch auf Grundlage des maschinellen Lernens) geschaffen, sodass zukünftig Messfehler in Monitoringdaten bereinigt und von Bauwerksschäden unterschieden werden können.
Forschungskonsortium und Fördermittelgeber
Das Forschungskonsortium setzt sich paritätisch aus Partnern aus der Praxis und Forschung zusammen:
Technische Universität Dresden
Institut für Massivbau (IMB)
01062 Dresden
Technische Universität Hamburg
Institut für Digitales und Autonomes Bauen
Blohmstraße 15
21079 Hamburg
MKP GmbH
Zum Hospitalgraben 2
99425 Weimar
Hentschke Bau GmbH
Zeppelinstraße 15
02625 Bautzen
Das Projekt IDA-KI (FKZ: 19FS2013) mit einem Gesamtvolumen von 3,85 Mio. € wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen der Forschungsinitiative mFUND gefördert.
openLAB – Eine Forschungsbrücke in der Lausitz
Bei der Forschungsbrücke, dem openLAB, handelt es sich um eine insgesamt ca. 45 m lange und 4,5 m breite Spannbetonbrücke, die auf dem Firmengelände der Hentschke Bau GmbH in Bautzen errichtet wurde. Bei der Brücke wurden verschiedene Bauweisen kombiniert, um ein breites Spektrum üblicher Konstruktionen zur Verfügung zu stellen. Mit jedem der drei Felder wird ein eigener Forschungsschwerpunkt verfolgt. Anhand des openLAB soll die Eignung der zu entwickelnden Auswertealgorithmen überprüft und ein Praxistransfer ermöglicht werden.
Die Felder 1 und 2 wurden aus jeweils drei Fertigteilen (FT) mit Plattenbalkenquerschnitt und klassischer Ortbetonergänzung hergestellt. Im Feld 1 werden typische bestandsprägende Schäden bzw. Schadensmechanismen der frühen Ortbetonbauweise abgebildet: Koppelfugenproblematik im FT 1.1; Spannungsrisskorrosion im FT 1.2; Bereiche mit reduzierter Querkrafttragfähigkeit im FT 1.3. Darüber hinaus sind Kiesnester und Lunker für diagnostische Untersuchungen vorhanden. Planmäßig werden zum späteren Zeitpunkt weitere Schäden, z. B. an den Spanngliedern, eingebracht. Feld 2 wurde nach dem derzeitigen Stand der Technik umgesetzt. Eine Besonderheit befindet sich im FT 2.1, ein sogenanntes Smart Tendon, eine Kooperation mit dem gleichnamigen mFUND-Projekt. In dem „intelligenten“ Spannglied bzw. in den Spannlitzen sind verteilte faseroptische Sensoren (distributed fiber optic sensors, DFOS) integriert, mit denen der Dehnungszustand entlang des Spannglieds gemessen und so auftretende Schäden am Bauwerk frühzeitig erkannt werden sollen. Im Feld 3 wurden FT eines Schnellbausystems ohne Ortbetonergänzung realisiert, die direkt nach deren Montage voll belastbar sind. Die Lastverteilung in Brückenquerrichtung wird durch Verguss bewehrter Fugen erreicht.
Weitere bauliche Besonderheiten (jeweils rot im 3D-Modell dargestellt) sind eine verschiebliche Lagerung der Stützen (Achse 20), eine monolithische Verbindung zwischen Überbau und Stützen (Achse 20), ein mineralischer faserbewehrter Fahrbahnübergang (Achse 30) [1]. Um am Bauwerk tatsächlich relevante Beanspruchungszustände bis an den Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) mit vertretbarem Versuchsaufwand erreichen zu können, wurden bei der Bemessung lediglich 25 % des Lastmodells (LM) 1 gemäß DIN EN 1991-2 angesetzt.
Versuchskonzept
Referenzphase: Nach der Fertigstellung der Brücke wird zunächst der Referenzzustand des Bauwerks über einen Zeitraum von einem Jahr unter klimatischen Einwirkungen und „Verkehr“ messtechnisch erfasst. Zur Simulation der Verkehrseinwirkungen wird monatlich ein schienengeführtes Belastungsfahrzeug mehrfach über die Brücke geführt. Weitere Belastungsfahrten finden an besonders heißen und kalten Tagen statt.
Nach der einjährigen Referenzphase steht das Bauwerk für statische und dynamische Belastungsversuche bereit. Bei den statischen Versuchen wird die Kraft über hydraulische Pressen und eine Lasttraverse eingeleitet. Das Bauwerk kann neben der dynamischen Einwirkung durch das Belastungsfahrzeug auch mit einem Richterreger oder einem „Shaker“ angeregt werden, sodass das dynamische Strukturverhalten in unterschiedlichen Frequenzbereichen untersucht werden kann.
Monitoringsystem
Am openLAB ist ein umfangreiches Monitoringsystem installiert, um das globale Bauwerks- und das lokale Bauteilverhalten zu überwachen und so eine zuverlässige Schadensdetektion zu ermöglichen.
Initial installiertes Monitoringsystem: Während der Referenzphase werden in den Feldern 1 und 2 je FT-Achse ein Beschleunigungssensor in Feldmitte und ein Neigungssensor im Bereich der Momentennulldurchgänge nahe Achse 20 installiert. Anhand der Versuche wird analysiert, wie stark sich unterschiedliche Schädigungen (z. B. eine teilweise Trennung der Vorspannung) auf die modalen Parameter oder die Verformungsfigur auswirken. Ferner werden Sensoren zur Bestimmung der Umgebungsbedingungen eingesetzt; in diesem Fall zur Ermittlung der Lufttemperatur, der relativen Luftfeuchte (RH), der Sonneneinstrahlung und der Niederschlagsmenge. Zur Überwachung lokaler Effekte werden Dehnungsmessstreifen (DMS), induktive Wegaufnehmer (IWA) und Sensoren zur Messung der Bauteiltemperatur eingesetzt.
Aufgrund der Möglichkeit, verteilte Messungen mit hoher räumlicher Auflösung durchführen zu können, bieten DFOS ein großes Potential für das Bauwerksmonitoring [1,2]. Robuste DFOS wurden vor der Betonage in den Fertigteilen und der Ortbetonergänzung installiert und ermöglichen so eine verteilte Dehnungs- und/oder Temperaturmessung mit hoher örtlicher Auflösung ab „Stunde null“. Mit einer Gesamtlänge von ca. 1,5 km bilden die DFOS quasi ein künstliches Nervensystem der Brücke.
Die exakte Anordnung der Sensoren inkl. semantischer Informationen zum Sensortyp können dem As-maintained-Modell entnommen werden. Prinzipiell kann die Konfiguration extern angeordneter Sensoren temporär – z. B. während eines Belastungsversuchs – aufgabenbezogen angepasst werden.
As-maintained-Modell
Alle relevanten Informationen aus Planung, Bau und Betrieb der Brücke werden zentral über ein As-maintained-Modell bereitgestellt [3]. Die Bandbreite der hinterlegten Daten reicht von Planungsunterlagen und Angaben zum Monitoringsystem über erfasste Schäden und deren Bewertung bis hin zu Sensorrohdaten. Das As-maintained-Modell fungiert somit als virtuelles Abbild des realen Bauwerks, das auf Basis der aggregierten Zustandsinformationen aus Monitoring, Bauwerksprüfungen und diagnostischen Untersuchungen eine Aussage über den aktuellen Bauwerkszustand zulässt und somit eine Entscheidungshilfe für eine vorausschauende Instandhaltung bietet.
Ein lesender Zugriff wird externen Partnern über einen EPLASS InfoClient ermöglicht. Weiterführende Informationen können der nachfolgenden Anleitungen entnommen werden: Anleitung Nutzung EPLASS InfoClient
Für die Integration der hochfrequenten Monitoringdaten in das zugehörige BIM-Fachmodell wird ein „linked data“-Ansatz verfolgt. Messdaten und aggregierte Zustandsinformationen können auf der vom Projektpartner MKP entwickelten browserbasierten Plattform „iris“ visualisiert werden. Durch die Definition von Grenzwerten können Alarmmeldungen automatisiert ausgegeben werden.
Die Zugangsdaten für die iris werden auf Anfrage von Andreas Jansen (MKP) zur Verfügung gestellt:
Auswertekonzepte
Die automatisierte Aus- und Bewertung der großen Datenmengen ist wichtigste Voraussetzung für eine Zustandsbewertung in nahezu Echtzeit. Für die DFOS-Messdaten wird im Projekt die freie Software fosanalysis entwickelt [4,5]. Damit können Anomalien im Messignal bereinigt und Risse entlang des Sensors überwacht werden. Für die Anomalieerkennung in den Messdaten „konventioneller“ Messtechnik, wie z. B. den Beschleunigungs- und Neigungssensoren, wird ein Ansatz zur Fehlerdiagnostik auf Basis analytischer Redundanz entwickelt. Die Fehlerdiagnostik besteht aus den Teilaufgaben (i) Fehlererkennung, (ii) Fehlerisolation, (iii) Fehleridentifikation und (iv) Fehlerbehebung [6,7]. Geplant ist, das Monitoring aufgabenbezogen durch zusätzliche Messtechnik externer Projektbeteiligter zu erweitern, um die Potentiale unterschiedlicher Sensortypen im Hinblick auf Anomalieerkennung bewerten zu können. Sämtliche Monitoringdaten sollen in die Auswerteprozesse integriert werden.
Datenzugang und Nutzungsvereinbarungen
Folgende Messdaten werden über das Forschungsdatenrepositorium OpARA (Open Access Repository and Archive) bereitgestellt:
- Messungen in der Referenzphase
- Messungen während ausgewählter Belastungsversuche (z. B. auch zur Systemidentifikation)
Der Link zu den Daten wird über diese Website zur Verfügung gestellt. Die Datennutzung erfolgt unter den folgenden Voraussetzungen:
- Die Daten werden zu nicht kommerziellen Forschungszwecken verwendet.
- Bei Veröffentlichungen ist die Herkunft der Daten inkl. DOI anzugeben. Beispiel für Acknowledgements/Danksagung: „Die Messdaten wurden am openLAB gewonnen und von der Technischen Universität Dresden im Rahmen des Forschungsprojekts IDA-KI bereitgestellt (FKZ 19FS2013A-D).“
- Das Forschungskonsortium IDA-KI ist über Veröffentlichungen unter Nutzung der bereitbestellten Daten spätestens zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zu informieren.
- Wird eigene Sensorik am openLAB installiert, sind die Messdaten dem Konsortium und der Öffentlichkeit (ggf. nach einer kurzen Latenzzeit) zur Verfügung zu stellen. Art und Umfang der Datenbereitstellung wird in Rücksprache mit der Konsortialleitung detailliert.
Kooperationsmöglichkeiten
Der Großdemonstrator wird auch externen Forschungsgruppen zur Verfügung gestellt, die Sensorik und Monitoringtechniken erproben und validieren möchten. Eine Kooperation mit nationalen und internationalen Industriepartnern und Forschungseinrichtungen am openLAB ist sowohl seitens des mFUND als auch der Projektpartner erwünscht. Interessenten sind aufgerufen, sich bei der Konsortialführung oder den beteiligten Projektpartnern zu melden.
Eine aktive Kooperation besteht beispielsweise mit dem Monitoringanbieter Statotest, die das bestehende Monitoringsystem mit eigener Messtechnik ergänzt haben. Mit insgesamt acht Messboxen werden Beschleunigungen und Neigungen dynamisch erfasst. Die Daten ergänzen die Messungen des initialen Messsystems und bieten eine Möglichkeit, unterschiedliche Sensortypen und Messprinzipien im Hinblick auf deren Potential zu Anomalieerkennung gegenüberzustellen. Statotest nutzt die Messdaten aus den schädigenden Belastungsversuchen, um bestehende Auswerteverfahren zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Der folgende Kalender gibt einen Überblick über die Termine der Belastungsfahrten, Versuche und Sondermessungen an der Brücke: https://tud.link/a8yy3n
Kontakt
Institut für Massivbau und DB Netz AG – Stiftungsprofessur
NameHerr Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx
Eine verschlüsselte E-Mail über das SecureMail-Portal versenden (nur für TUD-externe Personen).
Technische Universität Dresden - Institut für Massivbau
Besuchsadresse:
ABS, Raum 05-011 August-Bebel-Straße 30/30A
01219 Dresden
Postadresse:
Technische Universität Dresden Institut für Massivbau
01062 Dresden
Paketadresse:
Technische Universität Dresden Institut für Massivbau Helmholtzstr. 10
01069 Dresden
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
NameHerr Max Herbers M.Sc.
Eine verschlüsselte E-Mail über das SecureMail-Portal versenden (nur für TUD-externe Personen).
Technische Universität Dresden - Institut für Massivbau
Besuchsadresse:
ABS, Raum 05-004 August-Bebel-Straße 30/30A
01219 Dresden
Veröffentlichungen
[1] | Herbers, M.; Bartels, J.-H.; Richter, B.; Collin, F.; Ulbrich, L.; Al-Zuriqat, T.; Chillón Geck, C.; Naraniecki, H.; Hahn, O.; Jesse, F.; Smarsly, K.; Marx, S.: openLAB – Eine Forschungsbrücke zur Entwicklung eines digitalen Brückenzwillings. Beton- und Stahlbetonbau 119 (2024) 3, 167–180 – https://doi.org/10.1002/best.202300094 |
[2] | Herbers, M.; Richter, B.; Gebauer, D.; Classen, M.; Marx, S.: Crack Monitoring on Concrete Structures – Comparison of Various Distributed Fiber Optic Sensors with Digital Image Correlation Method. Structural Concrete 24 (2023) 5, 6123–6140 – https://doi.org/10.1002/suco.202300062 |
[3] | Collin, F.; Ulbrich, L.; Jesse, F.: Konzept eines Digitalen Zwillings für Brückenbauwerke in der Betriebsphase. Bautechnik 101 (2024) 3, 199–205 – https://doi.org/10.1002/bate.202400003 |
[4] | Richter, B.; Herbers, M.; Marx, S.: Crack Monitoring on Concrete Structures with Distributed Fiber Optic Sensors – Toward Automated Data Evaluation and Assessment. Structural Concrete 25 (2024) 2, 1465–1480 – https://doi.org/10.1002/suco.202300100 |
[5] | fosanalyis – A framework to evaluate distributed fiber optic sensor data [Software]. https://github.com/TUD-IMB/fosanalysis. |
[6] | Al-Zuriqat, T.; Chillón Geck, C.; Dragos, K.; Smarsly, K.: Adaptive Fault Diagnosis for Simultaneous Sensor Faults in Structural Health Monitoring Systems. Infrastructures 8 (2023) 3, 39 – https://doi.org/10.3390/infrastructures8030039 |
[7] | Al-Zuriqat, T.; Peralta, P.; Chillón Geck, C.; Dragos, K.; Smarsly, K.: Implementation and validation of a low-cost IoT-enabled shake table system. In: Farhangdoust, S.; Guemes, A.; Chang, F.-K. [Hrsg.]: Proc. of Int. Workshop on Structural Health Monitoring (IWSHM), Stanford: DEStech Publ., Inc., 2023, 1063–1070 |