Mathematikunterricht in der Primarstufe inklusiv gestalten
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Abstract
Ziel unseres Projektes ist es, die mathematikdidaktische und inklusionsdidaktische Perspektive miteinander zu verbinden. Gemeinsam mit Lehrpersonen und Studierenden sollen Gestaltungsmöglichkeiten von inklusivem Mathematikunterricht entwickelt, durchgeführt und analysiert werden. Im Rahmen des Projektes soll aufbauend und ergänzend zu bereits bestehenden mathematikdidaktischen Forschungsansätzen vor allem der Dialog und damit die Interaktionen im Mathematikunterricht zwischen den verschiedenen Akteur*innen in den Blick genommen werden. Ausgehend von der entwicklungslogischen Didaktik Feusers geschieht dies aus der Annahme heraus, dass Lernen vor allem im Dialog – in Kooperation mit anderen an gemeinsamen Themen und Prozessen - stattfindet. Diese Gedanken stehen ebenfalls im Einklang mit Ansätzen einer in der Tradition von Bauersfeld in der Mathematikdidaktik entwickelten Interaktionstheorie mathematischen Lernens. Diesen Ansätzen folgend findet Mathematiklernen insbesondere in jungen Jahren durch die zunehmende autonomere Teilehabe an mathematischen Aushandlungsprozessen statt.
Um diesen Grundansatz des Lernens in der Interaktion bei der Gestaltung der inklusiven Lernsettings in den Fokus zu rücken, wird mithilfe einer verstärkten Subjektorientierung versucht, möglichst allen Schüler*innen die Möglichkeit zu bieten, gemäß ihrer Fähigkeiten an der Interaktion über mathematische Themen teilzuhaben. Für die Entwicklung von Unterrichtskonzepten und die Ausbildung der Studierenden werden die videografierten Interaktionen beim gemeinsamen Lernen analysiert. Dies ermöglicht eine Reflexion über Chancen und Grenzen der entwickelten Lernumgebungen. So geht es in den qualitativen Analysen insbesondere darum, Momente gelingender fachlicher und sozialer Teilhabe aller Kinder zu rekonstruieren und die Erkenntnisse für die Lehrer*innenausbildung nutzbar zu machen.
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Das Thema Heterogenität und Inklusion wird – neben all den negativen Schlagzeilen, die von Überforderung der Lehrenden und Ausgrenzung von Lernenden berichten – im aktuellen pädagogischen Diskurs mit Schlagworten wie Chance, Bereicherung, Potential und Gewinn versehen. Doch worin und wie genau zeigen sich im Unterricht beim fachlichen Lernen Chancen und Potentiale einer heterogenen Schüler*innenschaft? Ziel des Projektes ist es, die mathematikdidaktische und inklusionsdidaktische Perspektive miteinander zu verbinden und gemeinsam mit Lehrpersonen und Studierenden Gestaltungsmöglichkeiten von inklusivem Mathematikunterricht zu entwickeln, durchzuführen und zu analysieren, um so mögliche Bedingungen für gelingenden inklusiven Unterricht herauszuarbeiten. In den qualitativen Analysen geht es vordergründig darum, Momente gelingender fachlicher und sozialer Teilhabe aller Kinder zu rekonstruieren und die Erkenntnisse für die Lehrer*innenausbildung nutzbar zu machen.
Mit der zunehmenden gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichtserstattung 2018) beschäftigen sich mittlerweile vielfältige mathematikdidaktische Vorhaben mit möglichen Umsetzungen von inklusivem Mathematikunterricht. Dabei lassen sich die Forschungsvorhaben im Bereich der Mathematikdidaktik anhand ihrer Schwerpunkte grob in drei Kategorien zusammenfassen.
Es lassen sich einige Forschungsvorhaben finden, die ihren Schwerpunkt auf die Erforschung von Erfahrungen, Einstellungen und Bedürfnissen von Mathematiklehrpersonen im inklusiven
Unterricht legen und darauf aufbauend Konzeptionen für die Lehreraus- und Weiterbildung entwickeln. Korff (2015) beispielsweise fand heraus, dass nach Aussagen der Lehrpersonen gemeinsamer Mathematikunterricht vorrangig über Handlungs- und Materialorientierung gelinge und insbesondere für abstraktere Inhaltsbereiche der Mathematik, wie dem Inhaltsbereich Arithmetik, schwierig umzusetzen sei.
Eine Vielzahl von Vorhaben beschäftigt sich mit der Entwicklung, Erprobung und Evaluation konkreter Lernumgebungen für das gemeinsame Mathematiklernen (vgl. u.a. Häsel-Weide & Nührenbörger 2015; Fetzer 2016; Scherer 2016; Korten 2017) und legen damit ihren Fokus auf Lerninhalte und deren konkrete Umsetzung. Hierzu zählen auch die Entwicklung und Erprobung von Arbeitsmaterialien und damit verbunden die Erforschung von Gestaltungselementen bei Arbeitsaufträgen - beispielsweise der Einsatz von Einfacher Sprache und Piktogrammen (vgl. Noll, Roth & Scholz 2017). Diese Untersuchungen werden gerahmt durch allgemeine Konzeptionen zu Grundprinzipien einer inklusiven Mathematikdidaktik (vgl. u.a. Stöckli et al. 2014; Scherer 2015; Peter-Koop 2016).
Der dritte derzeitige Forschungsschwerpunkt rückt die lernenden Individuen im inklusiven Mathematikunterricht ins Zentrum der Analysen. Hierbei stehen vor allem Fragen einer angemessenen Förderdiagnostik (siehe bspw. Peter-Koop 2015: Förderdiagnostik im inklusiven Anfangsunterricht) und die Beschäftigung mit spezifischen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf das Mathematiklernen im Mittelpunkt (siehe bspw. Leuders 2016: Mathematiklernen von Kindern mit Sehbeeinträchtigung und Blindheit oder Garrote, Moser Opitz & Ratz 2015: Mathematische Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung).
Im Rahmen des vorliegenden Projektes soll aufbauend und ergänzend zu diesen Forschungsansätzen vor allem der Dialog und damit die Interaktion im inklusiven Mathematikunterricht zwischen den verschiedenen Akteur*innen in den Blick genommen werden.
Ausgehend von der entwicklungslogischen Didaktik Feusers (2011) geschieht dies aus der Annahme heraus, dass Lernen vor allem im Dialog– in Kooperation mit anderen an gemeinsamen Themen und Prozessen - stattfindet. Diese Gedanken stehen ebenfalls im Einklang mit Ansätzen einer in der Mathematikdidaktik entwickelten Interaktionstheorie mathematischen Lernens (vgl. Bauersfeld et al 1988). Diesen Ansätzen folgend findet Mathematiklernen insbesondere in jungen Jahren durch die zunehmende autonomere Teilehabe an mathematischen Aushandlungsprozessen statt (vgl. Krummheuer 1992).Um diesen Grundansatz des Lernens in der Interaktion bei der Gestaltung der inklusiven Lernsettings in den Fokus zu rücken, wird mithilfe einer verstärkten Subjektorientierung versucht, möglichst allen Schüler*innen die Möglichkeit zu bieten, gemäß ihrer Fähigkeiten an der Interaktion über mathematische Inhalte teilzuhaben.
Forschungslogisch wird dabei aus Sicht interaktionistischer Ansätze der Interpretativen Unterrichtsforschung (s. u.a. Krummheuer & Najouk 1999) versucht, Mathematiklernen unter den Bedingungen von Inklusion zu beschreiben und hierdurch Potential zur Veränderung der Praxis aufzuzeigen. Dies erfolgt auch aus dem Grundverständnis heraus, dass inklusive Lernbedingungen zu einem nicht unerheblichen Teil vor allem Einfluss auf die interaktiven Wechselbeziehungen zwischen der Lehrperson, dem pädagogischem Personal und den Lernenden sowie zwischen den Lernenden selbst haben werden.