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(Text BBB Johannes Deimling)
... und wieder einmal ein Beweis dafür, dass Performance Kunst lehr- und lernbar ist...
Vom 13.-18. Mai 2008 fand das von Marie-Luise Lange und BBB Johannes Deimling geleitete Performance - Seminar auf dem ehemaligen Gutshof und jetzigem Kulturcentrum in Rehlovice (http://www.kcrehlo.cz/de/index.php) in Tschechien statt.
Der Kontext, in dem Kunst entsteht, ist von erheblicher Bedeutung. Und so war die Wahl des Gutshofes Rehlovice mit seinen umgebauten Räumen, seinen Freiflächen und Scheunen, seiner grossen Wiese mit kleinem Teich ein idealer Ort, um einen Performance - Workshop zu realisieren. Für die Übungen, Aufgaben und Prozesse während des Workshops bot der Ort ideale Voraussetzungen. Denn seine Beschaffenheit bot alle Möglichkeiten, die für einen tiefgreifenden kreativen Prozess notwendig sind. Das wurde besonders bei den performativen Abschlusspräsentationen, die über den Hof und seine Gebäude verteilt an unterschiedlichen Orten stattfanden, deutlich.
Die meisten Seminarteilnehmer hatten zuvor nichts über Performance gewusst, nur einige hatten etwas Vorwissen und praktische Erfahrungen im Theaterbereich. Ziel des Seminares war es, dass jeder Teilnehmer am Ende eine eigenständig erarbeitete Performance realisiert.
An den ersten beiden Tagen wurde mit der gesamten Gruppe gearbeitet, die sich dann auf 2 Gruppen a 10 Teilnehmer, die dann allerdings bis zur Abschlusspräsentation Bestand hatten, verteilte.
In einzelnen Schritten wurden in Übungen, Versuchsanordnungen und kleinen einzelnen Präsentationen Wege zur Performance Kunst erarbeitet. In der Gruppenübung Scriptwork konnten unterschiedliche Tools (Werkzeuge für die Performancearbeit) erfahrbar gemacht werden. Zu Beginn standen Fragen nach dem Körper als Werkzeug. Wir untersuchten - welche Möglichkeiten hat mein Körper, welche sind mir bewusst, welche nicht und wie helfen mir die Erfahrungen, die ich während der Übungen mache weiter. Es wurden fundamentale Aspekte der Performance wie peripheres Gesichtsfeld, aufrechter Gang, Aufnahme von Impulsen, Nachdenken über Rhythymen einer Handlung uam. erspielt, geübt und reflektiert. Auch das abstrakte, faktische Handeln im Raum wurde erarbeitet. Wir entfalteten ein Gespür dafür, wie in Begegnungen mit anderen Teilnehmern und in der oft zufälligen Interaktion mit ihnen Körpererfahrungen möglich werden, die ein starkes Bewusstsein für performatives Handeln schaffen. Ist der erste schauspielerische und pantomimische Mantel abgefallen, kann ein neutraler, freier Koerper eine Sprache erlernen, die sich jenseits theatraler Gebärden manifestiert. Die gemachten Körpererfahrungen wurden nach und nach mit anderen Elementen der Performancearbeit wie Zeit, Raum, Material, Kontext, Konzept etc. verbunden. Auf formaler wie persönlicher Ebene wurde intensiv nach eigenen Handlungskonstellationen geforscht, um sie letztendlich als Verbund von performativen und visuellen Elementen in einer Einzelpräsentation zusammenzuführen.
In den nach zwei Tagen gebildeten Gruppen wurden unterschiedliche Übungsansätze verfolgt, die jedoch in den Abschlusspraesentationen sichtbar zu ähnlichen Ergebnissen geführt haben. Ein wichtiges Element in beiden Gruppen war die Materialkunde und die Idee fuer eine Performance. In verschiedenen Übungen und Untersuchungen wurde Material thematisiert. Es wurden Materialsammlungen angelegt und organische und nichtorganische Verbindungen zwischen den Materialen hergestellt. Es wurde den Fragen nachgegegangen was Material, was ein Gegenstand oder ein Objekt ist und welchen Sinn das Material hat, zu welchem Gebrauch es zur Verfügung steht und was es für Eigenschaften hat. Es wurde bestimmt, welchen Symbolwert bestimmte Materialien und Gegenstände haben. Material wurde entfremdet und für Dinge benutzt, für die es nicht bestimmt war (Haare kämmen mit einem Rechen). Das Material wurde mit Eigenschaftswörtern belegt und mit Wörtern generell in Zusammenhang gebracht. Gegenstand, Handlung und Abstraktion verschmolzen in kleine Päesentationen, die das Performancefeld begehbar machten.
In vielen Gesprächen wurde das Erlebte reflektiert. Um sich selbst sicherer zu werden in einer bis dahin ungewohnten Weise des Handelns und Agierens, wurde diesen Reflexionen der einzelnen Übungen und Aufgaben wurde viel Raum gegeben.
Besonders die Begriffe Abstraktion und Reduktion waren während der Übungen fortwährende Begleiter. Sie wurden meist theoretisch reflektiert, um im praktischen Tun besser zum Vorschein zu kommen.
Die Bereitschaft mit der die Teilnehmer die gestellten und geforderten Übungen und Aufgaben angegangen sind hat sehr dazu beigetragen, dass die Abschlusspräsentation ein qualitativ hohes Niveau erreicht hat. Es hat mich sehr überrascht zu sehen wie Kunstpädagogikstudentinnen bereit waren, sich den nicht immer einfachen Herausforderungen der Performance Kunst zu stellen. Denn sie hatten komplizierte, eine unbedingte Öffnung nach außen erfordernde Prozesse auszuhalten, zu verstehen, zu verarbeiten. Und sie hatten alle Erfahrungen und Erkenntnisse in eine hervorragende Präsentation münden zu lassen.
Deutlich wurde an diesem Seminar, das Performance Kunst nur dann wirklich verstanden wird, wenn man selbst einmal eine Performance gemacht hat und sich den notwendigen vorbereitenden Prozessen und Anforderungen auch wirklich stellt.
Wie klar es allen war, was an diesem Abschlussabend stattgefunden hatte, kam durch die Bemerkung "Ohne Worte." sehr gut zum Vorschein. Fast sprachlos war man über das Gesehene, was uns nicht abhielt, dennoch hervorragend auf einer anderen, im gemeinschaftlichen Gedächtnis visualiserten und erlebten Ebene zu kommunizieren. Es wurde viel gesprochen, aber nonverbal nochmals mehr und tiefer.
Auch wenn der Workshop sehr erfolgreich verlaufen ist, wird es wohl dennoch schwierig werden im Fach Kunst an Schulen das Medium Performance in einem Unterrichtsrhythmus von 45 oder 90 Minuten durchzunehmen. Hierfür müssten noch geeignete Methoden und Didaktiken entwickelt werden, die sich in diesen Zeitrahmen nützlich einbauen lassen. Der Blockunterricht im Fach Performance ist wohl nach wie vor sehr gut geeignet um die notwendigen Prozesse in Gang zu setzen.
mehr erfahren über Prof. Dr. Marie-Luise Langes Eindruck vom Kurs