13.06.2023
Neue Publikation: Wahrnehmung von inzivilen und intoleranten Kommentaren
Diskussionen in Online-Medien verstoßen oft gegen soziale Normen: Nutzer:innen fluchen oder sind obszön, beleidigen andere Nutzer:innen oder drohen gar mit der Ausübung von Gewalt. Jüngste inhaltsanalytische Forschung zeigt jedoch, dass nicht alle Normverstöße gleich (schlimm) sind. Inzivilität (z.B. die Verwendung von Schimpfwörtern) ist häufig nur ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen und kann dennoch sinnvolle Diskussionen ermöglichen. Intoleranz (z.B. Gewaltandrohungen) hingegen zielt darauf ab, Schaden anzurichten, und widerspricht dem, was in einer demokratischen Gesellschaft als akzeptabel gilt. Bisher ist jedoch nur wenig dazu bekannt, ob sich die zunächst theoretische Unterscheidung von Inzivilität und Intoleranz auch in unterschiedlichen Wahrnehmungen und Reaktionen der Nutzer:innen niederschlägt.
In einem neuen Aufsatz, der gerade in der Fachzeitschrift Journal of Computer-Mediated Communication erschienen ist, widmen sich Anna Sophie Kümpel (TU Dresden) und Julian Unkel (LMU München) daher der Frage, wie sich verschiedene Unterarten von Inzivilität (Profanität, Angriffe auf Argumente) und Intoleranz (Verwendung von beleidigenden Stereotypen, Androhung von Gewalt) in Kommentaren auf die Nutzer:innen auswirken. Konkret untersuchen sie, als wie anstößig und schädlich für die Gesellschaft Nutzer:innen die Kommentare empfinden und ob sie diese aus der Diskussion löschen würden.
Aufbauend auf einem Factorial-Survey-Experiment mit einer repräsentativen Stichprobe von n = 964 deutschen Online-Nutzer:innen zeigen die Studienergebnisse, dass intolerante Äußerungen durchweg als schlimmer und gefährlicher für die Gesellschaft wahrgenommen werden, während dies bei inzivilen Äußerungen nicht der Fall ist. Diese wirken vielmehr als „Verstärker“ und sind vor allem dann einflussreich, wenn man ihre Wechselwirkung mit intoleranten Äußerungen berücksichtigt. Insgesamt liefert die Studie somit wichtige Erkenntnisse darüber, dass Intoleranz nicht nur aus theoretischer Sicht problematischer ist, sondern auch von „normalen“ Online-Nutzer:innen so empfunden wird.