Adlige Beamte. Selbst- und Fremdbilder einer Sozialformation zwischen Stand und Funktion (1550-1750)
(abgeschlossen, gefördert von der DFG, Januar 2011 – Dezember 2013)
Kurzbeschreibung des Projektes
Die europäische Frühe Neuzeit gilt als Epoche, in der Verwaltung zwar nicht erfunden, aber doch so ausgebaut wurde, dass sie zum Fundament einer neuen Qualität von Herrschaft wurde. Funktionsträger der Verwaltung waren Beamte. Gut untersucht sind v. a. bürgerliche Beamte als Aufsteiger. Den größten Teil gerade der höheren Beamtenschaft stellte bis in das 18. Jahrhundert aber nicht das aufstrebende Bildungsbürgertum, sondern der Adel, der als Gesamtformation zugleich ständischer Gegenpol der entstehenden Territorialgewalt war.
Dieser, bisher meist nur implizit behandelten Teilformation der adligen Beamten und ihrer besonderen Funktion als Verwaltungselite wendet sich das Projekt zu. Ziel ist es, für die Kernphase der Frühen Neuzeit (1550-1750) eine Typologie von Selbst- und Fremdbildern dieser Sozialformation zwischen Stand und Funktion zu entwi-ckeln. Dafür soll untersucht werden, wie sich adlige Beamte zwischen geburts- und berufsständischen Gruppenkonzepten selbst verorteten und welche Zuschreibungen und Bilder an sie herangetragen bzw. von ihnen selbst genutzt wurden. Zugleich sind in einem territorial vergleichenden Zugriff die Wechselwirkungen zwischen Gruppenkonzepten, unterschiedlich ausgeprägten Adelslandschaften und variierenden Typen von landesherrlicher Verwaltung zu bestimmen.
Untersuchungsräume sind mit Kursachsen und der Oberlausitz, Schweden und Pommern vier lutherische Adelslandschaften, die im Zuge des Dreißigjährigen Krieges jeweils als ‚Mutterland’ und ‚Provinz’ neu verklammert wurden. Gerade unter den Bedingungen des Herrschaftswechsels dürften Selbst- und Fremdbilder neu diskutiert worden sein und damit für die Untersuchung gut greifbar werden.
Projektmitarbeitende
Dr. Ulrike Ludwig, Projektleitung
Annemarie Hagmayer, SHK
Heide Moldenhauer, SHK
Studentische Kleinprojekte
Selbst- und Fremdbilder adliger Beamter in kursächsischen Leichenpredigten
(Bearbeiterin: Annemarie Hagmayer)
Im Rahmen dieses Kleinprojektes soll am Beispiel von Leichenpredigten adliger Beamter nach der Bedeutung beruflicher respektive geburtsständischer Charakterisierungen für personen- bzw. gruppenbezogene Repräsentationen gefragt werden. Besonderes Gewicht bei der Untersuchung der Leichenpredigten wird auf dem Abschnitt der Personalia liegen, einer ‚tendenziösen’ und stark typisierten Biografie, die zwar für die Analyse konkreter Lebenssituationen weniger aufschlussreich ist, sich aber für die Untersuchung von Idealisierungen, Zuschreibungen und Deutungsmustern bestens eignet.
Die gewonnenen Ergebnisse aus Quellenerhebung und -bearbeitung sollen von der Bearbeiterin zu einer ersten eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit ausgebaut werden.
Selbstkonzeptionalisierung eines Lebens in Briefen. Gottfried (von) Schröer (1611-1672) als Beamter der Krone in Schwedisch-Pommern (Teil a: Die Briefe des Vaters)
(Bearbeiterin: Heide Moldenhauer)
Als exemplarischen Einzelfall ist vorgesehen, den Briefnachlass Gottfried (von) Schröers (1611-1672), der im Riksarkivet Stockholm liegt, zu erschließen und auszuwerten. Schröer stand seit 1642 in schwedischen Diensten. Er war jahrelang in verschiedenen pommerschen Behörden, v. a. in Stettin und Wolgast, tätig und seit 1665 Hofgerichtsrat. Der umfangreiche Nachlass setzt mit Schriftgut aus den frühen 1640er Jahren ein und umfasst Briefwechsel mit Familienmitgliedern, Freunden und Schreiben, die Schröers berufliche Tätigkeiten betreffen. Diese dichte Überlieferung ist hervorragend geeignet, die Fragestellung des Projektes in einer biographischen Tiefenbohrung zu verfolgen. Von besonderem Interesse für das Projekt ist der Umstand, dass Schröer in Anerkennung seiner Leistungen 1652 geadelt wurde. Dieser individuelle Wechsel zwischen bürgerlicher und adliger Sozialformation ist mit Blick auf den Wandel von Selbstbildern und vorgenommenen Selbstzuschreibungen in den riefen Schröers zu untersuchen.
Es ist vorgesehen, dass im Rahmen dieses studentischen Kleinprojektes die Briefe von Schröers Vater an diesen zu erfassen und für aufzunehmen. Auf der Basis dieser Briefe soll nach dem ‚väterlichen Blick’ auf die Karriere Gottfried (von) Schröers gefragt werden. Die gewonnenen Ergebnisse sollen von der Bearbeiterin dieses studentischen Kleinprojektes zu einer ersten eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit ausgebaut werden.