INKLUSION IM CHEMIEUNTERRICHT
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Das Projekt versucht, die Inhalte der Chemie, die für ein Verstehen der Umwelt wesentlich sind, allen zugänglich zu machen. Dazu beschäftigt es sich ausgiebig mit den Lernenden, um zu verstehen, wie ihnen Fachaspekte erfahrbar gemacht werden können. Auf Basis dieses Verständnisses werden dann Lehr- und Lernsettings entworfen, die ein gemeinsames Lernen und Verstehen aller ermöglichen sollen. Dazu werden Seminargruppen Schulklassen in verschiedenen Lernsituationen beobachten, um zu verstehen, wie die Schüler*innen am besten Lernen. Mithilfe dieses Wissens können dann an die Klasse möglichst genau angepasste Lehr- und Lernangebote entworfen werden.
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Wird inklusive Bildung als essentielles Menschenrecht und umzusetzende Zielstellung im Schulunterricht verstanden und vertreten, sieht man sich im Dialog mit bildenden Institutionen und Personen oder Kritiker*innen häufig gleichzeitig mit ihren sogenannten Grenzen konfrontiert. Diese scheinen sich neben generellen Bedenken gegenüber einer gemeinsamen Beschulung aller Kinder insbesondere fachspezifisch zu zeigen. Besonders die naturwissenschaftliche bzw. chemische Grundbildung wird hier gerne als zu komplex und sicherheitstechnisch zu bedenklich eingestuft, sodass beispielsweise in den Bildungsplänen von Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung das Fach Chemie nicht auftaucht, sondern höchstens naturwissenschaftliche Phänomene als Unterrichtsinhalte avisiert werden (Hoffmann/Menthe 2015). Somit wird die chemische Bildung, die eine wesentliche Voraussetzung des Verstehens belebter und unbelebter Natur und Lebenswelt darstellt, ein pädagogisches Luxusgut, von welchem nur die Privilegierten zehren dürfen. Dies kann freilich nicht mit dem Anspruch einer allgemeinen Bildung einhergehen.
Ferner erscheint gelegentlich die enge sachlogische Vernetzung chemischer Fachinhalte und die scheinbar daraus resultierende unflexible Anordnung als Hinderungsgrund, heterogene bzw. inklusive Lerngruppen zu unterrichten. Tatsächlich aber bietet die phänomenologische Auseinandersetzung mit der Welt,
welche Grundlage des Faches Chemie ist, genau die Vielzahl unterschiedlicher inhaltlicher, methodischer, emotionaler Zugänge, die für einen inklusiven Unterricht, der auf Kooperation, Dialog und einem gemeinsamen Lerngegenstand basiert, essentiell sind. Das Experiment als wesentliche naturwissenschaftliche Arbeitsform ist hierfür ein lern- und motivationsstimulierendes Element, welches eine Vielzahl an Differenzierungsmöglichkeiten liefert. Gegenargumenten, die auf Sicherheitsrisiken beim Experimentieren verweisen, kann durch eine angemessene Auswahl und Aufbereitung der Experimente begegnet werden.
Innerhalb des Projekts werden in Seminaren mit Lehramtsstudierenden unter anderem Möglichkeiten der chemiespezifischen und inklusionspädagogischen Diagnostik entworfen und evaluiert. Auf Basis eines verbesserten Verständnisses der Lernsubjekte sollen anschließend Unterrichtskonzepte entwickelt und erprobt werden, die darauf abzielen, die individuellen Bedürfnisse der Lernenden zu berücksichtigen und Zugänge (etwa motivational, methodisch, lehr- und lernpsychologisch) zum gemeinsamen Lerngegenstand anzubieten. Auf diese Weise soll allen Lernenden ein Erfolg innerhalb ihrer Zone der nächsten Entwicklung ermöglicht werden. Die Schwierigkeit liegt hierbei darin, die ermittelten Profile der Lernenden in ihrer Vielzahl bei der Planung von Lehr- und Lernsettings zu berücksichtigen.
Projektziel ist ein Beitrag zur Erkenntnis, wie der Weg von kristallinen zu fluiden Konzepten, die ein gemeinsames Lernen in Dialog und Kooperation ermöglichen und katalysieren, unter gleichberechtigender Berücksichtigung der ermittelten Zugänge gestaltet werden kann. Die Auswahl relevanter Inhalte und Methoden sowie deren notwendige Differenzierung basiert dabei auf Ansätzen der Fachdidaktik Chemie sowie dem didaktisch reflektierten Vermittlungsanspruch dieser Wissenschaft. Dabei wird mit dem Konzept einer „Scientific Literacy“ argumentiert, welches im Kern besagt, dass naturwissenschaftliche Fächer vor allem eine Art Problemlösekompetenz vermitteln können, die Aspekte wie logisches Denken und Argumentieren, kritische Hypothesenprüfung und Planungskompetenz beinhaltet, die elementarer Bestandteil eines autarken Menschseins sind und entsprechend in der Vermittlung priorisiert werden müssen.