DFG-Projekt "Götzenkammern"
‚Götzenkammern‘. Entsorgung, Umdeutung und prämuseale Bewahrung vorreformatorischer Bildkultur im Luthertum (1517–1817)
Entgegen der populären Auffassung eines bilderarmen, ja bilderfeindlichen Protestantismus sieht sich die kulturhistorische Forschung mit der Tatsache konfrontiert, dass sich im deutschen Sprachraum gerade in lutherischen Gebieten bis in die Gegenwart mehr Artefakte spätmittelalterlicher Kirchenausstattungen erhalten haben als in katholischen Territorien. Nicht selten im Verlauf der Frühen Neuzeit aus ihren ursprünglichen kirchlichen Standorten und Bedeutungsgefüge herausgelöst, bildeten sie seit dem frühen 19. Jahrhundert die Objektgrundlage einer politisch und nationalhistorisch motivierten Museumsgründungswelle der bürgerlichen Altertumsvereine.
Fragt man nach der Überlieferungsgeschichte dieser plötzlich vielerorts wiederentdeckten ‚altdeutschen Kunstaltertümer‘, so stößt man auf ein kulturhistorisch bemerkenswertes und zugleich unerforschtes Phänomen, welches der zeitgenössische Begriff ‚Götzenkammer‘ beschreibt. Es handelt sich um die Verbergung theologisch problematisch gewordener sakraler Objekte (Figuren, Bildnisse, Reliquien etc.) in speziellen, mehr oder minder unzugänglichen Räumen der Kirchengebäude.
Zudem lassen sich erste Formen prämusealer Bewahrungs- und Historisierungsstrategien erkennen, welche für die spezifisch lutherische Erinnerungskultur durchaus typisch sind. Die erstmalige Untersuchung der Entwicklungsgeschichte dieser Phänomene vormoderner kirchlicher Objekt- und Bildnisdepots verspricht wichtige Aufschlüsse über den spezifisch lutherischen Umgang mit altkirchlicher Bild- und Symbolkultur und über Strategien der Umdeutung und Neukodierung von einst zentralen Objekten kommunaler bzw. kollektiver Glaubens-, Erinnerungs- und Repräsentationspraxis.
Der bildwissenschaftliche Blick und der Ansatz der Materiellen Kultur eröffnen dabei eine neue Perspektive auf die Herausbildung von Konfessionskulturen, welche noch stärker als regional differenter und vielgestaltiger Langzeitprozess konturiert werden können. Ablesbar am Umgang mit den ererbten Bildobjekten erscheint die vormoderne Konfessionskultur auch als ein Ergebnis kultureller Umkodierungsprozesse wie Entsakralisierung, Entzauberung, Pädagogisierung, Historisierung und vielfältiger Traditionsneuschöpfungen. Anhand des mitteldeutschen Raumes als dem Mutterland der Reformation soll diesen Phänomenen für den Zeitraum des 16. bis 18. Jahrhunderts aus interdisziplinär kulturhistorischer Perspektive nachgegangen werden. Link zu DFG - GEPRIS
Tagung auf Schloss Weesenstein 07.-08.03.2019
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
NameDr. Stefan Dornheim
DFG-Projekt "Götzenkammern"
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