EVALUATIONSPROZESSE IN WORKSHOPFORMATEN
von Agnes Scharnetzky
Inder JoDDiD wurden seit ihrem Bestehen etwa 70 sehr unterschiedliche Akteur:innen aus der politischen Bildung in Sachsen zu ihrer Arbeit beraten. Es gibt Themen, die dabei immer wieder auftauchen. Zuvorderst gehört die Frage nach Qualitätssicherung und Messung von Wirksamkeit dazu. Träger:innen und Akteur:innen sind völlig nachvollziehbarerweise zur Legitimierung der eigenen Arbeit, zur Berichtslegung gegenüber dem Fördermittelgeber und Neubeantragung von finanziellen Mitteln sowie keineswegs zuletzt zur Vergewisserung über die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit und mit dem Wunsch nach Selbstwirksamkeitserfahrungen bestrebt, dass das eigene Angebot wirkt, dass es sinnhaft ist und einen Unterschied macht, kurz, dass das eigene Angebot einen wahrnehmbaren und vermittelbaren Mehrwert für das politische und demokratische Lernen der Teilnehmenden hat. Dies trifft umso mehr auf relativ formalisierte Bildungsprozesse in klar abgrenzbaren Workshop-, Seminar- und Veranstaltungssituationen zu, die vor allem quantitativ abgerechnet werden. Gemeint sind politische Bildungsprozesse, in denen klar genannt werden kann, wie viele Teilnehmende in wie vielen standardisierten Workshopformaten erreicht werden sollen. Ein klassischer Fall, der im Folgenden im Fokus stehen soll, ist ein Träger politischer Bildung, der ein Angebot für Schulen formuliert, dass durch Lehrer:innen im Rahmen der Unterrichtszeit gebucht werden kann. Nun sind natürlich für alle Beteiligten (Teilnehmende, Lehrer:innen, Träger, Workshopumsetzende und Fördermittelgeber) am Ende einer solchen Maßnahme nicht nur die Zahl der Workshops und der Teilnehmenden von Interesse, sondern es besteht der Anspruch – gerade auch im Vergleich zum Untereicht als solchen – nachzuweisen, dass nachhaltiges politisches Lernen durch das spezifische Angebot stattgefunden hat. Die Fragen, denen wir dann in Beratungsprozessen in der JoDDiD im Gespräch mit jenen Mitarbeiter:innen der Träger:innen begegnen, die die Bildungsprojekte konzipieren und koordinieren, lautet „Wie kann ich messen, wie das Angebot gewirkt hat? Und wie kann ich diese Messung für künftige Angebote, für den/ die Fördermittelgeber:in, aber auch für die Akquise auswerten, dokumentieren und darlegen?“
Wenn wir uns diesen Fragen mit der JoDDiD-typischen politikdidaktischen Brille nähern, müssen wir konstatieren, dass es keine einfachen Antworten gibt, weil diese Fragen in der fachdidaktischen Forschung nicht besonders gut beleuchtet sind.
Wirkungsforschung bezogen auf die konkrete Maßnahme im Workshopsetting gibt es für die außerschulische politische Bildung vor allem im Rahmen der großen staatlichen Förderprogramme (Vielfalt tut gut; Demokratie leben; Weltoffenes Sachsen etc.) kaum. Was vorliegt, sind die globalen Berichte zur Evaluation der Bundes- und Landesprogramme zur Demokratieförderung. Aus Perspektive der Fachdidaktik der politischen Bildung wurde in den letzten Jahren wiederholt konstatiert, dass nur wenig vorliegt (vgl. Becker 2011, 114 ff.; Martin/ Reichart 2020, 180). Bemerkenswerte Ausnahme ist die Studie Wie politische Bildung wirkt von Balzter et al. (2014). Ihr Zugang ist ein biographischer: In acht Falldarstellungen leiten sie aus dem weiteren Verlauf des Lebens ab, wo und wie politische Bildung retrospektiv wirksam war (ebd.). Dies ist ein spannender Ansatz. In Beratungsgesprächen und Workshops der JoDDiD wird immer wieder thematisiert, dass mindestens ein Teil der Wirkung von politischer Bildung jenseits des Wahrnehmungsfeldes der Bildner:innen liegt, weil sie mitunter lebenslang prägendwirktunddieserEffektnichtamEndeeinerVeranstaltung oder Maßnahme gemessen werden kann.
Politische Bildungsangebote, die mit standardisierten Workshopformaten arbeiten – auf diese soll an dieser Stelle der Fokus gelegt werden – werden in der konkreten Umsetzung aus verschiedenen pragmatischen und didaktischen Gründen oftmals durch Peers oder Teamer:innen, also nicht durch hauptamtliche Mitarbeiter:innen des/der Träger:in, umgesetzt. Das heißt, die Umsetzenden haben häufig keine oder keine abgeschlossene Berufsausbildung, sie lernen, was sie für den konkreten Einsatz als politische/r Bildner:in im Workshop brauchen in einem durch die Trägerschaft konzipierten und gestalteten Ausbildungsprozess – in der Regel ein oder mehrere Wochenendkurse. Insofern haben sie automatisch immer eine Doppelrolle: Sie sind Lernende, die gleichzeitig als Lehrende fungieren – das ist häufig einer der zentralen Anreize, sich überhaupt so stark in die Bearbeitung des Lerngegenstandes zu vertiefen. Wie sieht die Praxis der Erfolgsmessung in diesen Peeroder Teamer:innen-Formaten üblicherweise aus? Noch vor dem Feedbackbogen wird oft die Zahl der Menschen, die mit einem Bildungsangebot erreicht wurde, als ein erster Erfolgsindikator für politische Bildner:innen herangezogen – je mehr, desto besser. Wie viele Menschen konnten die Peers bzw. Teamenden mit ihren Workshops erreichen? Dabei liegt es auf der Hand, dass die bloße Teilnahme an einem Angebot nicht per se etwas über dessen Wirksamkeit geschweige denn Erfolg aussagt. Vielmehr wäre zu eruieren, welchen Kompetenzzuwachs die Teilnehmer:in nen der Workshops generieren konnten. Doch wie wird das gemessen? Exemplarisch soll ein Schlaglicht geworfen werden:
Interessant war ein Fall eines Peer-to-Peer Projektes mit Schüler:innen, in dem der Träger einen guten Zugang für die Messung entwickelt hat. Nicht die teilnehmenden Schülerinnen wurden befragt, sondern die Peers, die einerseits ein deutlich umfangreicheres Angebot als einen 90-minütigen Workshop in Anspruch genommen und andererseits über die im Projekt entwickelte Bindung an den Träger viel besser erreichbar waren. Hier wird genutzt, was sich auch in anderen Settings politischer Bildung beobachten, lässt: Menschen, die politische Bildung machen, werden selbst zu Subjekten derselben. Ihr Wissens- und Kompetenzzuwachs, also ihr Lernen kann mit Blick auf Wirkung und Erfolg eines Projekts zur politischen Bildung der maßgeblichere Faktor werden. Indikator für gute politische Bildung ist dann bspw. auch die Beschreibung der Selbstwirksamkeitserfahrung der jugendlichen Peers, die sehr prägend und empowernd wirken kann. Sie verweist gleichzeitig auf im Projekt entwickelte politische Urteils- und Handlungskompetenz der Peers. Im vorliegenden Fall wurde die Datenerhebung über einen digitalen Fragebogen zum individuellen, digitalen Ausfüllen umgesetzt. Bei der Anlage des Fragebogens ist es ratsam, den Ausfüllenden in einem offenen Fragenteil die Möglichkeit zu geben, nicht nur in Textform, sondern bspw. auch in Sprachnachrichten erzählend zu antworten, um die Hürde der Textgenerierung zu senken.
Zuweilen werden in der Befragung der Peers und Teamer:innen unbefriedigende Ergebnisse erhoben, bspw. werden Ziele nicht oder nicht genügend erreicht. Ein Befund kann auch sein, dass die Selbstwirksamkeitserfahrung nicht den eigenen Ansprüchen der Umsetzenden der Workshops genügt hat. In diesen Fällen können unterschiedliche Schlussfolgerungen getroffen werden. In den Beratungsfällen der JoDDiD war die Conclusio in verschiedenen Fällen, mit den Teamenden nochmals in die Reflektion zu gehen, was eigentlich ihr persönliches Ziel in ihrem Workshop war oder ist. An dieser Stelle kann nachgesteuert werden. Ein einfaches Beispiel: Peers sind enttäuscht, dass die Workshopteilnehmenden am Ende des Workshops nicht alle Fakten wiedergeben konnten oder dass sie an ihren Meinungsäußerungen festhalten, dass sie also nicht bereit waren, ihre Haltung zu überdenken oder zu verändern. Stattdessen kann es ein deutlich niedrigschwelliger Anspruch sein, dass ein politischer Gegenstand in der Gruppe zum Thema wird, dass eine Auseinandersetzung angeregt wird oder dass politische Fragestellungen besprechbar geworden sind. Wenn Teamende und Peers das als valides Ergebnis ihres Engagements wahrnehmen können, kann das zu relevanten Selbstwirksamkeitserfahrungen führen, die sich gleichsam positiv auf das politische Bildungsangebot auswirken. Wissensvermittlung und -reproduktion treten dann folgerichtig in den Hintergrund.
Was wir uns als JoDDiD-Beratungsteam aus den laufenden Beobachtungen mitnehmen, ist die Frage, was die Bildner:innen eigentlich selbst – und nicht nur in einer Förder- oder Rechtfertigungslogik – als Wirkung beschreiben. Dies zu untersuchen ist eine lohnenswerte Fragestellung und kann dann auch zur Grundlage weiterer Aus- und Weiterbildungs- sowie Beratungsangebote werden.
Abschließend möchte ich dieses Fazit noch um drei Thesen ergänzen. Auch diese können nur erste Schlaglichter sein, die sich aus den laufenden Beobachtungen der Beratungsarbeit der JoDDiD ergeben und die weiter untersucht und ausgebaut werden müssen:
- Evaluation verstanden als eine direkte Messung von Wirkung von einzelnen politischen Bildungsveranstaltungen ist nur valide darstellbar, wenn dies in Längsschnittstudien oder rehistorisierenden biographischen Methoden untersucht wird. Beides kann schwerlich von einzelnen Projekten geleistet werden. Dass es diese Art der Messung kaum gibt, sagt aber nichts darüber, ob ein Projekt oder eine Bildungsveranstaltung sinnvoll oder nicht sinnvoll ist.
- Partizipative Peer-Evaluationsprozesse geben nicht nur Auskunft über die Qualität der Arbeit, sondern unterstützen zeitgleich Reflexionsprozesse sowie die Selbstwirksamkeitswahrnehmung und können damit schon direkt zu einer Anpassung auf Basis der Evaluationsergebnisse führen.
- Politische Bildung findet in der außerschulischen politischen Bildung nicht nur für Teilnehmende statt, sondern im Kontext von Planung, Gestaltung, Durchführung und Reflexion auch unter Teamenden und Peers.
Literatur und Verweise
Balzter, Nadine/Ristau, Yan/Schröder, Achim (2014): Wie politische Bildung wirkt. Wirkungsstudie zur biographischen Nachhaltigkeit politischer Jugendbildung (Wochenschau Verlag). Schwalbach/Ts.
Becker, Helle (2011): Praxisforschung nutzen, politische Bildung weiterentwickeln – Studie zur Gewinnung und Nutzbarmachung von empirischen Erkenntnissen für die politische Bildung in Deutschland. Ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft deutscher Bildungsstätten (AdB) mit dem Bundesausschuss politische Bildung (bap), Teil I: Auswertungsbericht, https://www.adb.de/node/248.
Martin, Andreas/Reichart, Elisabeth (2020): Zum Einfluss der politischen Bildung an Volkshochschulen auf die Wahlbeteiligung. In: Schrader, Josef/Ioannidou, Alexandra/ Blossfeld, Hans-Peter (Hrsg.): Monetäre und nicht monetäre Erträge von Weiterbildung – Monetary and non-monetary effects of adult education and training (VS Verlag für Sozialwissenschaften), S. 175-212. Wiesbaden. https:// doi.org/10.1007/978-3-658-25513-8_7.