STAHLBAU-EXKURSION 2016
Autoren: Dipl.-Ing. Lars Werner, Prof. Dr.-Ing. Richard Stroetmann
Die diesjährige Stahlbau-Exkursion am 16. November führte 39 Studierende des 3. bis 10. Semesters unter Begleitung von Prof. Richard Stroetmann, Lars Werner und Lukas Hüttig vom Institut für Stahl- und Holzbau zum Stahlwerk Thüringen in Unterwellenborn sowie zum Rudolstädter Systembau.
Um 7:00 Uhr startete die Exkursionsgruppe vom neu bezogenen Haus 116 in der August-Bebel-Straße. Die erste Station war das Stahlwerk Thüringen. Nach einer kurzen Begrüßung und Ausstattung der Teilnehmer mit Schutzkleidung erfolgte die Besichtigung des Werkes in vier kleinen Gruppen. Das Stahlwerk Thüringen recycelt seinen Stahl primär aus dem im 200-Kilometer Umkreis anfallenden Schrott und stellt daraus Walzerzeugnisse her. Nach der Prüfung der Lieferungen auf Radioaktivität, Reinheit und Gewicht erfolgt die Zwischenlagerung und Sortierung auf dem werkseigenen Schrottplatz, auf dem rund 45.000 t Stahl gelagert werden können. Unter Einsatz von Kränen wird der Elektrolichtbogenofen bestückt und der Stahlschrott auf ca. 1.600 °C erschmolzen. Wegen Wartungsarbeiten waren der Hochofen und die Stranggussanlage zunächst nicht im Betrieb. Die letzte der vier Gruppen konnte noch das Anfahren des Elektrolichtbogenofens und das Erschmelzen unter hohem Energieeintrag, Funkenflug, Feuer und Rauch eindrucksvoll miterleben.
Aus dem Hochofen wird der Flüssigstahl in Pfannen gegossen und anschließend in Bezug auf seine Legierungsbestandteile feinabgestimmt (Pfannenbehandlung). Danach erfolgt das Vergießen in endabmessungsnahen „Beamblanks“. Hierzu wird der Stahl in einen Verteiler gegossen und durch vier flüssigkeitsgekühlte Kokillen geführt, die die Geometrie der Beamblanks formen. Zur Vermeidung des Anhaftens an die Kokillenwandungen wird Rapsöl eingesetzt. Zudem werden die Kokillen stark heruntergekühlt, sodass die äußere Schicht verfestigt wird und der Stahlstrang über ein Rollengerüst von der vertikalen in die horizontale Richtung gebracht werden kann. Nach weiterer Abkühlung erfolgt eine Segmentierung der vier Stränge für die weitere Verarbeitung im Walzwerk. Ein Teil der Beamblanks wird direkt weiter verarbeitet, der andere Teil wird zur Auskühlung auf dem Kühlbett und danach auf Stapeln gelagert. Im Walzwerk werden die Beamblanks zunächst im Stoßofen auf die geeignete Walztemperatur gebracht und anschließend in Walzgerüsten auf die Endabmessungen der jeweils vorgesehenen Profile ausgewalzt. Dabei werden bis zu 100 m lange IPE-, HE- oder U-Profile hergestellt. Die Profile kühlen an der Luft und unter Einsatz von Wasserdampf ab. Jeweils fünf Profile werden danach gleichzeitig auf die Lieferlänge gesägt und zum Versand vorbereitet. Die während der Werksführung aufkommenden Fragen wurden von aktiven und ehemaligen Mitarbeitern des Stahlwerkes fachkundig und engagiert beantwortet.
Gegen Mittag endete die Führung durch das Stahlwerk Thüringen und die Gruppe fuhr direkt weiter in das 30 Minuten entfernte Rudolstadt zum dort ansässigen Rudolstädter Systembau. Hier empfing uns Herr Ullrich Batzke, Geschäftsführer des Unternehmens, ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Stahlbauverbandes DSTV und Preisträger der „Auszeichnung des Deutschen Stahlbaus 2016“. Während des Mittagsimbisses, zu dem die Firma Rudolstädter Systembau einlud, konnten die Studierenden seiner Präsentation über die Firmengeschichte, die Struktur des Unternehmens, die Fertigungsbereiche und die ausgeführten Projekte folgen. Ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensphilosophie besteht darin, sich nicht nur auf die Fertigung zu beschränken, sondern in Zusammenarbeit mit Bauherren und Architekten Fachkenntnisse zu Stahlkonstruktionen und dem Fassadenbau bereits in die Planung einzubringen. Dies erklärt auch das vergleichsweise große Technische Büro des Unternehmens.
Zur Werksbesichtigung wurden zwei Gruppen gebildet, die dann durch die Stahlbaufertigung und die Metallbau- und Fassadenwerkstatt geführt wurden.
In der Fassadenwerkstatt werden aus Vorprodukten, wie Glasscheiben, Aluminiumprofile und Beschläge, größere und transportgerechte Bauelemente hergestellt. Hierzu gehören Trennwand- und Türsysteme, die den Anforderungen an den Brand- und Strahlenschutz genügen. Unter Verwendung moderner Schneid- und Bohranlagen werden Elemente von Fassaden, Tür- und Fensteranlagen vorbereitet und später in Handarbeit zusammengesetzt und abgedichtet. Für jedes Bauelement werden zuvor die Konstruktionsdaten digitalisiert und in Maschinen eingelesen. Die Elemente werden automatisch zugeschnitten, gelocht und nummeriert. Die Zusammenbauschritte sind für die Monteure jederzeit abrufbar. Durch das stringente moderne Produktionsverfahren lassen sich so Fehler vermeiden und notwendige Ausführungszeiten reduzieren.
Ebenso modern sind die Produktionsabläufe im zweiten Werksteil, der Stahlbaufertigung. Diese erfolgt zum Teil unter Verwendung von Schweißrobotern, die in der Fahrzeugindustrie weit verbreitet sind, im Stahlbau bisher jedoch nur selten zum Einsatz kommen. Die Träger werden in einer Drehvorrichtung befestigt und die Anbauteile, wie z. B. Stirnplatten, Steifen oder Knaggen, auf einem Materialtisch platziert. Ein Roboter scannt die zur Verfügung stehenden Anbauteile ein, nimmt sie automatisch mit einem Magnetheber auf und positioniert sie an die richtige Stelle des Trägers. Nach der Sichtprüfung durch das Bedienpersonal und eventueller Feinausrichtung erfolgt automatisiert das Heften, Vorwärmen und Verschweißen der einzelnen Anbauteile. Zusätzlich zur schweißtechnischen Fertigung konnten die Studierenden die Strahl- und Brennschneideanlagen, die mechanische Bearbeitung der Bauteile, die Montagehalle für den Zusammenbau und die Halle für den Korrosionsschutz besichtigen. Gegen 16:00 Uhr ging es dann wieder zurück mit dem Bus nach Dresden.
Die Exkursionsteilnehmer und das Institut für Stahl- und Holzbau der TU Dresden bedanken sich an dieser Stelle nochmals herzlich bei den Verantwortlichen und beteiligten Mitarbeitern des Stahlwerkes Thüringen und des Rudolstädter Stahlbaus für die hervorragende Organisation, den freundlichen Empfang und die sachkundigen Führungen, die bedeutend für die praxisgerechte Ausbildung der Studierenden im Stahlbau sind.