Inklusive Lehr- und Lernsituationen in der Beruflichen Bildung – Fachrichtung Holztechnik
Berufliche Schulen sind Lernorte mit äußerst heterogener Schülerschaft. An ihnen lernen nicht nur Schülerinnen und Schüler mit zum Teil beachtlichen Altersunterschieden, sondern mit grundsätzlich sehr unterschiedlichen Bildungsbiografien und Motiven gemeinsam. Die Heterogenität der Lernenden ist daher kein neuer Sachverhalt. Allerdings werden die hieraus resultierenden Herausforderungen dadurch erweitert, dass aufgrund der veränderten bildungspolitischen Forderungen sowie dem Anspruch nach Partizipation und Chancengleichheit nunmehr auch Menschen mit Behinderung oder sonderpädagogischen Förderbedarfen am Unterricht partizipieren (können). Die Idee dahinter - eine inklusive Schule - kann nur gelingen, wenn alle Lernenden am Unterricht teilhaben. Dies impliziert, dass mögliche Barrieren, die sich aus der Individualität der Schülerinnen und Schüler ergeben, überwunden werden, um Chancengleichheit zu gewährleisten.
Die Ansprüche an eine inklusive berufsbildende Schule und die sich daraus ergebenden Fragen und Schlussfolgerungen verlangen eine Weiterentwicklung der Theorie der Didaktiken der Beruflichen Fachrichrungen. Basierend auf dem Konzept des Arbeitsaufgabenbezogenen Lehrens und Lernens werden, in Kooperation mit Lehramtsstudierenden und Lehrer*innen im Projekt „Schule inklusiv gestalten – SING“, inklusive Unterrichtkonzepte in der Fachrichtung Holztechnik entworfen.
In der beruflichen Bildung sind Arbeitsaufgaben die Bezugspunkte für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen. Die didaktisch induzierte Analyse von Arbeitsaufgaben auf ihre objektiven Lehr- und Lernpotentiale hin ist demzufolge unabdingbar und geht der Gestaltung beruflicher Lehr-Lernsituationen voraus. Insofern werden die Arbeitsaufgaben aus der Arbeitswelt heraus für berufliche Bildungsprozesse funktionalisiert. Das heißt, die berufliche Arbeitsaufgabe wird zu einem didaktischen Mittel, zu einer
Lern-, Arbeits- und Gestaltungsaufgabe (Niethammer 2006, 236f.). Hierfür sind berufsrelevante Inhalte und Handlungen exemplarisch auszuwählen, anzuordnen und aufzuarbeiten (didaktische Transformation) (ebd., S. 234) sowie die Spielräume in der methodischen Gestaltung auszuloten. Durch die sach- und handlungslogische Analyse und Strukturierung der Inhalte werden folglich nicht nur potenziell mögliche „Zugänge“ und Lernwege für Schülerinnen und Schüler deutlich, sondern zugleich Potenziale und damit denkbare Formen der (digitalen) Repräsentation der Inhalte offenbar.
Parallel zur didaktisch induzierten Arbeitsanalyse und der Strukturierung der lernhaltigen Aneignungsgegenstände werden im Planungsprozess neben den soziokulturellen Bedingungen die anthropogenen (Lern-)Voraussetzungen ermittelt. Erfragt werden beispielsweise bereits vorhandene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Betriebspraktika oder (außerschulische) Interessen, das Selbstkonzept der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich schulischer und unterrichtlicher Belange sowie sonderpädagogische Förderbedarfe.
Ziel des Projektes ist, beide Perspektiven (subjekt- und objektbezogene) derart miteinander zu verknüpfen, dass sowohl der Anspruch nach Teilhabe als auch das Erreichen der curricularen Zielstellungen ermöglicht werden. Für den Nachweis der Teilhabe der Lernenden am Unterrichtsgeschehen sind geeignete Indikatoren zu ermitteln, die der Evaluation der Lehr-Lern-Arrangements zugrunde gelegt werden können. Zudem werden Lernfortschritte sowie die wahrgenommene Unterrichtsqualität festgestellt.